Die VUCA-Welt ist volatil, unsicher, komplex und ambig. Wer hier als Führungskraft nicht nur mithalten, sondern auch mitreißen will, braucht vor allem eine authentische Haltung.
Unternehmen müssen sich wandeln, um zu bestehen – und zwar fortlaufend. Das ist mittlerweile auch im traditionsreichsten Betrieb angekommen. An und für sich ist das nichts Schlimmes, sondern der natürliche Lauf der Welt. Trotzdem inspiriert das Akronym VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) Angst in den Köpfen vieler Mitarbeiter. Weil in diesem Wort noch etwas anderes als Veränderung mitschwingt: Unsicherheit, Ungewissheit, Kontrollverlust, „Nicht wissen, was die Zukunft bringen wird“.
Das Resultat: Unternehmen bringen ein Change-Vorhaben nach dem anderen an den Start, aber die Mitarbeiter verweigern sich. Sie erstarren förmlich, aus Angst etwas zu tun, was negative Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Die Frage ist also, wie man diese Menschen aus ihrer Starre befreien und stattdessen zu neuen Höchstleistungen befeuern kann, an denen sie darüber hinaus Freude haben, die zu einem Sinnerleben der eigenen Arbeit und zu leuchtenden Augen führen.
Haltung gibt Halt
Die Antwort ist Haltung. Je unsicherer die Welt, desto wichtiger die Haltung des Einzelnen. Insbesondere dann, wenn er Verantwortung für andere Menschen, etwa Mitarbeiter, trägt. Die Haltung der Führungskraft kann Menschen aus der Starre reißen, vorausgesetzt, sie ist authentisch, sicher und fest – und keine Modeerscheinung. Eine Haltung, die sicher auf einem soliden Wertegerüst basiert, ist auch einer der Kernfaktoren, die Führungskräfte zu Führungspersönlichkeiten reifen lässt. Zu Menschen, die durch eine einzigartige und individuelle Zusammensetzung von Merkmalen und Überzeugungen inspirierend wirken.
Ein Beispiel ist Steve Jobs. Nicht jeder mochte ihn, aber jeder, der ihn auf der Bühne sah, wusste: Hier ist jemand, der voll und ganz hinter dem steht, was er sagt, der gar nicht anders kann, als es kundzutun. Das hier ist eine Persönlichkeit. Und genau dieser Umstand sorgte für Glaubwürdigkeit, für Begeisterung. Dieser Mann hatte eine Vision, an die er selbst unerschütterlich glaubte – und dementsprechend glaubten nach und nach auch andere an ebendieses Leitbild.
Den Kompass „Haltung“ ausrichten
Um eine Haltung, die standhält, auszubilden, benötigt es einen reflektierten Wertekanon. Ansonsten erliegt man leicht der Versuchung, sein Fähnchen nach dem Wind zu hängen. Wer aber um seine tiefste Überzeugung weiß, der wird diese auch vertreten können, vor sich selbst und anderen, auch wenn die See mal stürmisch wird. Die entscheidende Frage, die über allem anderen schwebt, lautet: Was ist mir wirklich wichtig? Wer das beantworten kann, hat ein übergeordnetes Ziel und weiß bereits ungefähr, wohin die Reise gehen wird. Den eigenen Wertekanon, aus dem sich die Haltung hervorbildet, legt man durch die intensive Auseinandersetzung mit folgenden Fragen fest:
- Wodurch zeichnet sich für mich glaubwürdiges Handeln aus?
- Habe ich Vorbilder, und wenn ja, welche und warum?
- In welchen Situationen bin ich besonders glaubwürdig und präsent?
- Welches Menschenbild leitet meinen Alltag?
- Wie definiere ich Erfolg, Anerkennung, Wertschätzung?
- An welchen Werten orientiere ich mein Handeln?
Die Antworten auf diese Fragen liefern vermutlich eine Reihe von Werten. Wichtig ist, aus dieser Sammlung die wichtigsten herauszufiltern und grundsätzlich vor jeder Entscheidung zu bestimmen, ob man sich auf dem eingeschlagenen Weg der Erfüllung der eignen Werte annähert oder sich davon entfernt. Über kurz oder lang bildet sich so das Grundgerüst einer werteorientierten Haltung. Die Führungspersönlichkeit wirkt selbstreflektiert, authentisch und inspirierend – weil sie genau das ist.
Warum Wandel Haltung braucht
Jedem Transformationsprozess, den gewollten und den unumgänglichen, muss ein Kulturwandel im Unternehmen vorhergehen. Und Kultur kann nicht von oben verordnet werden. Sie muss gemeinsam mit Mitarbeitern aktiv entwickelt und dann von allen gleichermaßen gelebt werden. Ansonsten entpuppt sie sich als Lügenbaum. Hochglanzflyer und Broschüren, die Unternehmenswerte propagieren, sind die eine Seite der Medaille. Bleiben die Wertedefinitionen aber ein bloßes Lippenbekenntnis, macht sich unter den Mitarbeitern schnell Frust und Zynismus breit – und garantiert kein Aufbruchswille zu neuen Ufern.
Konkret bedeutet das: Jede Führungspersönlichkeit muss die eigenen Werte mit den Unternehmenswerten abgleichen. Erst wenn diese kongruent sind und gelebt werden, kann man von den Mitarbeitern erwarten, dass sie mitziehen und somit dem gesamten Unternehmen Momentum verleihen. Die Mitarbeiter müssen sich darauf verlassen können, dass die Haltung des Vorgesetzten fest und sicher ist, damit sie die Freiheit haben, nach diesen Werten zu agieren.
Will ich als Unternehmer beispielsweise, dass meine Mitarbeiter zukünftig die Servicequalität vor alles andere setzen, muss ich im Unternehmen eine Servicekultur einführen und dafür vielleicht weggehen von einer Kultur, die Zeitmanagement und Deadlines über allem anderen wertschätzt. Habe ich aber als Führungskraft die (vielleicht lediglich „verdeckte“) Haltung „Zeit ist Geld“ wird mein Vorhaben, mein angebliches Ziel, zu einer bloßen Fassade – das spüren auch die Mitarbeiter. Eine Führungspersönlichkeit, die die Haltung hat, dass Service und hohe Kundenzufriedenheit das A und O sind, wird ihren Mitarbeitern Freiräume gewähren, um Probleme nach Kundenwunsch zu klären, um Kulanz walten zu lassen und auch mal als Unternehmen zurückzustecken. Die Mitarbeiter können ihr Potenzial in einem sicheren Rahmen entfalten.
Fazit
Über die Haltung der Führungspersönlichkeit entstehen Beziehungen zu Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern und Unternehmen. Der Mensch und seine Bedürfnisse müssen insbesondere in den heutigen wandelwütigen Zeiten im Mittelpunkt stehen. Eine Aussage, die jeder sofort unterschreiben würde, die aber nur selten so vorgelebt wird. Denn sie bedeutet in der Konsequenz ein Abrücken von reinen Methoden und Techniken und stattdessen eine intensive Auseinandersetzung mit der Wertekultur des Unternehmens und der Führungskräfte.
Anke Nienkerke-Springer
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