Betriebliche Altersvorsorge: So funktioniert die Auszahlung

Urteil

Der Arbeitgeber sagt einer Arbeitnehmerin als Altersversorgung Altersrente zu. Nach Eintritt in den Ruhestand leistet der Arbeitgeber eine Einmalzahlung in Höhe des zehnfachen Jahresbetrages der Rente. Die Arbeitnehmerin ist hiermit nicht einverstanden. Zu Recht?

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 17. Januar 2023 – 3 AZR 220/22): ja.

Der Sachverhalt

Die 1956 geborene Beklagte war von 1994 bis 2019 beim Kläger, der einen Pflegedienst betreibt, als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Im Dezember 2000 erhielt sie ein an sie gerichtetes Schreiben der vom Arbeitgeber ausgewählten Gruppenunterstützungskasse. Unter der Überschrift „Leistungsplan“ enthielt dies unter anderem folgende Festlegung:

„2. ART UND HÖHE DER VERSORGUNG

Die Kasse gewährt Altersrenten. Alle Renten werden monatlich im Voraus gezahlt. Altersrente erhält ein Begünstigter ab dem Ersten des Monats, der der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt. Die Altersrente beträgt 761,42 DM und erhöht sich um eine Anwartschaftsdynamik von 5% pro künftiges Dienstjahr.

Die Versorgungskasse behält sich vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen.“

Im Februar 2021 beantragte die Beklagte bei dem klagenden Arbeitgeber und bei der Unterstützungskasse ihre betriebliche Altersrente. Der Kläger wiederum wandte sich hierauf an die Unterstützungskasse und teilte dieser mit, dass er beabsichtige, die Rentenzahlung an die Beklagte durch die einmalige Zahlung in Höhe der zehnfachen Jahresrente abzugelten. Die nach dem Leistungsplan der Unterstützungskasse bei Leistungsbeginn im April geschuldete monatliche Altersrente belief sich auf 1.030,41 Euro brutto. Der 10-fache Jahresbetrag betrug 123.649,20 Euro brutto. Im März 2021 teilte der klagende Arbeitgeber seine Entscheidung zur Kapitalleistung der Beklagten mit. Die Beklagte lehnte dies Ende April 2021 schriftlich ab und verlangte eine monatliche Rentenzahlung. Am 30. April 2021 zahlte der Kläger gleichwohl den Netto-Kapitalbetrag in Höhe von 106.476,25 Euro an die Beklagte aus und führte Lohn- und Kirchensteuer an das Finanzamt ab. Die Beklagte zahlte den erhaltenen Kapitalbetrag umgehend zurück.

Der Arbeitgeber erhob hierauf Klage – im Ergebnis mit dem Antrag festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch auf die Rentenleistung habe. Die Beklagte hat widerklagend Zahlungsklage auf die Rentenleistung erhoben. Erfolgreich war der Kläger in den Vorinstanzen in Essen und Düsseldorf nicht.

Die Entscheidung

Wahlschuld und Ersetzungsbefugnis sind zwei Paar Schuhe. So viel kann der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts entnommen werden. Und: Jedenfalls die Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis ist mit Vorsicht zu genießen. Vereinbart worden war in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts letztere. Zwar hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmerin nicht selbst die Inhalte der Versorgungszusage vereinbart. Der Leistungsplan der durchführenden Unterstützungskasse sei hier aber, wenn auch erst im Jahr 2000, schriftlich unterbreitet worden. Dieser sei für beide Parteien bindend, da kein anderer Inhalt vereinbart worden und von Anfang an festgelegt gewesen sei, dass die Zusage über die Gruppenunterstützungskasse nach deren Leistungsplan erteilt werde. Da der Leistungsplan auch das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer bestimme, könne angenommen werden, dass das im Leistungsplan geregelte Recht auf einmalige Kapitalabfindung nicht nur der Unterstützungskasse, sondern auch dem Arbeitgeber zustehe und von ihm ausgeübt werden könne.

Es handele sich aber eben nicht um eine Wahlschuld, die die Entscheidung über die am Ende tatsächlich zu erbringenden Leistung gemäß § 262 Bürgerliches Gesetzbuch dem Schuldner – also der Unterstützungskasse bzw. dem Arbeitgeber – überlasse. Eine Wahlschuld liege vor, wenn mehrere alternativ vereinbarte Einzelleistungen in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl nur die Gewählte zu bewirken ist. Der Schuldner ist nur zu einer Leistung verpflichtet, der Gläubiger hat nur eine Forderung. Dies müsste sich im konkreten Fall aus der Zusage ergeben. Vorliegend schuldete der Kläger nach dem zum Gegenstand der Versorgungszusage gewordenen Leistungsplan aber nicht mehrere Leistungen nach Wahl. Vielmehr gewährte die Zusage einen Anspruch auf Altersrente. Damit war eine bestimmte Leistung vereinbart. Der vorgesehene Vorbehalt, die einmalige Kapitalabfindung, statt der Rente, zu zahlen, sei daher als Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis zu interpretieren. Diese Rechtsfigur sei – wenn auch nicht im Gesetz geregelt – anerkannt und dogmatisch als einseitiges Recht anzusehen, den Inhalt eines bestimmten Schuldverhältnisses nachträglich zu verändern. Als Frage blieb damit durch den 3. Senat zu entscheiden, ob diese Vereinbarung wirksam war.

Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts:

  1. Beim Leistungsplan handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Er sei für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und findet vielfach Anwendung.
  2. Eine Ersetzungsbefugnis ist an § 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch zu messen und nur dann wirksam, wenn sie unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Versorgungsberechtigten zumutbar ist. Bei einer Kapitalabgeltung könne diese Zumutbarkeit vorliegen, wenn die Kapitalleistung zur Rente gleichwertig sei.

Gleichwertigkeit und damit Zumutbarkeit konnte das Bundesarbeitsgericht indes im vorliegenden Fall – aus nahezu offensichtlichen Gründen – nicht bestätigen: Der einfach zu errechnende 10-fache Jahresbetrag in Höhe von 123.649,20 Euro brutto lag deutlich unter dem versicherungsmathematischen Barwert der monatlichen Altersrente. Der versicherungsmathematische Barwert einer laufenden Rente ist die Summe der künftigen Renten unter Berücksichtigung des anzusetzenden Abzinsungszinssatzes und der Sterbewahrscheinlichkeit des Versorgungsberechtigten. Betragsmäßig fällt der versicherungsmathematische Barwert für eine Neurentnerin beziehungsweise für einen Neurentner grundsätzlich höher aus als der 10-Jährige Rentenbetrag, da nach den üblichen Sterbetafeln mit einer mindestens 1,5-fachen Zahlungsdauer zu rechnen ist. So geht das Statistische Bundesamt nach der von diesem veröffentlichten Sterbetafel 2019/2021 von einer Lebenserwartung für 65-Jährige Männer von durchschnittlich weiteren 17,8 Jahren aus. Bei Frauen lag der Wert 2019/2021 sogar bei durchschnittlich 21,1 weiteren Lebensjahren. Das in der Versorgungsordnung angelegte Verfahren genügt zudem auch nicht den gesetzlich vorgesehen Verfahren zur Bestimmung des Kapitalwertes – vergleiche § 3 Absatz 5 in Verbindung mit § 4 Absatz 5 Betriebsrentengesetz.

Konsequenz: Die Klausel sei unwirksam, ein Recht zur Kapitalabgeltung nicht gegeben – der Kläger auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.

Praxishinweise

Einzuordnen ist auch auf der tatsächlichen Ebene zunächst, wieso Auszahlung und Rechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Beschäftigte und nicht unter Beteiligung der Unterstützungskasse erfolgt sind. Die gegenständliche Unterstützungskasse verfolgte ein Geschäftsmodell, in dem sie den Arbeitgebern das Kassenvermögen als Darlehen zurückgewährte. Sie hatte daher im Ergebnis selbst keine Mittel, sondern allein eine Darlehensforderung gegen den Arbeitgeber. Der Umweg der Auszahlung über die Kasse war daher wohl nicht erforderlich.

Der Entscheidung im konkreten Fall ist zuzustimmen. Dass „weniger ist so gut wie alles“ im Betriebsrentenrecht nicht erfolgreich sein kann, liegt eigentlich auf der Hand. Auch die Betriebsrente muss – frei nach Norbert Blüm – sicher sein.

Mindestens zwei Fragen aus dem Bereich „Was wäre, wenn“ bleiben aber leider offen:

  1. Wäre der 10-Jährige Kapitalbetrag als zugesagte Leistung bei einer echten Wahlschuldvereinbarung zulässig gewesen?
  2. Müsste die Ersetzungsregelung nicht auch bei einer zumutbaren Umrechnung von Rente in Kapital – zum Beispiel in Höhe des Barwertes – an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Vertrauensschutz bei der Umstellung von Kapital in Rente (15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10) scheitern? Das Bundesarbeitsgericht hatte hier zumindest für kollektive Zusagen festgehalten, dass die Rente grundsätzlich als wertvoller als eine Kapitalleistung anzusehen sei, da sie besser geeignet sei, den Versorgungszweck zu erfüllen.

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Jörn Manhart ist Rechtsanwalt und Partner bei ADVANT Beiten.

Jörn Manhart

Rechtsanwalt
BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Jörn Manhart ist Rechtsanwalt und Partner bei ADVANT Beiten. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sein Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich der betrieblichen Altersversorgung.  

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