Jetzt mal ernsthaft, bitte!

Humor

Kennen Sie den schon: Treffen sich ein Personalmanager, eine Journalistin und ein Polizist …? Schon gut, ertappt, es gibt keinen Witz, der so beginnt. Aber grundsätzlich existieren Scherze über Berufsgruppen so lange, wie die jeweils verspottete Zunft selbst. Besonders wer im juristischen Bereich arbeitet, kann davon ein Liedchen singen. Dass etwa Richterinnen und Anwälte besonders oft zur Zielscheibe werden, liegt vermutlich an ihrem Image: Sie gelten dem Klischee nach als regeltreu, steif und ohne Sinn für Humor. Doch das muss natürlich nicht so sein – verboten sind Witze weder in Kanzleien noch im Gerichtssaal – sie sollten nur wohlüberlegt und vorsichtig dosiert sein. Andersherum besteht der Arbeitsalltag in der Comedybranche oder anderen kreativen Bereichen auch nicht aus permanenter Pointenproduktion begleitet von schallendem Gelächter. Wir haben zwei Menschen mit sehr unterschiedlichen Tätigkeiten gefragt, wie sie es mit dem Humor im Job so halten.

Der Rechtsanwalt

Michael Felser, Rechtsanwalt
© privat

Michael Felser ist eine rheinische Frohnatur und Chef ­einer Anwaltskanzlei in Brühl bei Köln. Sein Schwerpunkt liegt im Arbeitsrecht.

An Vorurteilen ist oft etwas dran. Auch an dem, dass unsere juristische Zunft nicht unbedingt bekannt ist für ihren Humor. Der Beruf ist nun einmal stark regel- und auch statusorientiert, daher wählen ihn oft eher konservative Menschen. Und sich den ganzen Tag mit der Rechtslage zu befassen, stimmt nicht unbedingt lustiger. Natürlich erwarten auch Mandantinnen und Mandanten Ernsthaftigkeit von uns. Zu mir ist noch nie jemand gekommen und hat gesagt: „Sie haben den Ruf, ein lustiger Anwalt zu sein, deshalb möchte ich von Ihnen beraten und vertreten werden.“ Es birgt sogar eher die Gefahr, dass einem Seriosität abgesprochen wird. Eher ist es anerkannt, wenn man als bissig gilt. Auch im Richterstand ist Humor nicht immer gern gesehen. Wenn Menschen vor Gericht stehen, zum Beispiel in einem Sorgerechtsstreit, würden sie scherzhafte Bemerkungen vermutlich als beleidigend oder arrogant empfinden, weil sie ihr Anliegen herabwürdigen.

In meinem Beruf auf Humor zu verzichten, kommt für mich trotzdem nicht infrage. Denn er hat – bewusst eingesetzt – wichtige Funktionen. In ersten Beratungsgesprächen nutze ich gern scherzhafte Wendungen, um Dinge und Verhaltensweisen zu vereinfachen. Zum Beispiel kläre ich über die wichtigsten Fehlerquellen mit dem Bild der fünf apokalyptischen Reiter auf. Und wenn ich merke, dass mein Gegenüber, zum Beispiel nach einem Jobverlust, traurig ist oder Angst verspürt, lässt sich das über Humor ebenfalls abfedern. Dann nehme ich einfach die Gegenseite auf den Arm – in meinem Fall als Arbeitsrechtler sind das oft Unternehmen oder Behörden. Das nimmt ein bisschen die Schwere, ermöglicht es der Person, sich von der Last ihres Falls zu distanzieren. Meine Mandantinnen und Mandanten selbst würde ich aber niemals verballhornen.

Humor kann wirksam sein, um eine angespannte Situation aufzulockern. Man sollte sich aber bewusst sein, dass wir uns damit auch potenziell aufs Glatteis begeben: Der Einsatz von Humor erfordert in unserem Berufsstand gute Menschenkenntnis, vorsichtige Dosierung und Souveränität. Wenn jemand noch nicht ganz souverän ist, kann das schiefgehen. Als Referendar hätte ich mich vieles noch nicht getraut, und auch heute erlebe ich manchmal heikle Situationen. Als mich ein Richter im Prozess über eine Abfindung einmal fragte, ob wir uns einigen können, erwiderte ich: „Ja, aber wenn jetzt schon wieder der übliche Vorschlag von 0,5 Monatsverdiensten pro Arbeitsjahr kommt, können wir genauso gut im Vorraum des Gerichts einen einarmigen Banditen aufstellen.“ Das war natürlich frech und es wurde kurz still im Saal. Er hätte meinen Spruch als Vorwurf auffassen können, er würde wie ein Geldspielautomat immer dieselbe Option unterbreiten. Aber er nahm es gelassen, auch weil wir uns bereits gut kannten. In einem mir unbekannten Gericht würde ich mich aber nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Wenn ein Witz nicht so ankommt wie geplant, entschuldige ich mich immer damit, dass ich Rheinländer bin. Unser Humor hier ist eben etwas robuster als anderswo.

Oft geht es bei Prozessen für meinen Geschmack zu verbissen zu, vor allem wenn Anwältinnen und Anwälte ex­trem ehrgeizig sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es klüger sein kann, persönlich zu werden, im Sinne davon, eine Verbindung zueinander herzustellen. Das funktioniert vor allem über Humor. Natürlich sollte man gegenüber der Gegenseite in der Sache hart bleiben. Aber wir kommen schneller zu Ergebnissen, wenn wir einander nicht beißen, sondern uns auf einer menschlichen Ebene begegnen. Wie man Humor auslebt, ist immer auch eine Sache des Naturells. Und ein bisschen kommt es auch auf das Rechtsgebiet an. Meine Kanzleikollegin ist Anwältin für Familien- und Erbrecht. In ihren Fällen ist Empathie deutlich wichtiger als Humor.

Worauf sollten Führungskräfte in stark regelorientierten und ernsten Berufsgruppen achten?

Tipps von Kirsten Haenle, Betriebswirtin und zertifizierte Humor-Trainerin/-Coachin

  • Humor kann ein Türöffner sein – auch in sehr auf Seriosität bedachten Branchen. Wichtig ist, dass hier vor allem sozialer Humor eingesetzt wird, der die Stimmung auflockert. Der grenzt sich ab von aggressivem Humor, wie beispielsweise sarkastischen Kommentaren. Es braucht Fingerspitzengefühl, denn Dosis und Timing müssen stimmen.
  • Fällt jemand im Team dadurch auf, den Bogen humortechnisch häufig zu überspannen, sollte die Führungskraft das ansprechen. In einem Vieraugengespräch lässt sich spiegeln, inwieweit sich unpassender Humor auf Dauer negativ auf Klientel und Betriebsklima auswirken.
  • Gerade Menschen, die sich in ihrem Beruf mit ernsten oder zuweilen deprimierenden Themen beschäftigen, dient Humor als Ventil. Controllerinnen, Scheidungsanwälte und Pflegekräfte etwa sehnen sich häufig nach Inseln der Leichtigkeit. Führungskräfte sollten darum Humorrituale etablieren. So kann ein Team-Meeting zum Beispiel damit starten, dass alle ein lustiges Missgeschick aus Beruf und Alltag erzählen. Auch das regelmäßige Mitschreiben der lustigsten Sprüche aus dem Team kann sich bewähren.
  • Ziel ist es, eine Balance zwischen der ernsten und spielerischen Haltung im Berufsleben zu schaffen. Die lässt sich fördern, indem Führungskräfte dafür sorgen, dass im Team die informelle Kommunikation gefördert wird, um Raum für regelmäßigen Austausch und Bewegung zu schaffen wie Flurgespräche, eine spontane Tasse Kaffee oder auch eine Runde Tischkicker.

Die Comedyautorin

Nora Cummins, Comedyautorin
© Daniel Grünfeld

Nora Cummins ist Autorin im Team der ZDF-Nachrichtensatiresendung Heute-Show. Außerdem schreibt sie fürs Kinderfernsehen und für andere Comedyformate, darunter die Show von Komikerin Carolin Kebekus.

Ich komme aus einem humorvollen und kreativen Elternhaus, aber dass ich mal Comedyautorin werden würde, hätte ich als Schülerin nicht gedacht. Es ist ja auch kein Beruf, für den es einen klassischen Bildungsweg gibt – in unserem Team gibt es da eine große Bandbreite. Ich selbst habe einen ziemlichen Zickzackkurs hinter mir, hier und da ein Praktikum, ein paar Semester Sinologiestudium, eine Zeit im Ausland und so weiter. Mit Ende 20 bin ich dann in der Redaktion der Heute-Show gelandet – eigentlich zum Sichten von Material. Es hat sich eher zufällig ergeben, dass ich Vorschläge für Wortspiele und Gags geliefert habe. Seit einigen Jahren bin ich nun Teil eines sechsköpfigen Teams aus freien Autorinnen und Autoren. Hinzu kommen die beiden Headwriter, zu denen Moderator Oliver Welke gehört.

Der Beruf hat also eher mich gefunden als andersherum. Klar, meine Jugend war, wie bei vielen aus der Branche, sehr geprägt von US-Late-Night-Shows, Monty Python und den Simpsons. Aber es war trotzdem ein Aha-Moment für mich, dass man mit Witzeschreiben Geld verdienen kann. Es ist schön, so kreativ und mit vielen lustigen Leuten zusammenzuarbeiten. Das ist für mich sowieso eine Priorität: Die Atmosphäre im Team muss stimmen, sonst wird es schwierig, zusammen gute Gags zu entwickeln. Uns ist es wichtig, dass ein kreativer Raum gegeben ist, der allen die nötige Sicherheit gibt, einfach loszulegen. Denn auf genau diese Spontaneität sind wir angewiesen. Gerade wenn jemand neu ist, ist oft eine Befangenheit spürbar: Ist das, was ich sagen will, lustig genug? Für die anderen heißt das: Man muss der Person vermitteln, dass grundsätzlich alles okay ist und man sich bei uns nicht blamieren kann. Dieses Alles-muss-raus-Prinzip ist Vertrauenssache. Und auch ein schlechter Witz bietet manchmal einen Anknüpfungspunkt für eine gute Idee. Gemeinsam in einem Raum zu sitzen, macht es leichter, sich die Bälle hin- und herzuwerfen. Aber es geht auch via Videocall.

Wenn ich für andere Formate angefragt werde, läuft das meistens eher über Empfehlung als über klassische Bewerbungen, bei denen man Witze einreicht. Wobei Letzteres für neue Talente, die in der Comedyszene noch nicht so gut vernetzt sind, natürlich auch möglich ist. Lustige Leute werden dringend gesucht – verstärkt auch Frauen, die es in unserem Bereich lange schwer hatten. Diversität ist generell ein wichtiges Thema: Je vielfältiger das Team, desto besser sind in der Regel die Ideen und verschiedenen Witze im Programm, weil sie mehr Nuancen und Perspektiven darin abbilden können. Die Menschen, die sich die Sendung anschauen, haben schließlich ebenfalls unterschiedliche Präferenzen.

Unser Beruf ist aber natürlich auch harte Arbeit. Es ist eben oft auch eine Dienstleistung und nicht immer einfach, wenn andere eine Pointe verändern, die man selbst in ihrer Ursprungsfassung besser fand. An Druck gewöhnt man sich zwar, aber wenn man zum Beispiel im Privatleben gerade Stress hat, braucht es Resilienz, um trotzdem einen guten Job zu machen und witzig zu sein. Dass wir bei der Heute-Show in Zweiergespannen arbeiten, ist dafür hilfreich. Die Kolleginnen und Kollegen bringen mich meistens schnell wieder in die Lockerheit rein. Die Themen sind schwierig geworden in Zeiten von Pandemie und Krieg – das ist manchmal herausfordernd. Aber Galgenhumor kann auch heilsam sein. Und meine Kinder und die Arbeit fürs Kinderfernsehen sind ein guter Ausgleich.

Worauf sollten Führungskräfte in kreativen und humorbetonten Berufsgruppen achten?

Tipps von Kirsten Haenle, Betriebswirtin und zertifizierte Humor-Trainerin/-Coachin

  • Erst einmal müssen Führungskräfte sich bewusst sein: Nicht jeder Mensch, der humorvoll und kreativ arbeitet, ist automatisch fröhlich. Der Druck, immer gute Ideen abliefern zu müssen, kann schädlich werden. Gerade wenn im Team Zynismus und Sarkasmus an der Tagesordnung sind, sollten Vorgesetzte darauf achten, dass die Stimmung nicht kippt.
  • Führungskräfte sollten individuell passende Angebote machen: vom Lachyogakurs, Braingym bis zum Theaterbesuch. Als Weiterbildung kann sich für Kreative ein Humortraining eignen, durch das man den Perspektivenwechsel übt und den Blick für Absurdes, Witziges im Alltag schärft.
  • In freigeistig und humorvoll arbeitenden Teams ist eine vertrauensvolle Kultur entscheidend. Damit es in der Konstellation unterschiedlicher Menschen nicht zu Konflikten oder Befangenheit kommt, braucht es intensiven moderierten Austausch. Auch hier helfen gemeinsame Aktionen und Erlebnisse, um die Zusammenarbeit zu stärken.
  • Außerdem braucht es eine exzellente Fehlerkultur: Sich über eine vermeintlich schlechte Idee lustig zu machen, ist absolut tabu. Führungskräfte die auch hin und wieder über sich selbst lachen können, schaffen Vertrauen und eine gute Atmosphäre im Team.
  • Um im Recruiting herauszufinden, ob jemand um die Ecke denken kann und flexibel ist, kann es sinnvoll sein, den Bewerbenden mit einer unkonventionellen Frage zu überraschen, zum Beispiel: Was würden Sie tun, wenn Sie in einem kleinen Ort abends den letzten Bus verpasst hätten?

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Anne Hünninghaus, Foto: Jana Legler

Anne Hünninghaus

Anne Hünninghaus ist Journalistin und Redakteurin bei Wortwert. Sie war von Januar bis Oktober 2019 Chefredakteurin i. V. des Magazins Human Resources Manager. Zuvor arbeitete die Kultur- und Politikwissenschaftlerin als Redakteurin für die Magazine politik&kommunikation und pressesprecher (heute KOM).

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