Entthronter König: Die Folgen des Burger-King-Skandals

Employer Branding

Die im September auf RTL gesendete Folge von Team Wallraff ist nichts für schwache Mägen: Vier Personen aus dem Team des Investigativjournalisten Günter Wallraff bewarben sich als Küchenpersonal bei Burger King, um dort mit versteckter Kamera Schockierendes aufzudecken. Zu sehen waren nicht nur stark überlastete Mitarbeitende, die keine Gelegenheit für Pausen bekamen – es wurde auch richtig unappetitlich: Das Küchenpersonal verwendete seit Wochen abgelaufene Burgerbrötchen sowie offensichtlich verdorbenes Fleisch und änderte auf den Behältnissen von Salat und Soßen einfach Labels mit dem Haltbarkeitsdatum, anstatt den Inhalt zum vorgeschriebenen Zeitpunkt zu entsorgen. Zudem wurden in den Restaurants und Küchen Mäuse gesehen, die sich teilweise sogar in die Säcke mit den weiterhin verwendeten Brötchen verirrt hatten.

Es ist bereits das dritte Mal, dass Wallraff Missstände bei Burger King enthüllt, wofür er laut einem Bericht des Magazins Der Spiegel von 2014 teilweise Honorare vom Konkurrenten McDonald’s erhalten hatte. Diesmal besonders heikel: Mitarbeitende verwechselten vegane Burgerpattys mit Fleisch und frittierten sie teilweise auch im selben Fett. Laut anonym befragten Angestellten sei es üblich, Fleischprodukte als vegan auszugeben, wenn keine pflanzenbasierten Produkte mehr vorrätig seien. Dabei hatte Burger King gerade erst für fleischfreie Ernährung geworben, unter anderem mit einer komplett veganen Filiale in Wien und dem Werbeslogan „Normal oder mit Fleisch?“. Einige Produkte hatten sogar das V-Label von ProVeg erhalten, das sicherstellen soll, dass ein Produkt nicht mit tierischen Lebensmitteln in Berührung kommt. Welche Reaktionen gab es auf die Enthüllungen, dürfen die Produkte immer noch als vegan deklariert werden und was tut Burger King, um den Imageverlust zu minimieren?

Kein Vegan-Label mehr

„Das V-Label hat umgehend gehandelt und Burger King Deutschland über die sofortige Aussetzung der Lizenz informiert“, berichtet Cornelia Contini, Leiterin des V-Labels in Deutschland. Man habe erkannt, dass es für Burger King Deutschland aktuell nicht möglich sei, die im Lizenzvertrag festgehaltenen Anforderungen zu erfüllen. Laut Contini analysiert das V-Label vor jeder Lizenzierung die Zulieferer und Herstellungsprozesse und definiert die Pflichten für die Lizenznehmenden: „Die Aussetzung der Lizenz war keine leichte Entscheidung – sie war jedoch notwendig.“ ProVeg stehe aber weiterhin in engem Austausch mit Burger King Deutschland und sei bereit, dem Unternehmen bei der Reorganisation der Zubereitungsprozesse und den Mitarbeiterschulungen rund um das vegane und vegetarische Angebot beratend zur Seite zu stehen. Aktuell vergebe das V-Label allerdings keine Lizenzen in der Systemgastronomie. Contini ergänzt: „Wir haben uns in Deutschland mit der Lizenzierung von Burger-King-Produkten auf Neuland begeben.“

Das hat auch die Tierschutzorganisation People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) bemerkt und im Sommer dieses Jahres den Plant-­based Long Chicken mit dem Vegan Food Award ausgezeichnet. „Der Burger war eine Innovation“, erklärt PETA-Kampagnenteamleiter Daniel Cox. „Burger King hat damit geworben, dass es sich um ein rein veganes Produkt handelt und in einer separaten Fritteuse zubereitet werde. Das war einer der ausschlaggebenden Gründe für den Award.“ Dennoch hat die Tierschutzorganisation den Award noch nicht zurückgezogen, weil sie die Entwicklung von Burger King an sich gut fände. Cox fügt hinzu: „Im Gegensatz zu vielen anderen Fast-Food-Ketten ist Burger King weit vorangegangen, sie zeigten mit ihren veganen Angeboten, dass sie pflanzliche Ernährung ernst nehmen.“ PETA stehe derzeit im kritischen Dialog mit dem Unternehmen und wolle helfen, das Problem zu lösen. Cox seien eine Reihe von geplanten Maßnahmen mitgeteilt worden. Burger King wolle den Herstellungsprozess beispielsweise so verändern, dass die Verwechslung von nicht veganen mit veganen Produkten in Zukunft sehr viel unwahrscheinlicher sei: „Sollte sich nichts bewegen, behalten wir uns aber vor, den Award wieder abzuerkennen.“

Burger Kings Reaktion

Danny Wilming, Head of Brand bei Burger King Deutschland, bezog auf Anfrage der Redaktion schriftlich zu den Wallraff-Enthüllungen Stellung: „Wir haben uns sofort selbst ein Bild vor Ort gemacht. Hierfür haben wir die fünf in der Reportage genannten Restaurants umgehend temporär geschlossen und eine außerordentliche Überprüfung durch einen externen Partner vornehmen lassen.“ Darüber hinaus seien auch alle anderen rund 750 Restaurants in Deutschland überprüft worden: „Dabei hat sich bestätigt, dass die aktuell diskutierten Verhältnisse für die allermeisten Restaurants keineswegs zutreffen.“

Das fleischfreie Sortiment ist laut Wilming zu einer wichtigen Säule des Unternehmensumsatzes geworden. Er betont, dass sich das Angebot hauptsächlich an flexitarisch lebende Menschen richte, also diejenigen, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchten: „Generell gilt: Unsere Plant-based Produkte enthalten kein Fleisch. Die pflanzenbasierten Rindfleischalternativen können jedoch beim Grillen und bei der Zubereitung in den Kontakt mit tierischen Produkten kommen. Darauf weisen wir auch auf unserer Website hin.“ Für eine Reihe von Produkten – den Plant-­based Long Chicken, die Plant-based Nuggets und den Plant-based Nugget Burger – seien dagegen spezielle Zubereitungsvorgänge festgelegt worden, damit es bei der Verarbeitung nicht zu einer Kreuzkontamination komme. Um klar unterscheiden zu können, seien sowohl die Fritteuse als auch das Warmhaltefach und die Zangen entsprechend farbig markiert. „Aktuell prüfen wir, ob wir im operativen Handling und in der Produktentwicklung noch weitere Schritte gehen können, um selbst versehentliche Verwechslungen auszuschließen.“

Um bei Mitarbeitenden die Zubereitungsprozesse noch besser zu verankern, baue Burger King nun deutschlandweit die digitalen sowie persönlichen Trainingsangebote in mehreren Sprachen aus. Darüber hinaus werde eine Whistleblowing-Hotline eingerichtet. „Uns ist es wichtig, dass sich Mitarbeitende in einem geschützten Umfeld frei und vertrauensvoll zu etwaigen Missständen äußern können.“ Wenn Angestellte sich allerdings wiederholt und ganz bewusst nicht an die Standards hielten, würde Burger King Deutschland gemeinsam mit den zuständigen Franchisenehmenden konsequent handeln. Das gelte auch für die in der Reportage dargestellten Situationen.

Und die ­Employer Brand?

Ein ehemaliger Burger-King-Mitarbeiter berichtet in der Reportage von Günter Wallraff davon, dass es üblich sei, 13 bis 14 Stunden täglich zu arbeiten oder auch dann angerufen zu werden, wenn man eigentlich krankgemeldet sei. Laut Recherchen von Wallraffs Team werden an umsatzschwachen Tagen zudem oft kurzfristig Schichten verschoben oder Personen nach Hause geschickt, da die Personalkosten nur einen bestimmten Teil des Umsatzes ausmachen dürfen. Die ausgefallenen Stunden werden dann nicht vergütet. Danny Wilming entgegnet dem, dass Burger King Digitalzeiterfassungsprogramme verwende, in denen Mitarbeitende einen Überblick über die geleisteten Arbeitsstunden hätten und ihre Dienstplanwünsche vermerken könnten. Kurzfristige Planänderungen würden immer im gegenseitigen Einvernehmen umgesetzt.

Wie aber steht es um die Employer Brand von Burger King? „Wenn es Probleme mit dem Produkt und der Marke gibt, wie die Kundschaft sie wahrnimmt, wirkt sich das natürlich schlecht auf das Employer Branding aus“, sagt Lena Weber. Sie ist Teil der Fachgruppenleitung Employer Branding des Bundesverbands der Personalmanager*innen und Head of Global Talent Acquisition and Employer Branding beim Touristikkonzern Tui. Außerdem sei derzeit zu beobachten, dass im Gastgewerbe gerade in den Bereichen, die wenig Qualifikation erfordern, händeringend Personal gesucht werde und viele Arbeitskräfte die Branche verlassen. Gerade jetzt in der Inflation bestehe ein Bedürfnis nach finanzieller Stabilität, was bei kurzfristigen Schichtstreichungen nicht gewährleistet sei.

Claudia Bibo, Senior Project Manager Employer Branding bei Monster Deutschland, bezeichnet die Enthüllungen als Image-Supergau für die Marke Burger King. „Die Krisenkommunikation muss jetzt alle einschließen: Mitarbeitende, Partnerunternehmen, Lieferfirmen und relevante Zielgruppen auf Social Media.“ Es sei aber nicht so, dass Wallraff die Arbeitgebermarke urplötzlich ruiniert habe. Die Bewertungen auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu zeigten, dass der Zustand auch vorher schon nicht ideal gewesen sei. Bibo empfiehlt in solchen Fällen, direkt auf Kununu in die Kommunikation zu treten, was Burger King nicht gemacht habe. Positiv sei jedoch aufgefallen, dass das Unternehmen schnell reagiert und die Vorwürfe ernst genommen habe. Es solle aber bei keinen Ad-hoc-Bekundungen bleiben.

Auch Lena Weber lobt, dass Burger King sofort offen mit der Kritik umgegangen sei: „Wir kennen das von Kaufbeziehungen: Wenn ein Unternehmen mit einer Reklamation gut umgeht, ist die Kundenbindung danach stärker, als wenn es die Reklamation nie gegeben hätte. Ich kann mir vorstellen, dass es auch das Vertrauen in eine Employer Brand stärkt, wenn ein Unternehmen verantwortungsvoll auf Kritik reagiert und Maßnahmen umsetzt.“ Weber empfiehlt, ein Regelwerk aufzustellen, das die Kritikpunkte im Umgang mit Beschäftigten direkt adressiert – zum Beispiel dass Schichten nur mit einer bestimmten Vorlaufzeit verschoben werden dürfen – und zu veröffentlichen.

Danny Wilming ist zuversichtlich, dass Burger King weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber sein werde, unter anderem, weil er bei den Mitarbeitenden und Franchisenehmenden eine hohe Identifikation beobachte. Erst kürzlich habe das Unternehmen eine mehrsprachige Digitalkampagne auf Tiktok gestartet, in der Mitarbeitende erzählen, was sie an ihrer Arbeit mögen. Claudia Bibo findet den Ansatz der Kampagne gut, zweifelt aber die Authentizität der Geschichten an: „Storytelling lebt von Glaubwürdigkeit. Nimmt man Kununu als Gradmesser, so gehören die Aufstiegsmöglichkeiten nicht zu den Stärken des Arbeitgebers Burger King“. Bibo empfiehlt, in einer Imagekampagne lieber auf die echten Stärken zu setzen. Dies könnte zum Beispiel der gute Teamzusammenhalt sein, der auf Kununu von Mitarbeitenden immer wieder erwähnt wird. Außerdem könnten Mitarbeitende in den Videos glaubhaft über die Arbeitszeiten oder Hygiene im Unternehmen berichten. Bis der Fast-Food-König den Weg zurück auf den Thron findet, könne allerdings noch Zeit vergehen. Krisenkommunikation ist, wie wir wissen, ein sehr langer Prozess.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employee Lifecycle. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Senta Gekeler, Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager

Senta Gekeler

Senta Gekeler ist freie Journalistin. Sie war von 2018 bis 2023 Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager.

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