Zwischen ­Rechtmäßigkeit und Strafbarkeit

Betriebsratsvergütung

Nach Paragraf 37 Absatz eins des Betriebsverfassungsgesetzes gilt für das Betriebsratsamt das Ehrenamtsprinzip. Die Betriebsratsarbeit wird nicht vergütet. Um wirtschaftliche Einbußen für Betriebsratsmitglieder zu vermeiden, sind die Mitglieder von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freizustellen. Für diese Zeit haben sie Anspruch auf den Lohn, den sie ohne die Übernahme des Betriebsratsamts verdient hätten; das sogenannte Lohnausfallprinzip. Die gesetzliche Regelung hierzu ist denkbar knapp und führt in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit.

Grundlagen der Betriebsratsvergütung

Für Betriebsratsmitglieder, die weiterhin ihrer bisherigen Arbeit nachgehen, ist die Handhabung – bei manchen Auslegungsschwierigkeiten im Einzelfall – einigermaßen transparent. Basierend auf dem Gehalt für die vollständige Ausübung ihres Arbeitsplatzes wird die Zeit der Freistellung für die Betriebsratsarbeit entsprechend vergütet. Schwieriger wird es für freigestellte Betriebsratsmitglieder, die das Ehrenamt in Vollzeit ausüben und für die Dauer ihrer Amtszeit nicht mehr auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz tätig sind.

Hierzu besteht eine weitgehend gefestigte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte mit Leitlinien für die richtige Ermittlung der Betriebsratsvergütung. Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder orientiert sich hierbei an der Vergütung von vergleichbaren Beschäftigten. Vergleichbar sind solche Beschäftigten, die im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied vor dessen Amtsübernahme ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren. Anerkannt ist, dass hierbei sowohl außergewöhnliche als auch unterdurchschnittliche Leistungen zu berücksichtigen sind. Bei einer kleinen Vergleichsgruppe mit gegebenenfalls ungleichen Gehältern oder Gehaltsentwicklungen betrachtet das Bundesarbeitsgericht ein Durchschnittsgehalt, welches auch ungleichzeitig vorgenommene Vergütungserhöhungen berücksichtigt.

Ausdrücklich regelt das Gesetz, dass die betriebsübliche berufliche Entwicklung bei der Vergütungsbemessung zu berücksichtigen ist. Dennoch bereitet die Definition der korrekten Vergütung insbesondere dann Schwierigkeiten, wenn – und derartige Fällen treten immer wieder auf – Betriebsratsmitglieder seit vielen Jahren, mitunter sogar Jahrzehnten, freigestellt sind. Erhalten diese Mitglieder lediglich die üblichen Gehaltssteigerungen für ihre bisherige Position? Oder dürfen sie ab einem gewissen Zeitraum – und ab welchem? – gemäß einer Führungsposition vergütet werden? Nach der Rechtsprechung ist für Letzteres Voraussetzung, dass die Mehrzahl der vergleichbaren Beschäftigten einen derartigen Aufstieg erreicht hat. Nur infolge der Betriebsratstätigkeit darf das Mitglied nicht entsprechend aufgestiegen sein.

Mögliche Strafbarkeit der ­Verantwortlichen

Auch diese Rechtsprechung beantwortet in der Praxis nicht jede Zweifelsfrage. In Zeiten zunehmender Fluktuation und nicht linearer Karrieren wird es nach vielen Jahren immer schwerer, eine korrekte Vergleichsgruppe zu bilden und deren üblichen Aufstiegsweg zu bemessen. Eine unzutreffende Festsetzung der Vergütung führt dabei im ersten Schritt zu lösbaren Folgen. Betriebsratsmitglieder, die ihre Vergütung für zu niedrig erachten, können die Differenz vor den Arbeitsgerichten einklagen. Derartige Fälle treten von Zeit zu Zeit auf und sind nicht außergewöhnlich. „Normale“ Beschäftigte ohne Betriebsratsamt klagen ebenso gelegentlich wegen einer (tatsächlich oder vermeintlich) zu niedrigen Vergütung beim Arbeitsgericht.

Kritisch ist die zweite Dimension einer unzutreffenden Vergütung: Eine zu niedrige Vergütung stellt laut Betriebsverfassungsgesetz eine unzulässige Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit dar. Sie ist nicht nur gesetzlich unzulässig, sondern als Straftatbestand qualifiziert. Gleiches gilt im Übrigen für die unzulässige Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern. Das bedeutet: Eine Unternehmensführung, die Betriebsratsmitgliedern eine zu hohe oder eine zu geringe Vergütung gewährt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe sanktioniert werden.

Wechselspiel zwischen Arbeits- und ­Strafgerichten

Dieses Strafbarkeitsrisiko besteht nicht bloß in grauer Theorie. Immer wieder werden Strafverfahren wegen unzulässiger Betriebsratsbenachteiligung oder -begünstigung bekannt. Jüngst erregte der Fall eines namhaften deutschen Automobilherstellers Aufmerksamkeit, bei dem langjährige Betriebsratsvorsitzende wie Top-Manager vergütet wurden. Das Landgericht hatte die angeklagten (ehemaligen) Mitglieder der Geschäftsführung freigesprochen. Diese Entscheidung hob der Bundesgerichtshof nun auf.

Die Entscheidung sorgte für Aufsehen, weil sie das Dilemma der Führungskräfte verdeutlicht. Sie müssen das richtige Maß finden, da in die eine wie in die andere Richtung eine Strafbarkeit droht. Bei der Bewertung, ob eine Vergütung zutreffend bemessen ist, sind sich zwar die Arbeits- und Strafgerichte im Wesentlichen einig. Doch die Entscheidungen der Gerichte sind – wie so oft im Leben – im Einzelfall vorab nur schwer vorherzusehen. Die angeklagten Führungskräfte müssen sich nun erneut vor Gericht verantworten, nachdem die Staatsanwaltschaft bereits seit 2016 ermittelte und bereits seit 2019 das gerichtliche Verfahren gegen sie lief. Ein Ende ist nicht in Sicht – weil der Verdacht im Raum steht, die Angeklagten hätten sich mit einer überhöhten Vergütung der Betriebsratsmitglieder Gefälligkeiten erkaufen wollen.

Sollte dies tatsächlich die Motivation der Angeklagten gewesen sein, könnte man Verständnis für die Entscheidung haben. Doch ist die Rechtslage, wie an vielen Stellen im Arbeitsrecht, schlicht nicht leicht zu beurteilen. Der Gesetzgeber lieferte eine denkbar kurze, holzschnittartige Regelung, die die Rechtsprechung nach und nach mit Leben füllt. Doch die „richtige“ Festlegung der Betriebsratsvergütung bleibt oft eine schwer zu beurteilende Frage – bei der die verantwortlichen Führungskräfte stets die Sorge haben müssen, sich in einem Strafverfahren zu rechtfertigen.

Wechselspiel zwischen Arbeits- und ­Strafgerichten

Dieses Strafbarkeitsrisiko besteht nicht bloß in grauer Theorie. Immer wieder werden Strafverfahren wegen unzulässiger Betriebsratsbenachteiligung oder -begünstigung bekannt. Jüngst erregte der Fall eines namhaften deutschen Automobilherstellers Aufmerksamkeit, bei dem langjährige Betriebsratsvorsitzende wie Top-Manager vergütet wurden. Das Landgericht hatte die angeklagten (ehemaligen) Mitglieder der Geschäftsführung freigesprochen. Diese Entscheidung hob der Bundesgerichtshof nun auf.

Die Entscheidung sorgte für Aufsehen, weil sie das Dilemma der Führungskräfte verdeutlicht. Sie müssen das richtige Maß finden, da in die eine wie in die andere Richtung eine Strafbarkeit droht. Bei der Bewertung, ob eine Vergütung zutreffend bemessen ist, sind sich zwar die Arbeits- und Strafgerichte im Wesentlichen einig. Doch die Entscheidungen der Gerichte sind – wie so oft im Leben – im Einzelfall vorab nur schwer vorherzusehen. Die angeklagten Führungskräfte müssen sich nun erneut vor Gericht verantworten, nachdem die Staatsanwaltschaft bereits seit 2016 ermittelte und bereits seit 2019 das gerichtliche Verfahren gegen sie lief. Ein Ende ist nicht in Sicht – weil der Verdacht im Raum steht, die Angeklagten hätten sich mit einer überhöhten Vergütung der Betriebsratsmitglieder Gefälligkeiten erkaufen wollen.

Sollte dies tatsächlich die Motivation der Angeklagten gewesen sein, könnte man Verständnis für die Entscheidung haben. Doch ist die Rechtslage, wie an vielen Stellen im Arbeitsrecht, schlicht nicht leicht zu beurteilen. Der Gesetzgeber lieferte eine denkbar kurze, holzschnittartige Regelung, die die Rechtsprechung nach und nach mit Leben füllt. Doch die „richtige“ Festlegung der Betriebsratsvergütung bleibt oft eine schwer zu beurteilende Frage – bei der die verantwortlichen Führungskräfte stets die Sorge haben müssen, sich in einem Strafverfahren zu rechtfertigen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Spielen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Christoph Seidler

Osborne Clarke
Christoph Seidler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke in Hamburg. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in betriebsverfassungs-rechtlichen Fragen, insbesondere im Kontext von New Work und Arbeitsrecht 4.0.

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