Gesundheits-Apps liegen derzeit stark im Trend – auch für Unternehmen. Doch am klassischen Gesundheitsmanagement führen auch digitale Helfer nicht vorbei.
Unternehmen müssen sich im Kampf um die besten Talente zunehmend gegen andere behaupten. Wer qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und auch halten möchte, der muss deren Gesundheit fördern. Betriebliche Angebote wie Sportprogramme oder Maßnahmen zur Stressreduktion wirken sich nicht nur positiv auf die Mitarbeiterbindung aus. Unternehmen können damit auch ihren Krankenstand senken. Doch vielen Beschäftigten fehlt für solche Aktivtäten oftmals die Zeit. Die Lösung: Digital Health. Per App, Software oder Online-Lösung sollen Mitarbeiter ihr Bewusstsein für eine gesunde Lebensweise schärfen und den Stress bei der Arbeit reduzieren können – so zumindest das Nutzenversprechen.
Mitarbeitergesundheit im Mittelpunkt
Der aktuelle Trend geht in eine eindeutige Richtung. Menschen möchten ihre Fitness und Gesundheit simpel und möglichst von überall aus verbessern – am liebsten per Smartphone. Dass dieser Digital-Health-Trend Auswirkungen auf das Gesundheitsmanagement in Unternehmen haben wird, hat die Barmer GEK erkannt. Aktuell arbeitet die Krankenkasse daran, digitale Angebote im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) auszubauen. Dazu zählt beispielsweise ein E-Coach, der bei der Prävention psychischer Erkrankungen und Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz mittels Übungseinheiten unterstützt. Erste Ergebnisse zeigen: Das persönliche Stresslevel von Beschäftigten kann durch das strukturierte Online-Training, also durch aufeinander aufbauende Module mit persönlichem E-Coach, signifikant und langfristig gesenkt werden – sagt zumindest die Barmer GEK. Vor allem in Zeiten, in denen Beschäftigte aufgrund heutiger Arbeitsanforderungen immer weniger auf herkömmliche Kursangebote mit festen Zeiten zurückgreifen können, kann der Einsatz digitaler Helfer großen Nutzen bringen. Online-Trainings ermöglichen es zum Beispiel, zeit- und ortsunabhängig zu trainieren.
Die Produkte rund um die Gesundheit von Beschäftigen stehen derzeit hoch im Kurs, vor allem aber weil die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt so groß geworden sind. Doch sie dürfen nicht einfach willkürlich eingesetzt werden. „Die betriebliche Gesundheitsförderung muss konsequent darauf ausgerichtet sein, die wichtigste Ressource – nämlich qualifizierte und motivierte Menschen – an ihrem Arbeitsplatz, aber auch darüber hinaus bei einem gesunden Lebensstil zu unterstützen“, sagt Kai Kolpatzik, Abteilungsleiter für Prävention beim AOK-Bundesverband. Dafür müsse man passende Rahmenbedingungen und auch immer wieder neue Anreize, beispielsweise durch digitale Prävention, schaffen. Die Entwicklung und der Einsatz neuer, „smarter“ Angebote für den Erhalt und die Förderung der Mitarbeitergesundheit stehe daher im Mittelpunkt. Die AOK bietet selbstkonzipierte Apps sowie ein breites Spektrum online-basierter Gesundheitsprogramme für Versicherte und Arbeitgeber an. Online-Programme zu Gesundheitsthemen wie beispielsweise Rückenaktiv im Job gehören in der Gesundheitskasse schon länger zum Präventionsangebot.
Stressreduktion online
Neben den Krankenkassen haben auch Software-Anbieter den Trend erkannt. Ihren gesamten BGM-Prozess können Unternehmen beispielsweise über das Gesundheitsportal „moove“ abdecken. Um ihren Gesundheitszustand zu verbessern, können Mitarbeiter Fragebögen zu verschiedenen Gesundheitsthemen ausfüllen, sich individuelle Gesundheitsziele setzen und ihre täglichen Aktivitäten damit steigern. Das Versprechen: Mit Unabhängigkeit von Terminen und Ort und selbstdefiniertem Zeitaufwand besseres Stressmanagement, bessere Fitness und eine gesündere Lebensweise. Aus Anbietersicht geht es bei digitalen Angeboten zum einen darum, Belastungsquellen für die Belegschaft zu erkennen. Vor allem jedoch sollen Unternehmen so geeignete Maßnahmen ableiten können, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter individuell zu fördern.
Und: Es gibt auch digitale Helfer, die speziell auf die Fitness und Gesundheit von Führungskräften abzielen und bei deren Stressbewältigung helfen sollen. So beispielsweise der Synk Decision Maker. „Das Tool dient durch Stressreduktion der Gesunderhaltung von Führungskräften. Es unterstützt in herausfordernden Entscheidungssituationen, indem das Tool coachingorientiert Fragen stellt und den Entscheidungsprozess strukturiert“, sagt Frank Kübler, Geschäftsführer der Synk Group. Darüber hinaus bietet das Unternehmen im Rahmen seiner Leadership- und Development-Programme eine Fit-Analyse als eine webbasierte Lösung an. „Mit ihrer Hilfe schätzt die Führungskraft oder der Mitarbeiter seinen persönlichen Fit anhand eines Fragenkatalogs ein und erhält eine Auswertung“, so Kübler weiter. Damit bekommen Führungskräfte und Mitarbeiter einen Überblick über ihre individuelle Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Den Trend zu digitalen Instrumenten im BGM bewertet er ebenso wie die Krankenkassen positiv.
Klassisches BGM mit Wearables
Ein Unternehmen, das digitale Instrumente speziell für BGM bereits nutzt, ist die Swisscom AG. Das in der Schweiz führende Telekommunikations-Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 21.000 Mitarbeiter. Zur Sensibilisierung für das Thema Bewegung bietet Swisscom seinen Mitarbeitern sogenannte Wearables, wie beispielsweise Fitbits, an. Diese Computertechnologie wird ähnlich wie eine Armbanduhr am Handgelenk getragen. Sie messen beispielsweise die Herzfrequenz und die Aktivität des Nutzers. Via Übertragung zum Smartphone können Anwender Trainings aufzeichnen und sich Ziele setzen. „Um auch die psychische Gesundheit zu fördern und Maßnahmen zur Prävention online anzubieten, testen wir zudem die Methode Achtsamkeit nach Mindfulness Based Stress Reduction als Onlineversion sowie die Biofeedback-Methode“, sagt Martina Tschanz, Leiterin Betriebliches Gesundheitsmanagement bei Swisscom. Mit letzterem ist gemeint, die Veränderung von Prozessen im Körper, beispielsweise dem Blutdruck, mithilfe von Geräten sichtbar zu machen. So sollen diese Abläufe, die sonst nicht bewusst wahrgenommen werden, bewusst beeinflusst werden können. 2016 möchte sie darüber hinaus einen Pilot starten, in welchem das Unternehmen online Stressbewältigungsmethoden vermittelt.
„In der heutigen Zeit, wo fast jeder Handyhersteller eine eigene App liefert, ist es selbstverständlich und zeitgemäß, dass wir als Informations- und Kommunikationstechnik-Unternehmen diese Möglichkeiten auch nutzen“, so Tschanz. Doch trotz des großen Nutzens für das Unternehmen gibt es dabei für die BGM-Verantwortliche auch etwas zu lernen. Der Grund: Mit dem digitalen Angebot erreicht Swisscom nur gewisse Zielgruppen, insbesondere Leistungssportler. Zudem sei der Erfolg abhängig vom Austausch in den Communities und den begleitenden Wettbewerben sowie weiteren Anreizen. „Digitale Helfer sind – wie der Name sagt –
Hilfsmittel, ersetzen aber bei ernsthaften gesundheitlichen Problemen keinesfalls den Besuch beim Arzt oder einen persönlichen Austausch. Spielerisch eingesetzt sind sie eine ideale Ergänzung und helfen das persönliche Verhalten und die eigene Entwicklung nachzuverfolgen.“
Dennoch ist jeder Mensch unterschiedlich und verhält sich anders. Für Martina Tschanz empfiehlt es sich daher, die Mitarbeiter mit einem Mix aus klassischen und digitalen Mitteln anzusprechen. Die technisch Affinen erreiche man mit Fitbits und den dazugehörigen Challenges. Zusätzlich gehe das Unternehmen auch konventionelle Wege, etwa mit internen Sensibilisierungskampagnen. Teams an den Customer Touchpoints erhalten zum Beispiel monatlich gezielt Tipps und Anregungen zu verschiedenen Präventionsthemen. Impulsvorträge anlässlich von Learning Lunches zu Lauftechnik, Wandern oder Bike-Technik unterstützen bei der Gesundheitsförderung genauso wie auch regelmäßige medizinische Gesundheitschecks für die Mitarbeiter. „Ein Beispiel, wie wir beide Wege, online und offline, vereinen, ist unsere interne Anlaufstelle für Mitarbeiter, unser Care Gate. Sie können dort medienunabhängig per Telefon, Chat oder E-Mail Hilfe und Unterstützung erhalten oder selbstverständlich auch ein Gespräch vor Ort vereinbaren. Und diese Angebote werden von den Mitarbeitern sehr geschätzt,“ sagt die BGM-Verantwortliche.
Digitale Helfer im Datenschutz
„Zurzeit gibt es über drei Millionen Apps in den beiden führenden App-Stores von Apple und Google Play. Rund 500.000 davon haben einen gesundheitsbezogenen beziehungsweise medizinischen Hintergrund“, weiß Kolpatzik. Doch gerade diese Vielzahl macht für Nutzer das App-Angebot sehr unübersichtlich. Hinzu kommt, dass viele der kostenpflichtigen Apps gesundheitliche Vorteile versprechen, die sich nicht belegen lassen. Davon abgesehen bestehen aus Sicht von Kolpatzik häufig auch datenschutzrechtliche Probleme. Viele vermeintlich kostengünstige Apps ziehen ihren Profit aus der Generierung der Daten ihrer Nutzer. „Eine Überprüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verschiedener Anbieter durch den Verbraucherzentrale Bundesverband hat ergeben, dass der Datenschutz bei verschiedenen App-Stores rechtswidriger Weise äußerst freizügig gehandhabt wird.“ Um sich in dem App-Dschungel zurechtzufinden, plant die AOK eine Orientierungshilfe. Ein spezieller App-Navigator soll in Sachen Gesundheit helfen, qualitätsgeprüfte Angebote zu finden, die auch den Datenschutz berücksichtigen.
„Datenschutz und Datensicherheit müssen oberste Priorität haben, sonst fehlt das Vertrauen“, findet Kübler. Mit der Nutzung digitaler Instrumente „Made in Germany“ habe jedes Unternehmen die Sicherheit, dass seine Daten dezentral auf deutschen Servern liegen. „Daneben sind die deutschen Datenschutzbestimmungen so gut, dass wir immer zu einvernehmlichen Vereinbarungen mit dem Betriebsrat kommen. Wichtig ist: individuelle persönliche Daten bleiben immer beim Teilnehmer. Auf diese hat niemand im Unternehmen sonst Zugriff.“ Anonymisierte und aggregierte Daten aus dem System hingegen liefern strategisch wertvolle Hinweise für die weitere Organisationsentwicklung.