7 Gedanken zu Weinen am Arbeitsplatz

Leadership

Jede Veränderung beginnt mit einem Gedanken. Hier sind sieben zu Weinen am Arbeitsplatz.

Weinen in Meetings

Neulich stritt ich mich mit einem Kollegen. Ich war erst wütend und dann traurig, dass er meine Perspektive – so fühlte es sich für mich an – nicht verstand. Wir führten eine Woche später noch mal in Ruhe ein Gespräch dazu. Ich gab ihm Feedback und sagte, dass sein Verhalten mich traurig gemacht hat, und mir liefen dabei ein paar Tränen über die Wangen. Er erklärte mir seine Sichtweise und wir kamen zu einem guten gemeinsamen Abschluss des Gesprächs. Situationen wie diese sind für mich nichts Neues. Ich weine bei der Arbeit, seit ich denken kann: als Praktikantin, Senior Beraterin, als Gesellschafterin und auch als Gründerin. Was sich aber geändert hat, ist mein Umgang mit meinen Tränen. Früher versuchte ich sie – meist zwecklos – aufzuhalten, verkroch mich zum Weinen auf die Toilette und tat danach so, als sei nichts gewesen. Ich schämte mich. Das ist heute anders.

Weinen braucht  den ­passenden Kontext

Weinen kann viele Gründe haben. Von Wut, Freude über Angst, Ergriffenheit bis Trauer ist alles dabei. Für Kinder gehört Weinen zum Alltag. Mit dem Erwachsenwerden versuchen wir aber, emotionale Impulse immer besser zu kontrollieren. Bei einigen von uns kommen die Tränen dann höchstens, wenn sie auf der Trauerfeier eines geliebten Menschen sind. Also da, wo wir es gesellschaftlich und kulturell für angemessen halten. Überall sonst ist Weinen eher uncool. Wer heult, muss also wissen, in welchem Kontext das anerkannt ist. Denn die gleiche Person, die bei der Trauerfeier angemessen weint, wird im Büro zur Heulsuse, wenn die Kultur und die geteilten Werte im Unternehmen nichts anderes zulassen.

Die Arbeit als emotionsloser Raum

Lange hatten wir die Vorstellung, dass Organisationen funktionieren wie Maschinen: rational und objektiv. Das hatte zur Folge, dass wir uns und unsere Teammitglieder als Rädchen in dieser Maschine begriffen. Emotionen bei der Arbeit werden deshalb heute noch oft als unangemessenes, irrationales Hindernis betrachtet. Wir sollen uns objektiv und nüchtern von Fakten lenken lassen, und wer weint, ist nicht sachlich, sondern emotional. Fakt ist aber auch, dass wir als soziale Wesen nicht vollumfänglich objektiv sein können. Wann immer Menschen Entscheidungen treffen, sind sie dabei emotional und voreingenommen. Objektivität ist eine Illusion.

Der Umgang mit Tränen ist das Problem

Weinen wird im Kontext der Arbeit also tendenziell negativ bewertet. Diese Bewertung führt dazu, dass sich weinende Menschen für ihre Tränen schämen. Scham entsteht immer da, wo ein Verhalten nicht mit der geltenden Norm übereinstimmt. Nicht die Tränen, sondern der Umgang des Umfelds mit den Tränen ist also das Problem. Wem Tränen anderer am Arbeitsplatz unangenehm sind, sollte sich deshalb fragen, warum das so ist, und über die eigene Verunsicherung, Scham und Abwertung nachdenken.

Für Pokerfaces haben wir keine Zeit

Mittlerweile ist in einigen Organisationen angekommen, dass Menschen überall die gleichen sind, egal, ob sie vor der Bürotür stehen oder dahinter. Der einzige Unterschied ist, wie viel Energie und Zeit sie dafür aufwenden müssen, ein Pokerface aufrechtzuerhalten, oder ob es in Ordnung ist, in einem Meeting zu sagen: Mir geht es heute richtig mies, bitte seid behutsam mit mir.

Emotionen als Stärke

Es geht nicht darum, dass der Arbeitsplatz zu einem Ort wird, an dem wir täglich einen Seelenstriptease hinlegen. Entscheidend ist vielmehr, ob Teammitglieder das Vertrauen haben können, transparent zu machen, wie es ihnen wirklich geht und welchen Umgang sie sich wünschen – ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Statt Emotionalität bei der Arbeit zur Schwäche zu machen, wird das Zeigen von Emotionen dadurch zur Stärke. Wer für sich sorgen kann, übernimmt Verantwortung.

Emotionale Kompetenz ist Führungsaufgabe

Dass Menschen im Unternehmen sichtbar machen können, was sie bewegt, ist unter anderem auch Führungsaufgabe. Am besten fange ich deshalb mit mir selbst an. Wenn ich als Führungskraft selten weiß, wie ich mich fühle und welche Bedürfnisse hinter meinen Gefühlen stecken, sollte ich dies unbedingt herausfinden. Allein und gemeinsam mit meinem Team. Denn erst wenn wir in Organisationen einen selbstverständlichen Umgang mit Emotionen erlernen, können Menschen eigene Erschöpfungszustände schneller erkennen, darüber sprechen und ihre Rollen im Unternehmen präventiv verändern, bevor sie mit einem Burn-out monatelang krankgeschrieben werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Leadership. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Lena Marbacher ist Mitgründerin von Neue Narrative, einem Magazin und Medienunternehmen für Neue Arbeit und Wirtschaft.

Lena Marbacher

Lena Marbacher ist Mitgründerin von Neue Narrative, einem Magazin und Medienunternehmen für Neue Arbeit und Wirtschaft. Der Verlag ist in Verantwortungseigentum gegründet und gehört sich selbst. Die promovierte Designerin und Organisationsentwicklerin hat zehn Jahre lang Unternehmen in ihrer Transformation hin zu mehr Selbstorganisation begleitet. Sie ist Autorin der Kolumne Es ist okay ... .

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