Vertrauensurlaub – was ist das und wie funktioniert es?

Bundesurlaubsgesetz

Im aktuellen Arbeitsmarkt mit Fachkräftemängel und großer Konkurrenz um die verbliebenen Talente gehen Arbeitgeber immer wieder neue Wege, um dem steigenden Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Flexibilität im Arbeitsalltag gerecht zu werden. In diesen Kontext passt unter anderem das Konzept des unbegrenzten Urlaubsanspruchs.

Was bedeutet Vertrauensurlaub und was wird darin gesehen?

Beim Konzept des Vertrauensurlaubs können Mitarbeitende jedes Jahr selbst bestimmen, wie viele Tage Urlaub sie nehmen möchten. Außerdem wird den Mitarbeitenden in der Regel die Befugnis eingeräumt, die Lage des Urlaubs eigenständig festzulegen.

Obwohl Arbeitgeber mit diesem Modell administrativen Aufwand bei der Urlaubsverwaltung einsparen können, ist Vertrauensurlaub nicht für jedes Unternehmen und jede Branche geeignet. Befürworter des Vertrauensurlaubs meinen, dass das den Beschäftigten entgegengebrachte Vertrauen Wertschätzung zum Ausdruck bringt und zur Steigerung der Mitarbeitermotivation beiträgt. Die selbstgewählte Freizeit soll zudem dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden erholter sind. Das moderne und flexible Urlaubssystem, das im Vertrauensurlaub gesehen wird, gilt aus diesen Gründen als attraktiver Aspekt zur Gewinnung neuer Beschäftigter und zur Stärkung der Unternehmensbindung der aktuellen Belegschaft.

Was ist rechtlich zu beachten?

Arbeitgeber, die Vertrauensurlaub gewähren möchten, müssen auf eine genaue und in sich stimmige vertragliche Gestaltung des unbegrenzten Urlaubsanspruchs achten.

Ausgangspunkt für die vertragliche Gestaltung des Vertrauensurlaubs ist der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz. Davon darf gemäß § 13 Bundesurlaubsgesetz zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden.

Nach § 3 Bundesurlaubsgesetz steht Beschäftigten mit einer 6-Tage-Woche 24 Tage gesetzlicher Mindesturlaub im Jahr zu und mit einer 5-Tage-Woche 20 Tage im Jahr. Grundsätzlich ist es Arbeitgebern und den Arbeitnehmenden freigestellt, über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Zusatzurlaub zu vereinbaren. Aus Sicht von Arbeitsrechtlern ist Vertrauensurlaub also die Vereinbarung eines – über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden – Zusatzurlaubs, der im zeitlichen Umfang unbegrenzt ist und somit alle Arbeitstage des Kalenderjahres umfassen kann.

Da die Restriktionen des Bundesurlaubsgesetzes nur zwingend für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten, wird üblicherweise bei der Urlaubsregelung im Arbeitsvertrag zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem Zusatzurlaub ausdrücklich differenziert. Diese Differenzierung ist bei der Einführung von Vertrauensurlaub und der Gestaltung der dazugehörigen vertraglichen Regelung von erheblicher Bedeutung und zwingend zu empfehlen. Von einer Formulierung im Arbeitsvertrag, wie etwa: „Der Arbeitnehmerin wird Vertrauensurlaub gewährt“, ist dringend abzuraten, da andernfalls die Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes auch für den gesamten (unbegrenzten) Zusatzurlaubsanspruch einzuhalten sind.

Wird die vertragliche Regelung zum Vertrauensurlaub also wie zuvor dargestellt oder anderweitig ohne Differenzierung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und dem (unbegrenzten) Zusatzurlaub formuliert, besteht für den Arbeitgeber ein beachtliches wirtschaftliches Risiko im Zusammenhang mit der Abgeltung von Urlaubsansprüchen am Ende des Arbeitsverhältnisses.

Beim Urlaubsanspruch wird eine kalenderjährliche Betrachtung vorgenommen, die dazu führt, dass der (unbegrenzte) Zusatzurlaubsanspruch jährlich neu entsteht – und entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Hinweisobliegenheit zudem nicht automatisch verfällt beziehungsweise auch nicht verjährt. Daher besteht das Risiko, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer durch die Gewährung des Vertrauensurlaubs über Jahre Urlaubsansprüche in erheblicher Höhe anhäuft. Diese wären dann nach § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis endet.

Vertragliche Gestaltung des Vertrauensurlaubs

Um den Eintritt der zuvor genannten Situation zu vermeiden, ist somit zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem (unbegrenzten) Zusatzurlaub in der vertraglichen Urlaubsregelung ausdrücklich zu differenzieren. Außerdem sollte für den (unbegrenzten) Zusatzurlaub klargestellt werden, dass dieser am Ende eines Urlaubsjahres verfällt und dies unabhängig davon gilt, ob der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit nachgekommen ist oder nicht. Außerdem sollte in der vertraglichen Regelung verdeutlicht sein, dass der (unbegrenzte) Zusatzurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten wird.

Wird Vertrauensurlaub zudem so eingeführt, dass die Beschäftigten die Lage des Urlaubs eigenständig festlegen können, so sollte bei der vertraglichen Gestaltung vom Arbeitgeber darauf geachtet werden, dass die Arbeitnehmenden bei der Festlegung des Urlaubs die betrieblichen Belange des Arbeitgebers sowie die Interessen und Wünsche der Kundinnen und Kunden berücksichtigen müssen. Ferner sollte eine Abstimmung mit Mitarbeitenden in der Form gefordert werden, dass im Unternehmen immer eine Mindestbesetzung an Arbeitnehmenden verbleibt, um den Betrieb und die verschiedenen Abteilungen aufrechtzuhalten.

Erfahrungsgemäß bietet es sich zudem an, von den Mitarbeitenden zu fordern, dass sie im Vorfeld die Lage des von ihnen festgelegten Urlaubs mitteilen. Das ist zum einen wichtig, um die Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs zu dokumentieren, und zum anderen, um zu steuern, dass die betrieblichen Belange und die der Kundinnen und Kunden hinreichend berücksichtigt werden. Daher sollte in der Urlaubsregelung auch ein Eskalationsmechanismus für die Fälle vorgesehen werden, in denen der arbeitnehmerseitigen Festlegung der Urlaubstage widersprochen werden muss.

Sonderkonstellationen

Schließlich sind Sonderkonstellationen denkbar, in denen ein Arbeitgeber schlecht beraten ist, wenn in diesen ein (unbegrenzter) Zusatzurlaub besteht und die betroffenen Beschäftigten die Lage des Urlaubs weitgehend eigenständig bestimmen dürfen.

Eine solche Konstellation ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses, da in dieser Phase eine tatsächliche Erprobung des/der neuen Beschäftigten sichergestellt werden sollte. Daher sollten Arbeitgeber bei der Gestaltung der vertraglichen Vereinbarung zum Vertrauensurlaub darauf achten, den Anspruch auf den (unbegrenzten) Zusatzurlaub erst nach Ablauf der Probezeit oder der Wartezeit nach § 1 Kündigungsschutzgesetz entstehen zu lassen.

Eine andere Konstellation ist das Ende des Arbeitsverhältnisses, also der Zeitpunkt ab dem Ausspruch einer Kündigung. In dieser Phase besteht einerseits das Interesse an einer geordneten Übergabe. Andererseits gibt es regelmäßig Sachverhalte, in denen für den Zeitraum der Kündigungsfrist über eine Freistellung des Arbeitnehmenden verhandelt wird. Beide Gesichtspunkte sprechen dafür, dass in der Urlaubsregelung für den Zeitpunkt ab dem Zugang einer Kündigung die Aufhebung des Rechts zur einseitigen Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitnehmenden vorgesehen oder sogar das Erlöschen des (unbegrenzten) Zusatzurlaubs geregelt sein sollte.

Schließlich ist der Arbeitgeber gut beraten, das Recht zur Festlegung des (unbegrenzten) Zusatzurlaubs im Anschluss an eine sechs Wochen dauernde Arbeitsunfähigkeit, an eine Elternzeit oder an ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot auszuschließen. Ohne eine entsprechende Begrenzung könnte eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme des Urlaubs für den Arbeitgeber eine gesetzlich nicht vorgesehene wirtschaftliche Belastung auslösen.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Besteht in Betrieben ein Betriebsrat, ist zudem zu beachten, dass der Arbeitgeber zwar frei über die Einführung von Vertrauensurlaub entscheiden kann, da es sich um eine freiwillige Leistung handelt. Fällt der Arbeitgeber jedoch die Entscheidung, den Vertrauensurlaub durch die Gewährung von (unbegrenzten) Zusatzurlaub einzuführen, dann wird mit der Ausgestaltung des Vertrauensurlaubs ein allgemeiner Urlaubsgrundsatz aufgestellt, für den nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Dies ist zu berücksichtigen und vor allem auch zeitlich einzuplanen.

Fazit

Auf den ersten Blick erscheint die Einführung von Vertrauensurlaub simpel. Arbeitgeber, die das Konzept des Vertrauensurlaubs schnell und formlos einführen, sind aber nicht gut beraten. Bei der Gewährung von Vertrauensurlaub sollten sie unbedingt die risikobehafteten Gesichtspunkte bedenken – und im Rahmen der vertraglichen Ausgestaltung der Urlaubsregelung berücksichtigen. Sinnvoll kann es daher sein, das Konzept des Vertrauensurlaubs erst einmal für einen befristeten Zeitraum – zum Beispiel eines Jahres – im Unternehmen zu testen.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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