Personaler sind heute eher bereit in der Community ihr Wissen zu teilen als früher. Netzwerke sind wichtiger denn je – für alle. Manche machen sich gar für Open Source HR stark.
Vor kurzem sagte der Personalmanager eines Konzerns zu mir, dass er erst einmal zu keiner weiteren HR-Veranstaltung mehr gehen werde. Zu viele Anregungen. Er müsse jetzt endlich Projekte umsetzen. Die Einstellung ist verständlich, aber auch schade für ihn. Denn zum einen ist das Tempo der Veränderung in der HR-Community groß, da hilft es nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Zum anderen erleben wir gerade eine nie da gewesene Offenheit von Personalern weltweit, Wissen und Erfahrungen zu teilen. Digitalisierung, agile Prozesse und Strukturen, demografischer Wandel: Am Ende sitzen dann doch alle im selben Boot.
Die Herausforderung ist, dass bislang unantastbare Ansichten beispielsweise in Bezug auf Recruiting, Beurteilung, Führung oder Personalentwicklung infrage gestellt werden, weil viele traditionelle Modelle nicht mehr funktionieren. Gleichzeitig nehmen die technologischen Möglichkeiten zu. Mit einem unglaublichen Tempo. Plötzlich ist in der Community ständig von Big Data, Social Recruiting und Cloud Computing die Rede. Es ist kein Wunder, dass das Personalmanagement zu den beratungsintensivsten Ressorts gehört. Vergütung, Strategie, Personalmarketing: Nirgendwo scheint es mehr Consulting-Firmen zu geben. Doch die sind meist teuer, haben nicht selten zu wenige Einblicke und sind schnell wieder weg.
In Zeiten der Digitalisierung und Industrie 4.0 gewinnt das Prinzip der Vernetzung und der Kooperation mehr und mehr an Bedeutung – und das gilt auch für die HR-Community: Wie machen es die anderen? Welche Erfahrungen haben sie mit diesem Tool gemacht? Wie gestalten sie ihr Performance oder Gesundheits-Management? Ja, Veranstaltungen auf denen Best Practices vorgestellt werden, gibt es schon lange. Doch anders als früher scheint es weniger Schönwetter-Präsentationen zu geben, sondern auch mal die ehrliche Offenlegung von Praktiken und Instrumenten sowie die Bereitschaft, bei anderen Personalern nach Ideen und Tipps zu fragen – bei Netzwerkveranstaltungen, Stammtischen und natürlich im virtuellen Raum: in Xing-, LinkedIn- oder geschlossenen Facebook-Gruppen.
Sicherlich sagt Ihnen der Begriff Open Source etwas. Er wurde ursprünglich für die Software verwendet, deren Quelltext für alle frei verfügbar ist. Mittlerweile ist der Begriff aber auch über den Software-Bereich hinaus populär. Im weiteren Sinne geht es darum, Wissen und Informationen frei zugänglich zu machen. Wikipedia ist ein Beispiel. Ich denke, langsam könnte man auch von einer „Open-Bewegung“ im Bereich Personalmanagement sprechen – weltweit. Und in den sozialen Netzwerken ist dafür das Potenzial am größten.
Offen über eigene HR-Praktiken sprechen
Der Austausch zwischen Personalern wird in der digitalen Welt weiter zunehmen – zusätzlich zu den Impulsen, die von Beratern kommen. Dafür werden die HRler noch mehr bereit sein, Einblicke in die eigene Arbeit zu ermöglichen beziehungsweise beim Vorstand darum kämpfen, dass sie es dürfen. Denn wir alle merken, wie Personalarbeit und Arbeitswelt immer komplexer werden. Das kann keiner mehr alleine überblicken. Das Wissen und die Erfahrungen von anderen und der Austausch mit ihnen, mit Leuten, die in ähnlichen Situationen und Positionen sind, sind da unglaublich wichtige Ressourcen.
Google hat es vorgemacht. Seit einiger Zeit offenbart das Software-Unternehmen sehr viel von den eigenen HR-Praktiken beispielsweise auf seinem Blog re:work. Zudem hat der ehemalige Personalchef Laszlo Bock ein bemerkenswertes Buch veröffentlicht, in dem er die Personalarbeit von Google erläutert und mit dem er sicherlich vielen Personalern einige Anregungen gegeben hat. Ich bin auch beeindruckt, wie offen sich Personaler in manchen LinkedIn-Gruppen austauschen, um Tipps bitten und über eigene Projekte und Programme sprechen. Da fragt zum Beispiel jemand in die Runde, welche Prozesse andere Unternehmen haben, um Talente zu identifizieren; oder es wird um Tipps hinsichtlich einer Software für Mitarbeiterempfehlungen gebeten. Andere Personaler erzählen bereitwillig was sie wissen. Das alles gibt es offline auch. Aber nicht in dieser Geschwindigkeit und nicht mit den enormen Möglichkeiten der Verbreitung.
Transparente und offene Zusammenarbeit
Seit dem vergangenen Jahr gibt es eine – zugegebenermaßen kleine – Bewegung aus den USA, die sich Open Source HR nennt. Gegründet wurde die Initiative von Ambrosia Vertesi von Hootsuite und Lars Schmidt von Amplify Talent. Ziel ist es unter anderem, eine Wissensdatenbank von HR-Praktiken aus verschiedenen Industriebereichen und unterschiedlich großen Unternehmen zu sammeln. Weil es letztendlich trotz aller Tagungen doch zu wenig vertrauenswürdige und praktikable Informationen zu HR-Prozessen und Instrumenten gibt. Die Seite Open Source HR sammelt unter anderem verschiedene Case Studies. Es wird dort noch auf ziemlicher Sparflamme gekocht. Aber die Seite zeigt: Es gibt einen Bedarf an ehrlichem Austausch und immer weniger nach „Guck mal, wie toll wir sind.“
Das ist auch ein Grund dafür, warum Ende September nun endlich die erste HR Fuckup Night in München stattfand. Untertitel: „Kein Bock mehr auf Best Practices.“ Interessant ist ebenfalls eine weitere Bewegung aus den USA, die gerade in Deutschland sehr populär wird: Working Out Loud. Der Begriff steht für eine transparente, offene Zusammenarbeit im Netzwerk, die in Zeiten der digitalisierten, dynamischen Arbeitswelt immer notwendiger wird. Es geht dabei darum, seine Arbeit sichtbar zu machen, zum Beispiel über soziale Netzwerke, um dann in den Austausch mit Gleichgesinnten zu gehen und ein breites interdisziplinäres Netzwerk entstehen zu lassen, das einen weiterbringt. Das kann über sogenannte Working Out Loud Circles passieren, die aus etwa einem halben Dutzend Menschen bestehen und von denen es in Deutschland immer mehr gibt. Es sind Peer Groups, die einem helfen seine persönlichen Ziele zu erreichen.
Diese Bewegung und andere Entwicklungen zeigen: Es geht zuerst um die Haltung. Man sollte bereit und in der Lage sein, um Hilfe zu bitten, selbst Unterstützung anbieten und Wissen mit anderen teilen – auch mit Personalern aus anderen Unternehmen. Dann kann vielleicht etwas Großes entstehen.