Die Digitalisierung erfordert neue Fortbildungskonzepte

Recruiting

Der digitale Wandel verändert nicht allein Prozesse und Geschäftsmodelle, sondern stellt auch grundlegend neue Ansprüche an die Menschen im Unternehmen. Mehr noch: Der Erfolg der digitalen Transformation hängt maßgeblich von der Fähigkeit der Mitarbeiter ab, den Digitalisierungsprozess aktiv mitzugestalten – und zwar sowohl hinsichtlich interner Abläufe als auch bei der Interaktion mit externen Partnern und Kunden.

Digital Skills Gap überbrücken

Dass dieser „menschliche“ Faktor ein wichtiges Kriterium digitaler Exzellenz ist – dazu bekannten sich in einer gemeinsamen Studie von Sopra Steria Consulting und der Universität Hamburg 95 Prozent der befragten Entscheider. Gleichwohl bescheinigten lediglich sieben Prozent der eigenen Belegschaft, sie sei gut vorbereitet auf die Herausforderungen der Digitalisierung.

Um diese Lücke zu schließen, bietet sich zunächst einmal die Anwerbung junger Arbeitskräfte an, die aufgrund ihrer Sozialisation im Internetzeitalter von vornherein über die erforderlichen Digital Skills verfügen. Solche Digital Natives sind auf dem Arbeitsmarkt jedoch eine knappe Ressource – und werden es auf absehbare Zeit auch bleiben. Angesichts der demografischen Entwicklung führt somit kaum ein Weg daran vorbei, den vorhandenen Mitarbeiterstamm „digital“ zu befähigen.

Digital Empowerment heißt dieser facettenreiche Aufgabenkomplex, der insbesondere HR-Abteilungen vor vielschichtige Herausforderungen stellt. Denn wie fast jede Abteilung muss sich auch das Personalwesen digital transformieren – zum Beispiel, um mit neuen Recruiting Tools die umworbene Digital-Native-Generation auch auf einschlägigen Social-Media-Plattformen zielgruppengerecht ansprechen zu können. Auf der anderen Seite fällt der HR-Abteilung zugleich die Rolle eines Enablers zu, der die Belegschaften anderer Abteilungen durch geeignete Qualifizierungs- und Personalentwicklungskonzepte in die Lage versetzt, den digitalen Wandel des gesamten Unternehmens erfolgreich zu bewältigen.

Türöffner zur digitalen Welt

Es liegt auf der Hand, dass entsprechende Fortbildungsmaßnahmen nicht nur inhaltlich um Digitalisierungsthemen kreisen dürfen, sondern dass auch die Vermittlung der jeweiligen Inhalte von digitalen Medien und Tools geprägt sein sollte. Nur so können die Schulungsteilnehmer die vermittelten Kenntnisse schon beim Wissenserwerb praktisch anwenden – was dem Verständnis förderlich ist und überdies zur Vertiefung des Erlernten beiträgt. Anders indes als konventionelle Mitarbeiterschulungen mit meist eng umrissenen Inhalten und Kompetenzen zielen Fortbildungen im Kontext von Digital Empowerment auf grundlegende Verhaltensänderungen. Bei digitaler Befähigung geht es generell darum, altgewohnte Kommunikations- und Arbeitsweisen an die Erfordernisse der digitalen Ära anzupassen. Und zwar so, dass alle Kursabsolventen in der Lage sind, souverän mit digital gewandelten Prozessen umzugehen und den im Zuge der Digitalisierung meist verstärkten Kundenfokus ihrer jeweiligen Abteilung im Alltag mit Leben zu erfüllen.

Auf didaktisch-methodischer Ebene heißt eine wichtige Herausforderung hierbei, den „Digital Immigrants” im Unternehmen ein Tor in die neue Epoche aufzuschließen. Das betrifft insbesondere Branchen mit vergleichsweise überalterter Belegschaft. Zwar nutzen viele der älteren Arbeitnehmer im Privatleben längst Elemente des digitalen Lebensstils wie zum Beispiel Facebook – im Berufsalltag jedoch sind Social-Media-Anwendungen oder gar Chat- und Messaging-Funktionen für diese Generation alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Genau das aber gehört in jedem digital transformierten Unternehmen zu den unabdingbaren Grundkompetenzen. Dies allein schon deshalb, weil die erwähnte Kundenorientierung in der Ablauforganisation – die ja ein Merkmal digitaler Exzellenz ist – anderes kaum umsetzbar wäre. Ohne weiteres könnten beispielsweise Mitarbeiter verschiedener Versicherungsabteilungen gleichsam in einem virtuellen Servicecenter zu festgelegten Zeiten umschichtig auch Kunden-Chat-Anfragen aus einem Online-Versicherungsportal beantworten. Laut einer Kundenbefragung von Sopra Steria Consulting wünschen sich viele Verbraucher bei solchen Kontakten dezidiert einen fachlich qualifizierten Ansprechpartner und keinen quasi anonymen Call-Center-Agenten.

Souveränität schrittweise aufbauen

So bedeutsam der Einsatz innovativer Collaboration-Tools in der „digitalen Fortbildung“ auch ist – das klassische Face-to-Face-Format hat damit noch lange nicht ausgedient. Im Gegenteil: Gerade in den frühen Phasen kommt es darauf an, behutsam vorzugehen und zunächst Motivation und Akzeptanz für das neue digitale Instrumentarium aufzubauen. Denn ein unvorbereiteter, womöglich gleichzeitiger Einsatz verschiedenartiger Tools löst bei Digital Immigrants mitunter Überforderungsgefühle aus, die schlimmstenfalls in Ablehnung gegen den digitalen Wandel insgesamt umschlagen können. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Entscheidung, welche digitalen Lösungen in welcher Reihenfolge als Lernplattform eine Rolle spielen sollen, ist das Maß an Selbstständigkeit, das sie von Anwendern erfordern. Nur bei schrittweisem Vorgehen kann sich bei digitalen Immigranten das Gefühl von Souveränität im Umgang mit den neuen Medien einstellen – ein Erlebnis, das als Schulungsziel zugleich auch die stärkste Motivation ist, sich als Mitarbeiter aktiv in die digitale Transformation des eigenen Unternehmens einzubringen.

An dieser Stelle wird auch eine Gemeinsamkeit zwischen Digital Empowerment und konventioneller Fortbildung deutlich: In beiden Fällen sind Qualifizierungsmaßnahmen umso erfolgreicher, je genauer die Inhalte und die Vermittlungsmethodik auf die konkreten Voraussetzungen der Teilnehmer zugeschnitten sind.

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Jürgen Prinz

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