Georg Beyschlag: Der Peoplemanager

Porträt

Georg Beyschlags Woche beginnt montagmorgens meist in aller Frühe. Mit dem Fahrrad fährt er zum nahe gelegenen Bahnhof und dann weiter mit dem Zug von München nach Göppingen. Rund anderthalb Stunden dauert die Zugfahrt bis zum Hauptsitz von Teamviewer. Die Zeit im Zug nutzt der Berufspendler gerne produktiv. Als Freund der Deutschen Bahn stören ihn die Internetunterbrechungen unterwegs nicht. Das gibt ihm die Möglichkeit, ein oder zwei Stunden konzentriert zu arbeiten – ohne dass am Rechner etwas piepst oder blinkt. Gegen acht Uhr startet dann sein Tag im Büro. Rund zwei Tage die Woche arbeitet der 39-Jährige von zu Hause aus und genießt die Vorzüge des Homeoffice: ein gemeinsames Frühstück mit der Familie, bevor die ersten virtuellen Termine auf ihn warten. Während seiner Arbeitstage am Standort in Göppingen trifft man ihn morgens im hauseigenen Fitnessstudio des Unternehmens an.

Sport begleitet den gebürtigen Münchner schon seit jungen Jahren. Bis er Anfang 20 ist, spielt er professionell Basketball. Zunächst hatte Beyschlag kurz Sport studiert, sich dann aber für einen anderen Studiengang entschieden. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Sport doch nicht das Richtige sein könnte für die nächsten 40 Jahre. Also studierte er an der Technischen Universität München Betriebswirtschaftslehre mit einem finanzmathematischen Schwerpunkt. Mit diesen Themen hat er sich dann wohlgefühlt.

Nach dem Masterabschluss in Finanzen ging es zunächst in den Beratungs- und Finanzsektor. In der Branche zählt der Output – sei es die Zahl der Beratungsstunden oder die der abgeschlossenen Projekte. Einem Leistungsprinzip zu folgen war auch die Ambition des BWL-Absolventen. „Die Tagessätze für Beratungsleistungen sind bekannterweise ordentlich. Es war immer mein Anspruch, dem gerecht zu werden“, sagt Georg Beyschlag. Er war vorrangig für spezialisierte Beratungshäuser tätig, in denen eher eine Hands-on-Mentalität herrschte. Nach fast zehn Jahren in der Beratung fühlte er sich jedoch wie im goldenen Käfig und wollte den Weg in eine längerfristige Verantwortung gehen und nicht nur temporäre Beratungsprojekte betreuen. So ging es zunächst als Chief Financial Officer und Managing Director zur Video-on-Demand-Plattform Maxdome. Als der Dienst verkauft beziehungsweise eingestellt wurde, wechselte er zu Teamviewer.

Schlagartig zu Sichtbarkeit

Als die ersten Gespräche mit dem damaligen Vorstand des Hidden Champions liefen, sieht Beyschlag das Potenzial der Software für Fernzugriff und Fernwartung von Computern sowie des Firmenprofils. „Für mich als Finanzler war damals klar, dass aus Teamviewer mal etwas Großes wird und ich an der Vision des Börsengangs mitarbeiten wollte.“ Schließlich wurde er im Jahr 2018 Vice President Finance and Controlling und begleitete im Folgejahr das Unternehmen beim Börsengang. Bis dahin war das Finanzteam schmal aufgestellt. Beyschlag hat zusammen mit dem Chief Financial Officer den Finanzbereich global geleitet. Gerade in dem Bereich Finance und Legal hat der Manager gespürt, dass Teamviewer ein ganz anderes Unternehmen werden müsse, um im M-Dax zu bestehen. Damit meint er insbesondere regulatorische Themen – seien es Reportings, öffentliche Abschlüsse oder die Investorenpflege. Um sich professioneller aufzustellen, hat das Unternehmen kurzerhand erfahrene Leute an Bord geholt, unter anderem in den Bereichen Compliance und Investor Relations. Damit einher ging ebenso, dass sich die Rolle von Beyschlag selbst veränderte: Er übernahm den Strategieposten im Unternehmen, tätigte kleinere Unternehmenszukäufe und gestaltet seither das Geschäftsfeld mit. Bis dato war das Unternehmen eine Ein-Produkt-Firma, die ein standardisiertes Tool angeboten hat. Mit dem Börsengang hat sich die Sichtbarkeit schlagartig geändert, allein durch die Marketingmaßnahmen am Kapitalmarkt zur Investorensuche. „Das war gut für die Awareness und die Wahrnehmung als eigenständige Firma, nicht nur als Tool“, sagt Beyschlag. Statt als Hidden Champion bezeichnet er Teamviewer lieber als eine M-Dax-Company, die jedoch auch schwäbischer Mittelständler sei und noch ein paar Start-up-Gene in sich trage.

Nach dem Börsengang stellte sich das Management des Unternehmens neu auf, konsolidierte manche Funktionen. Der HR-Bereich, bisher nur von einer Person betreut, sollte auf ein höheres Level gehoben werden und stand zur Disposition. „Ich habe meinen Hut in den Ring geworfen, den HR-Bereich und den globalen Kundensupport zu übernehmen“, sagt Beyschlag. Der Mix aus Strategie und Personal ist vermutlich selten, aber er sieht darin eine besondere Symbiose: Der Kundensupport sei sehr nah am Kunden, er habe mit Menschen zu tun und bekomme direktes Feedback. Genauso sei es bei HR, dort erhalte man das Feedback direkt von Angestellten und dem Recruiting-Markt. „Ich bin ein People-Manager“, sagt Beyschlag. Ob es sich um die interne Belegschaft oder um externe Kundschaft handelt, spielt für ihn keine Rolle. Denn alle geben ihm wertvolles Feedback für die Produkte und somit auch für die Strategie des Unternehmens. Seit 2021 verantwortet er nun die Strategie- und HR-Funktion sowie den Kundensupport.

HR als Challenger

„Es hilft, wenn die HR-Funktion nicht als Backoffice wahrgenommen wird, sondern als Challenger.“ Die HR-Funktion sei ein wichtiger Support für das Geschäft, sie lediglich als Backoffice abzutun, sei fahrlässig, meint Beyschlag. Die Qualität der Leute in einer Firma und wie man sie steuert und zusammenbringt, hält er für den größten Hebel für den Unternehmenserfolg. Das würden auch amerikanische Player der Tech-Industrie vorleben. Beyschlags Kombirolle verhilft auch HR zu mehr Sichtbarkeit, allein weil er bei allen wichtigen Entscheidungen aus strategischer Sicht involviert ist. Im Unternehmen würden die Mitarbeitenden spüren, dass HR nicht nur die Exekutive sei, die Arbeitsverträge aufsetzt, sondern aktiv gestaltet und früh in Prozesse eingebunden ist. Das erwähnt er auch in Bewerbungsgesprächen, die er hin und wieder führt: Es sei von Vorteil, wenn die HR-Funktion direkt an Entscheidungsfindungen beteiligt ist.

In den vergangenen fünf Jahren ist die Belegschaft von 600 auf 1.500 Personen gewachsen. Sind bei diesem Wachstum und global verteilten Teams einzelne Talente überhaupt sichtbar? Beyschlag zufolge ist es im Headquarter in Göppingen zwar so, dass nicht mehr alle einander kennen. Aber die Firma ist immer noch klein genug, dass Einzelne mit bestimmten Projekten, Produkten oder Tätigkeiten in Verbindung gebracht werden, nach dem Motto „Das ist also Nicole, die Digital Marketing macht“. Er sagt aber ebenso: „Wir müssen es schaffen, einzelne Performer zu fördern, ihnen Perspektive zu zeigen und Vertrauen zu schenken.“ Daran arbeitet das Unternehmen mit unterschiedlichen Initiativen. Eine davon ist Cheers to Peers, bei der Personen andere für besondere Leistungen nominieren können, die dann zum Beispiel bei All-Hands-Meetings Beachtung finden. Generell geht es Beyschlag bei den All-Hands-Meetings auch um Sichtbarkeit von Themen. Jede Person könne Themen einbringen. Das Management nehme diese dann auf.

Der direkte Draht

Für die Belegschaft will Beyschlag sichtbar und präsent sein. So sieht man ihn nicht nur morgens im Fitnessstudio und mittags in der Kantine, sondern es besteht zudem ein digitaler Kanal zu ihm. Alle können ihm über Teams schreiben und erhalten innerhalb von 24 Stunden eine Antwort. Pro Tag erreichen ihn gerne einmal 50 bis 100 Anfragen. Ihm ist es wichtig, dass Leute den direkten Draht zu ihm haben. Dafür hat er alle regelmäßigen Eins-zu-eins-Gespräche mit seinen Angestellten abgeschafft. Das sei wie ein Stammtisch, an dem man sich immer das Gleiche erzählt. Stattdessen sei er immer da, wenn jemand akut Bedarf hat – sei es Unterstützung oder eine Entscheidung. „Es ist ein ganz anderer Spirit, wenn sich jemand meldet und sagt, ich brauche mal deine Hilfe oder jemanden zum Reden“, findet Beyschlag. Natürlich steht auch die Bürotür offen, aber als globales Unternehmen mit Angestellten in mehr als 20 Ländern hilft der digitale Kanal.

Sein Anspruch an sich selbst: anderen ein Vorbild sein und an sich zu arbeiten. Ein Punkt, in dem er sich weiter verbessern will, ist die Kommunikation. Dabei unterstützen ihn Coachings. Mit seiner Affinität, sich in finanzmathematische Themen zu vertiefen, sei er konzentriertes Arbeiten alleine gewohnt, und ihm mache es nichts aus, mal ein paar Stunden für sich zu sein. Dabei komme es schon mal zu kurz, in der Kommunikation mit anderen empathisch zu sein. Eine klare Kommunikation hält er für elementar – bei der Personalarbeit und der Formulierung von Strategien. Beyschlag ist überzeugt: „Gerade in einer globalen Firma mit viel Remote Work muss man wiederkehrend kommunizieren, damit Themen haften bleiben.“ Aktuell begleitet er außerdem eine Handvoll Young Leaders in ihrer Führungsrolle. Diesen Kreis möchte er künftig ausweiten, um noch mehr Menschen ein Vorbild zu sein.

Anmerkung der Redaktion: Inzwischen ist Georg Beyschlag als President of TeamViewer Americas tätig.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Sichtbarkeit. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Sven Lechtleitner, Foto: Privat

Sven Lechtleitner

Journalist
Sven Lechtleitner ist freier Wirtschaftsjournalist. Er hat ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie ein Fernstudium Journalismus an der Freien Journalistenschule in Berlin absolviert. Von November 2020 bis Juli 2022 war er Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager.

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