Das Berliner IT-Unternehmen Projektron verabschiedet sich vom Vollzeit-Modell. Das löst viele Probleme, mit denen sich andere Mittelständler herumschlagen: Trotz starken Wachstums hat das Unternehmen zum Beispiel keine Schwierigkeiten, Fach- und Führungskräfte zu finden und zu halten.
Beim IT-Unternehmen Projektron funktioniert das Personalmanagement nach dem Prinzip „learning by doing“. Das im Jahr 2001 gegründete Unternehmen entwickelt und vertreibt eine webbasierte Projektmanagement-Software. Das IT-Startup ist damit schnell zum Mittelständler herangewachsen: 2005 arbeiteten 20 Mitarbeiter für die Berliner, heute sind es bereits 86 an insgesamt sechs Standorten in Deutschland. „Wir stellen im Schnitt jeden Monat einen neuen Mitarbeiter ein“, berichtet Sandra Gerhardt, Personalmanagerin bei Projektron.
Die 27-Jährige stieß im Jahr 2012 als Verantwortliche für das Personalmanagement zu Projektron. Zuvor hatten die beiden Geschäftsführer und drei Stabsstellen aus dem Controlling, Qualitätsmanagement und der Technischen Dokumentation die Personalarbeit nebenbei mit erledigt. „Das funktionierte lange sehr gut, weil Projektron beim Personalmanagement ganz pragmatisch auf die eigene Projektmanagement-Software setzt – und diese einfach nach und nach immer weiter an die wachsenden Anforderungen anpasst“, erklärt Gerhardt. Die Software habe sich zu diesem Zweck als geeignet erwiesen. Schließlich gehe es bei der Personalarbeit, wie beim Projektmanagement, im Wesentlichen um die Fragen: Wer ist da? Wie lange? Und mit welchen Kompetenzen?
Jeder erfasst, was er oder sie gerade tut
Die Projektron-Mitarbeiter tragen wichtige Informationen für die Urlaubs- und Arbeitszeitorganisation und die Kapazitätsplanung direkt selbst in die Software ein. So kommt das Unternehmen bislang ohne große Personalabteilung aus. Jeder Mitarbeiter erfasst in der Software auf fünf Minuten genau, was sie oder er gerade tut. „So sehen wir sofort, wenn jemand Überstunden macht, wenn uns irgendwo Kapazitäten oder Kompetenzen fehlen, ob jemand Unterstützung braucht oder an anderer Stelle eingesetzt werden könnte“, erklärt Gerhardt. Zeigt die Software, dass die Auslastung einzelner Mitarbeiter oder Abteilungen nicht mehr optimal ist, suchen Personalmanagement und Teamleiter das Gespräch mit Mitarbeitern, um eine Lösung zu finden. So sei zum Beispiel ihre eigene Stelle überhaupt erst entstanden, berichtet Gerhardt: „Die Software zeigte, dass die drei Stabsstellen jeweils 40 bis 50 Prozent ihrer Zeit für Personalarbeit aufwendeten. Also wurde es Zeit, jemanden einzustellen, der sie entlastet und diese Aufgabe übernimmt.“
Diese pragmatische Herangehensweise hält das Personalmanagement flexibel. „Wir machen keine jährliche Personalplanung, haben auch keine festen Budgets für Personalmaßnahmen. Das wird alles laufend nachgesteuert und von den Bedürfnissen der Mitarbeiter und der Auftragslage getrieben“, sagt Gerhardt. Die Folge: Starre Hierarchien und Arbeitszeitmodelle sind in dem IT-Unternehmen nie entstanden. Fast die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet in flexiblen Teilzeit-Modellen. Die Teamleitung der beiden größten Fachabteilungen liegt jeweils in den Händen von Führungs-Tandems, die sich einen Arbeitsplatz teilen – weil sich das Jobsharing als organisatorisch beste Lösung für Mitarbeiter und Unternehmen erwiesen hat. „Wir haben festgestellt, dass eigentlich alle Aufgaben, auch Führungsaufgaben, in Teilzeit sehr gut erfüllt werden können“, sagt Gerhardt. „Vor allem aber hat die Geschäftsleitung früh erkannt, dass man mit flexiblen Arbeitszeitmodellen sehr effizient Mitarbeiter gewinnen und halten kann.“
Das Durchschnittsalter der Belegschaft ist mit 32 Jahren sehr jung. „Viele unserer Mitarbeiter kommen direkt von der Uni zu uns. Unsere Erfahrung ist: Eine 40- oder 50-Stunden-Woche ist nicht mehr gewünscht. Unsere Mitarbeiter möchten neben der Arbeit auch noch Zeit für Hobbys, Familie oder andere Projekte haben“, erklärt die Personalmanagerin. „Die meisten unserer Mitarbeiter kennen es gar nicht anders: An der Uni haben sie mehr oder weniger gearbeitet wann, wo und wie sie es für richtig hielten. Und setzen das bei uns so fort.“
Nicht auf dem klassischen Vollzeit-Modell als Standard zu bestehen, hat sich für das Unternehmen ausgezahlt. „Der Pool möglicher Bewerber ist so einfach viel größer“, sagt Gerhardt. „Und wir schaffen es, gute Mitarbeiter langfristig zu halten – auch wenn sich in deren Privatleben oder ihren beruflichen Interessen etwas ändert, sie zum Beispiel nebenbei einem zeitintensiven Hobby nachgehen oder eine Familie gründen wollen.“ Projektron hat eine für die IT-Branche ungewöhnlich hohe Frauenquote von fast 50 Prozent. „Aber die Teilzeitstellen sind bei uns kein reines Frauenthema“, stellt die Personalmanagerin klar. „Rund 40 Prozent der Teilzeit-Angestellten sind Männer.“
Die meisten bewerben sich initiativ
Da sich die flexible Arbeitsplatzgestaltung bewährt hat, schreibt Projektron freie Stellen in der Regel gleich als „Teil- oder Vollzeitstelle“ aus – unabhängig davon, ob es um eine Teamleiterstelle geht, um eine Position als Entwickler oder Kundenberater. Die meisten Bewerber kommen allerdings über Initiativbewerbungen zu Projektron. Das passt gut in das flexible Personalmanagement-Konzept: „Wir schauen uns an, welche Kompetenzen die Bewerber mitbringen und wo diese Kompetenzen gerade gebraucht werden könnten.“
Die Personalmanagerin achtet darauf, dass die Teamleiter in regelmäßigen Mitarbeitergesprächen herausfinden, ob das jeweilige Arbeitszeitmodell und der inhaltliche Zuschnitt der Stellen auch weiterhin zu den Bedürfnissen und Kompetenzen der Mitarbeiter passt. „Motivierte und zufriedene Arbeitnehmer leisten einfach bessere Arbeit“, fasst Gerhardt die Philosophie des Projektron-Personalmanagements zusammen. „Daher lohnt sich der Aufwand, individuelle und flexible Arbeitszeitmodelle für jeden Mitarbeiter zu finden.“