Mitbestimmung und Betriebsrat: Worauf es ankommt

Zusammenarbeit

Dem Statistischen Bundesamt zufolge arbeitet im Schnitt fast jede zweite beschäftigte Person in Deutschland in einem Unternehmen mit Betriebsrat. Dessen Rückhalt sinkt jedoch: An den Betriebsratswahlen 2022 haben sich 5 Prozent weniger Beschäftigte beteiligt als 2018. In fast jedem zweiten Unternehmen ist keines der Betriebsratsmitglieder gewerkschaftlich organisiert. Und die Neugründungsquote hat sich auch 2022 auf einem niedrigen Niveau von lediglich 1,4 Prozent bewegt, wie sich aus den IW-Trends zu den BR-Wahlen 2022 ergibt. Gerade in jungen, technologieorientierten Firmen scheint die Idee des Betriebsrates nicht mehr auf fruchtbaren Boden zu stoßen. Erst ab einer gewissen Unternehmensgröße oder bei einem konkreten Konflikt wendet sich das Blatt.

Der Ruf nach dem Betriebsrat wird nicht selten erst dann laut, wenn sich in einem bis dahin wachstumsorientierten Unternehmen Rückschläge abzeichnen, wenn Stellen nicht mehr besetzt oder abgebaut werden, wenn sich in der Belegschaft Ungewissheiten und Ängste verbreiten. Nachvollziehbar entsteht dann ein Bedürfnis nach Schutz vor dem Management. So verlangten beispielsweise die Twitter-Mitarbeitenden in Deutschland nach einem Betriebsrat, nachdem der Konzern massenhafte Kündigungen angekündigt hatte.

In Unternehmen, in denen sich ein Personalabbau vollzieht und es keinen Betriebsrat gibt, kommt dieser indessen meist zu spät, um noch einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. Neugründungen und Start-ups ist häufig auch das Sozialplanprivileg nicht bekannt, wonach ein Betriebsrat in den ersten vier Jahren ab Neugründung keinen Sozialplan erzwingen kann; solange schützt das Gesetz die Gründer vor Sozialplankosten.

Ohnedies kann ein Betriebsrat einen Personalabbau rechtlich nicht verhindern, sondern nur begleiten. Und richtig ist auch: Viele Unternehmen bauen Personal auch ohne Betriebsrat sozialverträglich ab. Das bedeutet zugleich, dass eine betriebliche Konflikt- oder Notlage zwar der Auslöser für einen Betriebsrat, nicht jedoch dessen dauerhafte Aufgabe sein kann.

Mit der Wahl eines Betriebsrats haben ansonsten frei agierende Unternehmen eine mitentscheidende Institution vor sich, die kraft Gesetzes fortan aktiv in Themen eingebunden werden muss und die überdies zusätzliche Kosten auslöst. Allerdings kann die Kooperation und aktive Gestaltung von Arbeitsbedingungen gemeinsam mit dem Betriebsrat auch für Ruhe und Struktur im Betrieb sorgen. Zahlreiche Themen lassen sich leichter kollektiv für alle Beschäftigten regeln, wenn diese durch einen Betriebsrat vertreten werden. Wie gut dies gelingen kann, hängt stark an den handelnden Personen – auf Unternehmens- wie auf Betriebsratsseite.

Gründung des Betriebsrats

Rein formal ist ein lokaler Betriebsrat schnell gegründet, wenn der Wille und die Organisation vorhanden sind. Nötig sind fünf wahlberechtigte und drei wählbare Beschäftigte. Die Mitarbeitenden berufen eine Betriebsversammlung ein und wählen eine Person als Wahlvorstand, der die Wahl durchführt. Der Arbeitgeber hat hier nur bedingt Einwirkungsmöglichkeiten. Er darf die Wahl nicht be- und verhindern, ist aber auch nicht zum reinen Zusehen verdonnert. Er kann und darf sich auf einer Betriebsversammlung oder im Laufe einer Betriebsratswahl durchaus kritisch oder positiv äußern. Auch darf er Beschäftigte zur Wahl motivieren. Nach dem Motto: Wenn schon Wahl, dann sollen alle mitmachen und die Belegschaft sollte breit vertreten sein. Unzulässig wiederum wäre es, bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten öffentlich zu befürworten oder Wahlkampfbudgets zur Verfügung zu stellen.

Der gewählte Betriebsrat bestimmt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und der Betriebsrat ist handlungsfähig. Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt ab jetzt die Spielregeln der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Betriebsrat.

Der Arbeitgeber übernimmt alle erforderlichen Kosten sowohl für die Betriebsratswahl als auch die nachfolgende Betriebsratsarbeit. Dies umfasst Schulungen, ein Betriebsratsbüro, die Vergütung für die ausfallenden Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder oder bei Betriebsversammlungen. Ebenso sind die erforderlichen Kosten für die Beratung des Betriebsrates zu übernehmen. Je konfliktreicher die Zusammenarbeit, desto erheblicher die Kosten.

Regeln für die Zusammenarbeit von Arbeitgeber, Betriebsrat und Belegschaft

Der Start der Zusammenarbeit hängt stark von den Ursachen und der Motivation der Belegschaft ab, einen Betriebsrat zu gründen. Waren zum Beispiel Angst vor Kündigungen oder Ungerechtigkeiten bei der Vergütung der Auslöser, muss sich der Unternehmer diesen Themen stellen.

Erfahrungsgemäß führt ein kontinuierlicher aktiver Austausch mit den Betriebsratsmitgliedern zu einer erfolgreicheren Zusammenarbeit als die bloße Reaktion auf Forderungen. Gerade bei jungen, dynamisch wachsenden Unternehmen ist wichtig, dass beide Seiten ihre Rechte und Pflichten kennen und von Beginn an Strukturen und Sachlichkeit die bestimmenden Faktoren der Zusammenarbeit sind. Gerade neu gewählte Betriebsratsgremien sind unerfahren und oftmals unsicher. Hier kann das Unternehmen Halt und Sicherheit durch eine professionelle Zusammenarbeit bieten.

Folgenden Grundregeln können helfen, ein konstruktives Miteinander zwischen Management und Betriebsrat zu üben:

  • Respektvoller Umgang auf Augenhöhe
  • Schaffung einer Verhandlungskultur und geregelter Beratungs- und Verhandlungsabläufe
  • Gestalten des gemeinsamen Tagesgeschäfts
  • Sensibilität für die Kosten der Betriebsratsarbeit
  • Rechtliche Fragestellungen gemeinsam betrachten
  • Aktive und transparente Kommunikationskultur im Betrieb

Nur wenn all dies scheitert, ist die Vermittlung über eine gerichtliche Auseinandersetzung oder ein richterlich begleitetes Schlichtungs- oder Einigungsstellenverfahren unvermeidbar und ratsam.

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Bernd Pirpamer ist Partner der Kanzlei Eversheds Sutherland in München.

Bernd Pirpamer

Bernd Pirpamer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner sowie Head of Industrial Relations (Germany) bei Eversheds Sutherland in München.

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