Anpassung von Betriebsrenten in Krisenzeiten

Betriebsrentengesetz

In Zeiten hoher Inflation heißt es für Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen sowie Arbeitnehmer gleichermaßen, Einnahmen idealerweise zu steigern und Ausgaben zu reduzieren. Glücklich schätzen können sich Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner. Denn der Gesetzgeber hat ihnen mit § 16 Betriebsrentengesetz einen automatischen Inflationsausgleich versprochen. Doch was des einen Freud, ist des anderen Leid – denn die Rentenanpassung muss bezahlt werden. Und zwar von den Arbeitgebern – und das in nahezu ungekannter Höhe.

Welche Anpassungsvarianten bestehen gemäß § 16 BetrAVG?

§ 16 Betriebsrentengesetz, die gesetzliche Regelung zur Rentenanpassungsverpflichtung, lässt sich gut mit einem technischen Gerät vergleichen. Es gibt ein Default-Programm, zudem bestehen Spezialprogramme und ein „Überlastschalter“. Das Default-Programm, § 16 Absatz 1 Betriebsrentengesetz, definiert und verpflichtet den Arbeitgeber, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Der Arbeitgeber soll die Belange der Versorgungsempfänger und seine eigene wirtschaftliche Lage berücksichtigen. § 16 Absatz 2 Betriebsrentengesetz sieht diese Pflicht als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes (VPI) ist oder wenn die Anpassung mindestens der Erhöhung der Nettolöhne vergleichbarer Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Unternehmens entspricht. Der Regelfall ist indes die VPI-Anpassung.

Für Arbeitgeber droht nun mit dem nächsten Anpassungsstichtag eine ungekannt hohe Erhöhung, die nicht nur die Liquidität der Unternehmen, sondern auch die Bilanz in ohnehin angespannten Zeiten besonders belastet. Wer im Oktober 2022 die Betriebsrente für eine Rentnerin oder einen Rentner mit Rentenbeginn im Oktober 2019 anpassen wollte, sah sich zum Beispiel mit einem Anpassungsbedarf von 15,3 Prozent konfrontiert.

Die Spezialprogramme des § 16 sind in Absatz 3 geregelt: Die Prüfung nach Absatz 1 entfällt, wenn

  • der Arbeitgeber eine Rentenanpassung um mindestens 1 Prozent pro Jahr fest zugesagt hat,
  • wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse durchgeführt wird und alle dortigen Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden (wichtig hierzu: Bundesarbeitsgericht, 03.05.2022 – 3 AZR 374/21) oder
  • eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde.

Der „Überlastschalter“

Die Rentenanpassung ist nicht oder nur eingeschränkt durchzuführen, wenn der Arbeitgeber durch diese überfordert würde. Der Arbeitgeber darf seine Belastbarkeit durch eine Prognoserechnung überprüfen. Grundlage ist hierbei die handelsbilanzielle Lage, die für die bevorstehende Anpassungsperiode drei Jahre in die Zukunft weiterentwickelt werden muss. Überlastet ist der Arbeitgeber, wenn er unter Berücksichtigung der Rentenanpassung keine angemessene Eigenkapitalrendite erwirtschaftet oder hierdurch sogar das Eigenkapital angegriffen werden würde (vergleiche unter anderem Bundesarbeitsgericht, 13.10.2020 – 3 AZR 246/20). Dies zu prüfen, lohnt sich aktuell für Arbeitgeber besonders.

Gibt es Gestaltungsoptionen?

Kommt die Anpassungsbefreiung nicht in Betracht, weil es dem Unternehmen dafür gegebenenfalls noch knapp zu gut geht, stellt sich die Frage nach Gestaltungsmöglichkeiten. Der Handlungsspielraum ist hierbei durch die gesetzlichen Anforderungen beschränkt:

Eine Option ist die Umstellung von VPI-Anpassung auf Anpassung nach Nettolohnentwicklung: Der Arbeitgeber kann dies frei wählen. Gleichwohl sind zwei Aspekte besonders zu beachten: Die Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Nettolohnentwicklung herangezogen wird, muss wirklich vergleichbar sein – dies ist nicht immer leicht sicherzustellen. Zudem muss gründlich und richtig geprüft werden, ob die Anpassung nach Nettolohnentwicklung wirklich günstiger ist. Der Anpassungsbedarf ist stets vom individuellen Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag zu ermitteln (vergleiche unter anderem Bundesarbeitsgericht, 11.10.2011 − 3 AZR 527/09). Hiervon sind die gewährten Anpassungen abzusetzen.

Die vorbenannte Wahlfreiheit besteht so nicht bei der zweiten Option: einem Wechsel zur jährlichen 1-Prozent-Anpassung. Dieser Weg erfordert eine vertragliche Vereinbarung. Erwägt ein Arbeitgeber, nachdem er in der Vergangenheit gemäß § 16 Absatz 1 und 2 Betriebsrentengesetz die Anpassung vorgenommen hat, für Versorgungszusagen zukünftig eine 1-Prozent-Anpassung zuzusagen, muss er eine entsprechende vertragliche Verpflichtung, angelehnt an die zugrundeliegende Versorgungszusage, eingehen. Dieser Änderung muss der Versorgungsberechtigte zustimmen. Ob eine Abänderungsmöglichkeit für Leistungsempfänger auch über Betriebsvereinbarungen bestehen kann, ist hingegen einzelfall-abhängig: Grundsätzlich sind die Betriebsparteien hier nicht regelungsbefugt.

Fazit

Das Thema Rentenanpassungen ist vor dem Hintergrund schnell steigender Inflation in nächster Zeit brisant wie lange nicht mehr. Aufgrund der bestehenden Gestaltungsoptionen lohnt es sich für Arbeitgeber, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Dies dient nicht nur kurzfristig dem Unternehmen, sondern langfristig auch den Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentnern, da die zukünftige Zahlungsfähigkeit gesichert bleibt.

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Dr. Julia Meler ist Rechtsanwältin und Senior Associate bei ADVANT Beiten in Düsseldorf.

Julia Meler

Dr. Julia Meler ist Rechtsanwältin und Senior Associate bei Advant Beiten in Düsseldorf. Sie ist Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich der betrieblichen Altersversorgung.
Jörn Manhart ist Rechtsanwalt und Partner bei ADVANT Beiten.

Jörn Manhart

Rechtsanwalt
BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Jörn Manhart ist Rechtsanwalt und Partner bei ADVANT Beiten. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sein Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich der betrieblichen Altersversorgung.  

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