Gesetz zur Mindestlohnerhöhung: Das ändert sich

Arbeitsrecht

Am 23. Februar 2022 hat die Bundesregierung einen überarbeiteten „Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zur Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ beschlossen. Durchläuft er das Gesetzgebungsverfahren unverändert, kommen im Wesentlichen folgende Neuregelungen:

  • Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro brutto je Zeitstunde ab dem 1. Oktober 2022 (neuer § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG).
  • Überprüfung dieses neuen Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission bis zum 30. Juni 2023, Geltung möglicher Änderungen ab dem 1. Januar 2024.
  • Anhebung der Verdienstobergrenze für geringfügig Beschäftigte (Geringfügigkeitsgrenze) von monatlich 450 Euro auf 520 Euro.
  • Legaldefinition der Geringfügigkeitsgrenze im Sinnes des SGB als „das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von 10 Wochenstunden zum Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG in Verbindung mit der auf Grundlage des § 11 Abs. 1 S. 1. MiLoG jeweils erlassenen Verordnung erzielt wird“ (neuer § 8 Abs. 1a SGB IV).
  • Künftige Flexibilisierung der Geringfügigkeitsgrenze auf Basis von 10 Wochenstunden durch Neufassung von § 8 Abs. 1 SGB IV.
  • Gesetzliche Regelung zum Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze: Wird die Grenze in dem für den jeweiligen Abrechnungszeitraum zu bildenden Zeitjahr in nicht mehr als zwei Kalendermonaten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe die Geringfügigkeitsgrenze überschritten, steht dies dem Fortbestand der geringfügigen Beschäftigung nicht entgegen, neuer § 8 Abs. 1b SGB IV.
  • Anhebung der Verdiensthöchstgrenze im sog. Übergangsbereich (Midi-Jobs) von mtl. 1.300 Euro EUR auf 1.600 Euro.
  • Glättung des Belastungssprungs im Übergangsbereich beim Übergang von einer geringfügigen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: Oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze Angleichung des Arbeitgeberbeitrags auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 Prozent und gleitende Abschmelzung auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag.
  • Anhebung der Verdienstgrenzen in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 MiLoDokV von 2.958 Euro auf 4.176 Euro sowie von 2.000 Euro auf 2.784 Euro.

Das Gesetz soll grundsätzlich mit Verkündung in Kraft treten, eine Revisionsklausel enthält es nicht.

Erste Würdigung und Praxishinweise

Mit diesem Entwurf wird für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse eine klare Obergrenze in punkto Arbeitszeit gesetzt. Mehr als zehn Wochenstunden sind nicht mehr zulässig, pro Monat entspricht dies 43 Stunden und 20 Minuten. Das vereinfacht immerhin die Administration entsprechender Arbeitsverträge, die künftig nicht mehr nach jeder Änderung des Mindestlohns notwendigerweise zu überprüfen wären.

Die ursprünglich im Raum stehende Regelung zur elektronischen und manipulationssicheren Aufzeichnung der Arbeitszeit und damit verbundene Abrechnungsvorschriften in der Gewerbeordnung ist im aktuellen Entwurf nicht mehr enthalten. Dennoch ist dieses Thema nicht erledigt. Bundesarbeits- und Bundesfinanzministerium sollen prüfen, ob alternativ eine digitale Zeiterfassungsanwendung entwickelt werden kann, die den Arbeitgebern kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.

Die Pflicht gem. § 17 MiLoG, die Arbeitszeit in bestimmten Branchen zu dokumentieren, bleibt ohnehin unberührt. Das betrifft die in § 2a SchwarzarbG genannten Branchen Bau, Gaststätten- und Beherbergung, Personenbeförderung, Spedition, Transport und damit verbundene Logistik, Schaustellende,  Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau, Fleischwirtschaft sowie das Prostitutions- und das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Für sie wird überdies die Anhebung der Verdienstgrenzen in der MiLoDokV eine deutliche Ausdehnung der Meldepflichten gemäß § 16 MiLoG zur Folge haben.

Tritt das Gesetz in Kraft, wird der Mindestlohn am 1. Oktober 2022 zum dritten Mal in diesem Jahr angehoben. Deshalb ist es wichtig, im Auge zu halten, ob die gesetzlichen Verdienstgrenzen bei geringfügiger Beschäftigung oder bei einer Tätigkeit in der Übergangszone überschritten oder bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen in Summe überschritten wird, um das Entstehen einer voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu vermeiden.

Nicht allgemeinverbindliche Tarifverträge, die Stundenlöhne unterhalb von 12 Euro vorsehen (zum Beispiel Entgeltgruppe 1, Stufe 2 des TVÖD, derzeit 11,89 €) werden ebenfalls anzupassen sein; der Gesetzentwurf sieht keine Möglichkeit der Unterschreitung des Mindestlohns durch Tarifverträge vor.

Schließlich soll es die Regelung zur sozialversicherungsunschädlichen Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze ermöglichen, Einmalzahlungen zu leisten wie auch unvorhergesehene Mehrarbeit in begrenztem Umfang zu bewältigen.

Der Gesetzentwurf enthält außerdem diverse Folgeänderungen im BBiG, AltTZG, den SGB III bis VI und XI sowie in den gesetzlichen Vorschriften über die Alterssicherung und Krankenversicherung der Landwirte. Er ist auf der Webseite des Bundearbeitsministeriums abrufbar.

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Axel J Klasen, Foto: Privat

Axel J. Klasen

Axel J. Klasen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei GvW Graf von Westphalen.

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