Für Arbeitgeber kann es in verschiedenen Zusammenhängen darauf ankommen, wie viele und welche Mitarbeiter der Belegschaft einer bestimmten Gewerkschaft angehören. Nach dem Entwurf der Bundesregierung zu einem Tarifeinheitsgesetz soll dies zudem das zentrale Kriterium zur Bestimmung des im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrags werden. In einer aktuellen Entscheidung öffnet das BAG nun seine ablehnende Haltung und lässt eine Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit teilweise zu (Urteil vom 18. November 2014 – 1 AZR 257/13).
Der Sachverhalt:
Im Jahre 2010 führte der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern), dem auch die Beklagte angehörte, mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der dbb Tarifunion Tarifverhandlungen. Schließlich erklärte die GDL diese für gescheitert, während mit der dbb Tarifunion eine Einigung zustande kam.
Das beklagte Unternehmen informierte seine Mitarbeiter über Verlauf und Ergebnis der Tarifverhandlung. Dabei wies es darauf hin, dass Mitarbeiter der GDL keine Ansprüche aus der Einigung geltend machen könnten und forderte alle Mitarbeiter auf, binnen zwei Wochen das beigefügte Antwortformular auszufüllen und mitzuteilen, ob sie Mitglieder der GDL seien. Die GDL hat hiergegen Klage eingereicht und beantragt festzustellen, dass eine Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit generell unzulässig sei. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem entsprechenden Hauptantrag der GDL stattgegeben.
Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat hingegen zwar ein eigenes Recht der Gewerkschaft zur Abklärung der Zulässigkeit von Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im Arbeitsverhältnis anerkannt, jedoch nur dem eingeschränkteren Hilfsantrag stattgegeben, da für bestimmte Fälle ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bestehe.
Die Entscheidung:
Das BAG hat den Antrag der GDL insgesamt abgewiesen. Die konkrete Fragebogenaktion während der laufenden Tarifauseinandersetzung verstoße zwar gegen die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL. Trotzdem hat das BAG sämtliche Unterlassungsanträge der GDL insgesamt abgewiesen. Die Pressemitteilung nimmt hier auf „deliktsrechtliche“ sowie auf „verfahrensrechtliche Gründe“ Bezug. Hierzu wird die vollständige Urteilsbegründung des BAG abzuwarten sein.
Erkennbar ist aber, dass laut BAG grundsätzlich in bestimmten Situationen ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit besteht und daher ein unbeschränkter Unterlassungsanspruch für alle Fallgestaltungen nicht gegeben ist.
Hinweise für die Praxis:
Es gibt Situationen, in denen Arbeitgeber ein legitimes Interesse daran haben, die Gewerkschaftszugehörigkeit ihrer Mitarbeiter zu kennen, sei es bezogen auf tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen, sofern diese nicht sowieso durch mit allen vereinbarte Bezugnahmeklausel allgemein angewendet werden, oder für die rechtliche Beurteilung von Folgen eines Betriebsübergangs. Gleiches wird gelten, wenn in Zukunft nach dem noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Tarifeinheitsgesetz nur noch der Tarifvertrag der in einem Betrieb mit den meisten Arbeitnehmern vertretenen Gewerkschaft für diesen Betrieb verbindlich sein soll. Hier scheint das BAG die Chance eines Ausgleichs zwischen den Interessen des Arbeitgebers und der Koalitionsfreiheit zu nutzen.
Doch selbst wenn das Fragerecht nun in größerem Umfang bejaht werden sollte, ist weiterhin Augenmaß geboten: Eine Befragung erst in Streiksituationen kann rechtlichen Bedenken, wie hier vom BAG ins Feld geführt, begegnen. Im Einzelfall ist zudem auf die konkrete Formulierung der Fragen, den Kreis der Befragten, Zeitpunkt und Fristsetzung für die Beantwortung zu achten.