Game-based Learning bietet starke Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen. Viele Personalentwickler haben es nur noch nicht für ihre Arbeit entdeckt. Das sollte sich schleunigst ändern.
Neulich saß im Flugzeug ein typischer Manager neben mir. Dunkler Anzug, ernste Miene, etwas blass. Kurz nach dem Start schaltete er sein Smartphone wieder ein. Wollte er seine Mails checken oder wichtige Memos lesen? Nein, er daddelte munter ein Fußball-Game. Dabei war er beileibe kein Digital Native, sondern wie ich ein Mittvierziger. Überall lässt sich dieses Phänomen mittlerweile beobachten: Männer im besten Alter, die auf ihrem Smartphone spielen.
Für mich stellt sich da die Frage: Wenn sich ein Manager durch die Champions League kickt, warum sollte ihn nicht auch ein Lernspiel begeistern, mit dem er seine Führungsqualitäten trainieren kann? Das Angebot an solchen Lernspielen steigt, auch für Business-Anwendungen. Doch unter den Hunderttausenden Apps im iTunes Store sind bislang nur wenige deutschsprachige Lernspiele für Erwachsene. Ihre Zahl wird aber sicherlich wachsen. Denn nach Game-based Marketing ist nun Game-based Learning angesagt.
Dass Lernen Spaß machen darf, ist leider noch nicht in alle Personalentwicklungsabteilungen vorgedrungen. Vielerorts werden lieber Erbsen gezählt, weil man die Kompetenzentwicklung zu einer messbaren Wissenschaft erheben möchte. Anarchisches Selbstlernen passt da natürlich nicht ins Konzept. Schade. Denn zahlreiche Erkenntnisse aus Neurowissenschaft und Lernforschung zeigen: Wir lernen spielend am besten, im wahren Sinnes des Wortes.
Immerhin machen wir in Deutschland Fortschritte beim spielerischen Lernen, in der Wissenschaft wie in der Wirtschaft. Ein akademischer Vorreiter ist Roland Böttcher, Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Aus einer spaßfreien Karriere als Topmanager bei einem DAX-Unternehmen flüchtete er in das ebenfalls eher ernsthafte Hochschulwesen. Dort ist Führungslehre sein Thema. Früh setzte er Spiele in der Lehre ein, seine Studenten machten erfreut mit. Seit einigen Jahren spielt er in Unternehmen mit Mitarbeitern und Führungskräften: Fort Fantastic heißt eine seiner spielerischen Business-Simulationen. Die Teilnehmer betreiben darin einen virtuellen Freizeitpark und erreichen neue Level bei Change Management, Führung und Teamsteuerung. Böttchers Spiele sind gefragt. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sich mit Hilfe von Gamification eine Menge Kompetenzen trainieren lassen – und zwar viel realitätsnaher und effektiver als in herkömmlichen Trainings.
Unterhaltung ist kein Tabu
Es bewegt sich etwas. In den letzten Monaten hatte ich eine Reihe von Terminen bei Konzernen, die sich einer innovativen Personalentwicklung rühmen. Immer ging es dabei um selbstgesteuertes Lernen. In Zeiten knapper Kassen ist der mündige Selbstlerner der beste Freund des Controllings. Nebenbei spielte auch das Thema Spaß eine Rolle. Zum Glück ist Unterhaltung beim Lernen kein Tabu mehr. Game-based Learning kombiniert beide Vorteile: den Budgetschoner Selbstlernen und den Lernturbo Spaß.
Im Recruiting haben sich Onlinegames längst etabliert. Autokonzerne und Militärs buhlen um die Gunst junger Männer mit flexiblen Berufsvorstellungen. Hier wird mit viel Geld um die Talente der Zukunft geworben und gespielt. Der „War for Talent“ hat große Budgets, das Pentagon lässt grüßen. Aber warum nicht ein Onlinegame zum Thema Compliance? Einer meiner Mitarbeiter trifft sich in seiner Freizeit mit Gleichgesinnten zu mittelalterlichen Rollenspielen. Stellen Sie sich vor, Ihre Mitarbeiter würden am Wochenende freiwillig an einem Lernspiel zum Thema Projektmanagement teilnehmen. Undenkbar? Vielleicht sieht so die Zukunft der Weiterbildung aus.
Meine liebste Zukunftsvision in Sachen spielerisches Lernen ist der Film „The Game“ mit Michael Douglas und Sean Penn. Die Pointe beim Finale: der Coachee legt zwei Millionen Dollar auf den Tisch für eine Maßnahme, die sich erst nach allerhand Schocks, Stürzen und Crashs als perfekt geplantes Lernspiel entpuppt hat. Aber keine Angst, ich träume nicht davon, dass die Mitarbeiter in den Unternehmen alles selbst bezahlen. Sie sollen vor allem selbst spielen und dabei deutlich mehr lernen. Und was wünsche ich mir für die Personalentwickler? Einfach viel mehr Mut, in die neue Welt der Lernspiele einzutauchen.