5 Mythen, die es Start-ups schwer machen

Leadership

Innovativ, inspirierend und weltbewegend: Die Start-up-Welt zieht immer mehr Menschen in ihren Bann. Gerade die Social Start-up-Szene wächst rasant; viele Menschen wollen etwas Sinnstiftendes mit ihrer Arbeitskraft beitragen und etwas in der Welt bewirken. Neu gegründete junge Firmen in Deutschland haben im vergangenen Jahr so viel Risikokapital erhalten wie nie zuvor. In meiner Rolle als Geschäftsführerin der CoA Academy spreche ich täglich mit vielen Gründerinnen und HR-Managern von multinationalen Start-ups. Sie berichten oft von hohen Fluktuationsraten und der großen Herausforderung, das meist schnelle Wachstum im Griff zu behalten. In meinen Gesprächen habe ich viele Gemeinsamkeiten schnell wachsender Firmen erkannt: Die Anzahl der Mitarbeitenden verdoppelt sich oft in wenigen Monaten. Die Rolle der oft jungen und wenig erfahrenen Führungskräfte verändert sich damit in kurzer Zeit. Zwischenmenschlichen Konflikte nehmen zu. Strukturen und Prozesse fehlen, um effektiv zusammenzuarbeiten. Es entsteht Druck. Stress kommt auf und die Kultur droht zu kippen. Die gemeinsame Vision rückt plötzlich in den Hintergrund und es fühlt sich gar nicht mehr so leicht und sinnstiftend an. Ich leite selbst ein junges, wachsendes Unternehmen und kann die Herausforderungen nur zu gut nachvollziehen. Fünf Missverständnisse, wenn nicht gar Mythen habe ich identifiziert, die es vielen Führungskräften und ihren Teams unnötig schwer machen. Diese aufzulösen, sorgt für sehr viel mehr entspannte Produktivität. Das habe ich mir auch für mein Team zur Aufgabe gemacht.

Mythos 1: Mit unseren Unternehmenswerten beschreiben wir, wie wir als Firma sein wollen

Gemeinsame Werte sind essenziell, um die richtigen Leute zu identifizieren und ein gut funktionierendes Team aufzubauen. Ein großes Missverständnis besteht jedoch bei der Erhebung und Definition von Unternehmenswerten. In langen aufwändigen Prozessen werden oft Eigenschaften gesammelt, die jedem im Team wichtig sind. Es wird dann versucht, sie basisdemokratisch zusammenzufassen, zu konsolidieren und zu priorisieren. Ein häufiger Fehler, der passiert, ist, dass am Ende eine Liste mit Werten dabei herauskommt, die beschreiben, wie wir als Team gerne ab sofort sein wollen. Werte können jedoch nur dann ihre Wirkung erzeugen, wenn sie bereits da sind. Es ist eine Bestandsaufnahme, kein Zielbild. Werte sind die Gemeinsamkeiten, die das Kernteam, vor allem das Führungsteam, bereits verbindet und stark macht. Uns „ab sofort“ an neuen Werten zu orientieren und diese zu leben, funktioniert nicht. Werte sind da oder nicht. Als Leadership-Team ist es unsere Aufgabe, die Werte zu identifizieren, die uns erfolgreich machen. Und danach entscheiden wir, wer ins Team passt und wer nicht.

Mythos 2: Als Führungskraft habe ich auf jede Frage eine Antwort

„Die Chefin muss es am besten wissen.“ Dieser Mythos führt zu fatalen Folgen. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich in allem, was das Team leistet, immer die Beste bin? Eher unwahrscheinlich. Und wenn doch: Dann stimmt etwas mit der Teamzusammenstellung nicht. Oft neige ich dazu, auf jede Frage meiner Mitarbeitenden eine Antwort zu haben und ihre Probleme lösen zu wollen. Am Ende bin ich als Führungskraft total überlastet, da ich jede Entscheidung selbst treffe, es im schlimmsten Fall sogar selbst erledige. Es zeigt nicht besonders viel Vertrauen in das Team. Die Motivation und Performance sinkt. Stattdessen stelle ich lieber Rückfragen, agiere mehr als Coach denn als Captain und unterstütze meinen Mitarbeitenden dabei, selbst eine Lösung zu finden. Es ist leichter für mich, das Team wächst über sich hinaus und das Ergebnis ist am Ende in der Regel auch viel besser.

Mythos 3: Wir sind sehr fehlertolerant – wir haben interne Fuck-up Nights

Fehlertoleranz bedeutet für mich nicht nur auf coolen Veranstaltungen über vermeintliche Fehler zu lachen, die am Ende doch gut ausgegangen sind. Fehlertoleranz heißt für mich, Fehler bewusst zuzulassen, um nachhaltige Lernerfolge zu erzeugen. Wenn klar ist, dass ich die Verantwortung ans Team abgegeben habe und dort eine Entscheidung getroffen wird, die ich selbst anders getroffen hätte, trage ich diese Entscheidung mit. Selbst wenn sie sich hinterher als falsch erweist, ist die Lernkurve sehr viel steiler für alle Beteiligten, als hätte ich eingegriffen und dem Team mein Vertrauen entzogen. Zudem erkenne ich vielleicht neue Lösungswege, die ich vorher nicht gesehen habe. Natürlich greife ich ein, wenn eine tatsächliche Gefahr besteht, die fatale Konsequenzen hat. Aber wirklich nur dann. Ich habe gelernt, dass es hilft Fehler im sicheren Umfeld zuzulassen, um Vertrauen im Team aufzubauen und das Team zu Höchstleistung zu bringen. Mich als Führungskraft eingeschlossen.

Mythos 4: Diversität?! Aber hallo! Wir sind ein multinationales Team!

Die meisten von uns mögen Menschen, die uns ähnlich sind. Deswegen neigen Führungskräfte dazu, auch solche Menschen einzustellen. Selbst wenn es sich dabei um andere Geschlechter, Nationalitäten und Kulturkreise handelt, passiert es schnell, dass in einem Team ein einziger Persönlichkeitstyp stark dominiert. Ich habe gelernt, dass Diversität auch bedeutet, sicherzustellen, dass wir möglichst unterschiedliche Stärken und Präferenzen haben. Das heißt natürlich auch, dass ich mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen umgehen lernen darf. Unterm Strich ist es jedoch ein echter Performance Booster, Fragestellungen im Team aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Eine Sache ist dabei wichtig: Bei all der Verschiedenheit, ist die gleiche Wertebasis essenziell. Das stellt sicher, dass wir alle am gleichen Strang ziehen. Sonst wird es toxisch.

Mythos 5: Wir haben einen gemeinsamen Purpose, deshalb arbeiten unsere Leute gerne für uns – Tag und Nacht

Ein gemeinsamer, sinnstiftender Zweck schafft Identifikation und intrinsische Motivation. Es ist der Zahn der Zeit und sicherlich eines der wirkungsvollsten Führungsinstrumente. Und gleichzeitig darf ich als Führungskraft sicherstellen, dass ich die Motivation und das Engagement meiner Mitarbeitenden nicht überstrapaziere. Intrinsische Motivation ist kein Garant für das Ausbleiben von Überlastung und Stress. Gut funktionierende Teams funktionieren dann richtig gut und liefern weltklasse Ergebnisse, wenn sie glücklich und motiviert sind. Frustration und Überforderung sind absolute Performance Killer. Ich darf also sicherstellen, dass ich meine Rolle als gute Führungskraft erfülle: Ich schaffe Rahmenbedingungen, die es jeder im Team ermöglichen, ihre Stärken ideal einzusetzen, um gemeinsam unseren Purpose zu erfüllen und unsere Vision zu erreichen.

Als Leader agiere ich natürlich nicht nur im Kontext hierarchischer Führung. Ich schaffe es, das Beste aus mir und meinem Team – und all den beteiligten Menschen um mich herum – herauszuholen, unabhängig von disziplinarischer Führung. Wir bezeichnen das in der CoA Academy als entspannte Produktivität. Ich führe ebenso mich selbst und alle Menschen in meinem Umfeld. Als wahrer Leader erkenne ich meinen Einfluss und meine Verantwortung auf die Welt und setze beides so ein, dass ich das erreiche, was ich erreichen will. Das gilt für mich privat wie beruflich.

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Leonie Schulze Bölling, CEO der CoA Academy

Leonie Schulze Bölling

Leonie Schulze Bölling ist CEO der CoA Academy, die Führungskräfte in Wachstumsfirmen ausbildet, und Co-Autorin des Buches Chief of Anything.

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