Kein Anspruch auf Mindestlohn bei Pflichtpraktikum?

Arbeitsrecht

Mit seinem Urteil vom 19. Januar 2022 (Az. 6 AZR 217/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Urteile der Vorinstanzen bestätigt (LAG Rheinland Pfalz 16. März 2021 – 8 Sa 206/20) und festgestellt, dass bei einem Praktikum keinen Anspruch auf Mindestlohn besteht, wenn die Person ein Pflichtpraktikum als Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums an einer privaten Hochschule absolviert.

Die Klägerin hatte 2019 vor Aufnahme eines Medizinstudiums an einer staatlich anerkannten Privatuniversität ein nach der Studienordnung dieser Hochschule erforderliches sechsmonatiges Pflichtpraktikum im Pflegedienst absolviert. Für dieses Praktikum war auf einer Krankenpflegestation war die Zahlung einer Vergütung nicht vereinbart worden. Unter Berufung auf das Mindestlohngesetz hat die Klägerin eine Vergütung von insgesamt 10.269,85 Euro mit der Begründung eingeklagt, dass es sich bei einem Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums nicht um ein Pflichtpraktikum im Sinne des Mindestlohngesetzes (MiLoG) handeln würde und somit die in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG geregelte Ausnahme von der Vergütungsplicht nicht greifen würde.

Ausschluss von Mindestlohnansprüchen auch bei verpflichtenden Vorpraktika

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, da sich der Ausschluss von Mindestlohnansprüchen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG auch auf Vorpraktika erstreckt, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums als verpflichtend vorgeschrieben sind. Insbesondere hat das BAG festgestellt, dass es dabei nicht erheblich ist, ob es sich um eine Studienordnung einer privaten Hochschule handelt, wenn es sich um eine staatlich anerkannte Hochschule handelt. Letzteres würde dazu führen, dass diese Zugangsvoraussetzung einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichzustellen sei. Damit ist aus Sicht des BAG zudem gewährleistet, dass keine sachwidrige Umgehung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs erfolgen kann.

Die Erstreckung des Ausschlusses von Mindestlohnansprüchen auf verpflichtende Vorpraktika entspricht dem Willen des Gesetzgebers, jedoch sollten Arbeitgeber aufgrund des Urteils bei privaten Hochschulen unbedingt darauf achten, dass diese staatlich anerkannt sind, damit von einer Gleichstellung der Studienordnung mit denen staatlicher Hochschulen ausgegangen werden kann.

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Claudine Gemeiner, Foto: Privat

Claudine Gemeiner

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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