Corona als Beschleuniger für Employee Experience

Leadership

Kincentric hat im Rahmen einer Studie zum Thema Employee Experience von April bis Mai 2020 in 100 Unternehmen über 130.000 Mitarbeiter aus 125 Ländern befragt. Im Fokus der Befragungen stand die Mitarbeitererfahrung in Zeiten der Corona-Pandemie. Die teilnehmenden Unternehmen wollten herausfinden, wie sich die Einschränkungen in der Krise auf die Mitarbeiter ausgewirkt haben, wie sie ihr Arbeitsumfeld und die Maßnahmen des Arbeitgebers in dieser Zeit erlebten.

Die Ergebnisse zeigen klar: Unternehmen, die in kontinuierlichem Dialog mit ihren Mitarbeitern stehen und bereits eine Strategie zur Employee Experience im Einsatz haben, konnten schnell auf die neue Situation reagieren und erhielten positive Rückmeldungen. 78 Prozent der Befragten bezeichnen ihre Erfahrungen in den Bereichen Wohlbefinden, Verbindung & Fürsorge, Reaktion der Führungskräfte und virtuelle Arbeitsunterstützung als positiv. Und noch etwas wird deutlich: Ein einfühlsames und integratives Führungsverhalten ist nicht mehr „nice to have“ oder „differenzierend“ – es ist erforderlich. Dies zeigt sich in den Ergebnissen in mehrfacher Hinsicht, beispielsweise darin, dass Anteilnahme und Fürsorge der Führungskräfte primäre Treiber des persönlichen Wohlbefindens ist.

Wie wichtig dieses Führungsverhalten und eine positive Employee Experience sind, zeigt der Vergleich mit Daten aus vergangenen Krisen. Ein Blick auf die von Kincentric jährlich erhobenen Benchmarkdaten aus den Jahren der Finanzkrise 2009 zeigt die Auswirkungen auf das Mitarbeiter Engagement. Zwischen 2009 und 2010 sanken die Werte für das Mitarbeiter-Engagement in Europa von 55 auf 51 Prozent. Unternehmen mit einer besseren Employee Experience und einem höheren Engagement haben sich nach der Finanzkrise schneller erholt. Die Daten zeigen aber auch, dass sich die Werte in den auf die Krise folgenden Jahren sogar noch verbessert haben. Das lässt den Rückschluss zu, dass sich Unternehmen, deren Führungskräfte den Mensch in den Mittelpunkt rücken, möglicherweise auch jetzt schneller erholen werden. Davon können wir in der aktuellen Krise lernen.

Die Corona-Krise verschiebt Prioritäten

Ein erster entscheidender Schritt in Richtung einer ausgereiften Employee-Experience-Strategie ist es, herauszufinden, welche Segmente den größten Einfluss auf die Geschäftsergebnisse haben und anschließend deren „moments that matter“ zu erkennen. Damit sind einprägsame Momente im Job gemeint, die für einen Mitarbeiter über die Qualität der Beziehung zu seinem Unternehmen entscheiden. Noch kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatten nur 3 von 10 Unternehmen ihre wichtigsten Mitarbeiter-Segmente und die für diese Schlüssel-Segmente zutreffenden „moments that matter“ identifiziert. Dabei zeigt sich: Noch vor weniger als einem Jahr standen Performance Management, strategische Ausrichtung und Onboarding-Momente für High Potentials, Leistungsträger und eine Leadership-Pipeline ganz oben auf der Liste.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Employee Experience abrupt verändert. Und diese einschneidenden Veränderungen reichen von Isolation, der Verlagerung zu mobilem Arbeiten und Homeoffice bis hin zu Bedenken in Bezug auf Stress, Gesundheit, (finanzielle) Sicherheit und die Work-Life-Balance. Aber nicht nur das. In Zeiten der Krise lässt sich die zunehmende Relevanz von anderen Segmenten feststellen. Dazu gehören sowohl Remote-Arbeiter als auch die qualifizierten Facharbeiter und Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt. Noch im Jahr 2019 sahen nur 8 Prozent der Unternehmen Remote-Arbeiter als wichtigstes Mitarbeitersegment an. Wohlbefinden wurde von lediglich 20 Prozent der Unternehmen als eine strategische Lebenszyklus-Phase eingestuft, und das Krisenmanagement wurde von nur 4 Prozent als Schwerpunkt angesehen. All das sind Zahlen, die sich in den letzten Wochen geändert haben.

Die Daten zeigen: Unternehmen, die in der Lage waren, ihre Prioritäten schnell in Richtung der Remote-Arbeiter und unentbehrlicher (Fach-) Arbeiter-Segmente auszurichten, haben die Krise bislang besser gemeistert. Kennen Unternehmen die Bedürfnisse dieser Arbeiter hinsichtlich Wohlbefinden, Zwischenmenschlichem, Entscheidungsgeschwindigkeit und digitaler Technologie, sind sie für den Neustart nach der Krise besser aufgestellt als andere Unternehmen.

Wenn Corona-bedingt Entlassungen drohen: Exit-Erfahrungen sind wichtig für den Neustart

Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Employee Experience in Zeiten nach der Corona-Krise ist die „Exit-Erfahrung“ von ausscheidenden Mitarbeitern. Die geschäftlichen Auswirkungen der Pandemie – wie etwa die zunehmende Anzahl von Beurlaubungen und Entlassungen – werden dazu führen, dass die sogenannte „Exit-Erfahrung“ wichtiger denn je wird. Je nachdem wie Unternehmen mit diesen Mitarbeitern in Kontakt bleiben, können sie mitunter sicherstellen, dass diese Talente bereit sind, wieder zurückzukehren, sobald es dem Unternehmen wirtschaftlich besser geht. Im letzten Jahr konzentrierten sich nur 15 Prozent der Unternehmen auf diese Abgänger, und nur 5 Prozent auf sogenannte Boomerangs, also wiederkehrende Mitarbeiter. Dabei kann ein bewusster und sensibler Ansatz beim Offboarding, der vom Ausstieg über Alumni bis hin zum Re-Boarding-Erlebnis von Boomerang-Kollegen reicht, für die Unternehmenskontinuität von entscheidender Bedeutung sein. Auch für die Arbeitgebermarke sind positive Exit-Erfahrungen von Vorteil. Denn Unternehmen, die in der Krise gute Off-Boarding-Erfahrungen vermitteln, stärken die Arbeitgeberattraktivität nach außen.

Wie muss sich HR jetzt aufstellen?

Die Ereignisse in den letzten Monaten haben außergewöhnliche Anforderungen an Personalabteilungen, Führungskräfte und Manager gestellt: Sie mussten (und müssen) neue „moments that matter“ der Mitarbeiter erkennen und definieren. Die Pulsbefragungen in der Corona-Krise zeigen die Erfolgsfaktoren für eine positive Mitarbeitererfahrung.

In vielen Unternehmen hat die Pandemie den Mitarbeiter als Mensch im Rahmen der Employee Experience wieder in den Vordergrund gerückt: Statt Engagement-Kennzahlen steht aktuell das Wohlbefinden im Fokus. Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass Senior-Führungskräfte, die Sorgfalt und Besorgnis zeigen und ihren Mitarbeitern Hoffnung auf die Zukunft vermitteln, in der aktuellen Situation den größten Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter haben. Und 3 von 4 Mitarbeitern bewerten genau dies als positiv. Fürsorge, Rücksicht und Optimismus sind unverzichtbare Führungsqualitäten für die Kontinuität und auch den Neustart in eine Post-Corona-Welt. Unternehmen sind gut beraten, gerade jetzt in Führungskräfteentwicklung zu investieren und die Erfahrungen aus den letzten Monaten einfließen zu lassen. Entscheidend ist dabei, zunächst zu definieren, welches Verhalten von Führungskräften für den Erfolg des Unternehmens heute und in Zukunft wichtig ist. An diese neuen Anforderungen sollten sie ihre Führungsprinzipien anpassen und ihre Führungskräfte entsprechend ausbilden.

In den letzten Monaten war bei HR-Führungskräften Agilität gefragt. Sie mussten die Rollen und Verantwortlichkeiten im gesamten HR-Geschäftsmodell blitzschnell überdenken und anpassen. 85 Prozent der Mitarbeiter sind der Meinung, dass ihr Unternehmen Grundsätze und Richtlinien zur Unterstützung der Kollegen während des Covid-19-Ausbruchs klar kommuniziert hat. 82 Prozent der Befragten stehen auch der Geschwindigkeit und Qualität von Entscheidungen positiv gegenüber. Die Nachhaltigkeit dieser Leistungen wird für die Gestaltung einer positiven Employee Experience bis zum Neustart von entscheidender Bedeutung sein.

Fazit

Aufgabe der Personalabteilung wird es nun sein, die Umsetzung in Richtung der neuen Normalität zu begleiten und sicherzustellen, dass diese Momente in eine dauerhafte Neudefinition von Arbeit und Arbeitsverhältnissen umgewandelt werden. Die Daten aus den Pulsbefragungen zeigen deutlich: Unternehmen, die sich auf die Momente konzentrieren, die inspirieren, fördern, zusammenbringen oder Konflikte beseitigen, also alle Momente, die eine gute Employee Experience ausmachen, haben eine größere Chance, die Leidenschaft, die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter auch der Zeit nach der Krise zu sichern.

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Stefan Mauersberger, Kincentric

Stefan Mauersberger

Dr. Stefan Mauersberger ist ausgebildeter Psychologe und Coach mit 15 Jahren Erfahrung als Berater und Führungskraft in internationalen Veränderungskontexten. Er ist bei Kincentric als Regional Lead für die Dach-Region, Süd- und Osteuropa zuständig und berät Kunden in Employee Experience-, Kulturveränderungs- und Assessment-Projekten.

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