Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 20.11.2019 (Az.: 5 AZR 578/18) entschieden, dass auf einem Arbeitszeitkonto als Positivsaldo vorhandene Überstunden nur dann durch Freistellung des Arbeitnehmers abgebaut werden können, wenn dies in einem gerichtlichen Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Eine Klausel, durch die der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wird, reicht nicht.
In dem streitgegenständlichen Fall war die Klägerin als Sekretärin bei der Beklagten beschäftigt und hatte bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses 67,10 Plusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto, für die sie gerichtliche eine finanzielle Abgeltung in Höhe von EU 1.317,28 verlangt. Nach einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber war im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses am 15.11.2016 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31.01.2017 enden sollte. Zudem enthält dieser Vergleich eine Regelung, wonach der Arbeitgeber die Klägerin bis zum Beendigungszeitpunkt unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung freistellt sowie eine Formulierung, die besagt, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin für 2016 und 2017 mit der Freistellung in Natur gewährt wurden. Dem Wortlaut des Vergleichs ist eine Erfüllung der Ansprüche durch Freizeitausgleich im Umfang der Plusstunden nicht zu entnehmen. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der gerichtliche Vergleich nicht.
Das Arbeitsgericht Münster hatte der Klage mit Urteil vom 28.9.2017 (Az.: 2 Ca 572/12) u.a. mit der Begründung stattgegeben, dass es sich bei einem Prozessvergleich rechtlich um einen Erlassvertrag handele: die Klägerin sei während der Freistellung von der Arbeitspflicht befreit. Im Berufungsverfahren gab dann das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 19.6.2018 (Az.: 12 Sa 218/18) dem beklagten Arbeitgeber Recht. Der fünfte Senat des BAG hat nun das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt, in dem es einen finanziellen Abgeltungsanspruch der Klägerin festgestellt hat.
Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nach Ansicht des BGA nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Daran fehlte es im streitgegenständlichen Fall laut BAG. Denn in dem gerichtlichen Vergleich vom 15.11.2017 war weder ausdrücklich noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten worden, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen beziehungsweise mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein solle. Nachdem die 67,10 Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden können, sind diese daher nun vom Arbeitgeber finanziell abzugelten.
Praxishinweis
Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem gerichtlichen Vergleich oder einer anderweitigen Vereinbarung ausstehende Ansprüche regeln, sollte zum einen stets eine allgemeine Abgeltungs- beziehungsweise Ausgleichsklausel aufgenommen werden. Diese bietet, abgesehen von unverzichtbaren Ansprüchen, die mögliche Rechtssicherheit. Zum anderen sollte auf genauere Regelungen geachtet werden, beispielsweise zur Vermeidung einer späteren finanziellen Überstundenabgeltung eine ausdrückliche Freizeitgewährung zum Ausgleich von Überstunden.