Die Ministerin

Leadership

Marion Schick, Personalvorstand der Deutschen Telekom, will einen Kulturwandel und eckt bei vielen Mitarbeitern an. Ihr Führungsstil steht in der Kritik.

(Marion Schick im Interview über den Wandel der HR-Funktion, Diversity als Grundaufgabe und die Kritik an ihrer Person.)

Sie ist das Gegenteil von ihm. Will man Marion Schick lediglich mit einem Begriff beschreiben, dann könnte man sie einen Anti-Sattelberger nennen.

Ihr Vorgänger war einer der ganz wenigen Stars der HR-Szene, ein Personaler durch und durch, der auf vielen Gebieten als Experte gilt. Und dieses Expertenwissen sowie seine Ansichten hat Thomas Sattelberger selten für sich behalten, und gerne dabei auch mal in größeren Dimensionen gedacht. Bei der Telekom hat er polarisiert, vielen ist er auf die Nerven gegangen und nicht selten hört man über ihn den Begriff des Mikromanagers: Jemand, der sich gerne auch mal auf den unteren Fachebenen einmischt. Doch aus Personaler-Perspektive muss man Sattelberger wohl anrechnen, dass er für das Standing der HR-Funktion sowohl innerhalb als auch außerhalb des Konzerns ein Gewinn gewesen ist. Und egal zu welchem Thema er sprach – ob betriebliche Frauenförderung, MBA-Ausbildung oder Enterprise 2.0 –, es war immer klar: Hier spricht ein Personaler. Sattelberger war und ist – nicht ohne den Wandel des Personalmanagements anzumahnen – immer auch ein Kämpfer für die HR-Profession. Und er hat nie die Konfrontation gescheut – zum Leidwesen vieler.

Nun ist Marion Schick seit knapp einem Jahr Personalvorstand. Bereits Anfang 2012 war sie im Unternehmen. Wenige Monate haben sich die beiden nebeneinander im Konzern bewegt, bevor im Mai der Stab dann endgültig an Schick überging. Für beide war diese Übergangszeit sicherlich nicht einfach. Sattelberger hat wenig zugelassen, wie Beobachter berichten. Er wollte seinen Job bis zum letzten Tag zu 100 Prozent ausüben.

Es ist schon interessant zu beobachten, wer da als Nachfolger für einen Job geholt wurde, der derzeit zu den schwersten im Bereich der Human Resources gehören dürfte. Die Telekom ist ein Konzern mit etwa 230.000 Mitarbeitern, der zum Teil in staatlichem Besitz ist und dessen Geschäft einerseits von einem dynamischen Wandel geprägt und der andererseits zum Sparen und Investieren gleichzeitig verdammt ist. Hier die Aufgabe des Personalvorstandes zu übernehmen und sich dem Vergleich mit Thomas Sattelberger auszusetzen, diese Aufgabe muss man sich zunächst einmal zutrauen. Ganz klar: An Mut und Ehrgeiz mangelt es der 54-jährigen Schick keineswegs. Was das angeht, gibt es sicherlich Parallelen zu Sattelberger.

Was ihr allerdings vor der Berufung fehlte, sind Erfahrungen im Management von großen Unternehmen. Darauf weisen Kritiker immer wieder hin. Und ihre HR-Expertise ist sicherlich noch nicht so tiefgehend wie bei Sattelberger. „Frau Schick demonstriert zumindest nach außen hin noch nicht die HR-Kompetenz, die ihre Vorgänger gezeigt haben“, sagt zum Beispiel der Saarbrücker Professor für Personalmanagement, Christian Scholz, auf Nachfrage. Aber auch von Mitarbeitern wird das konstatiert. Die Frage ist jedoch, ob das überhaupt zum notwendigen Anforderungsprofil gehörte.

Schick war vorher Kultusministerin in Baden-Württemberg und Vorstandsmitglied für Personal und Recht bei der Fraunhofer-Gesellschaft. Von 2000 bis 2008 stand sie als erste Frau in Bayern der Hochschule München als Präsidentin vor. Sie ist in der HR-Community nicht so verankert, sie ist kein – wenn man das sagen darf – HR-Alphatier. Sattelberger wurde vom Personalmagazin fünf Mal zu den 40 führenden Köpfen im Personalwesen gekürt. Eine Liste, die in der Szene durchaus beachtet wird. Mancher Berater hat schon im Vorfeld kräftig Werbung für sich gemacht, um da drauf zu kommen. Marion Schick war nie auf dieser Liste, vermutlich ist sie ihr auch egal.

Und trotzdem wurde sie geholt, um den Wandel bei der Telekom voranzutreiben. Und dieser Wandel ist gewaltig. Wie auch andere Querschnittsfunktionen musste der HR-Bereich in der Zentrale im Rahmen des Spar- und Umbauprogramms Shape Headquarters bis zu 40 Prozent der Stellen einsparen. Auch bei Telekom Deutschland werden Stellen gestrichen. Gleichzeitig soll das operative Geschäft gestärkt werden. Von den meisten Experten wird eine Reduzierung des Overhead bei der Telekom als richtig angesehen. Doch die Verkleinerung der Zentrale ist mit einer umfassenden Reorganisation verbunden gewesen. Gleichzeitig soll sich die Rolle von HR in der Telekom verändern. Die Funktion soll noch stärker als Dienstleister das Business unterstützen – und das vor allem dezentral in den Segmenten. Die Human Resources in den Tochter- und Ländergesellschaften bekommen größere Freiräume, die Zentrale mischt sich weniger in das operative Geschäft ein. Für die HRler im Headquarters bedeutet das wohl einen Verlust an Einfluss.

Als wenn das alles nicht schon eine enorme Herausforderung wäre, steht Marion Schick auch noch stark in der Kritik. Nicht wenige Mitarbeiter und Führungskräfte bemängeln, dass sie selbst und ihre Personalstrategie zu wenig sichtbar seien im Konzern. „Was hat sich in diesem einen Jahr getan?“, fragt beispielsweise eine Führungskraft aus dem operativen Geschäft und gibt sich selbst die Antwort. „Das ist so unmittelbar nicht wahrnehmbar. Es wurde vieles gestoppt und in Frage gestellt, was Sattelberger gemacht hat. Das Substitut, die eigene Akzentuierung ist aber nicht zu erkennen.“ Und das ist keine Einzelmeinung.

Der große Name Sattelberger hat Marion Schick nicht davon abgehalten, einige dessen Herzensthemen neu zu definieren, auf Sparflamme zu halten oder gleich ganz aus dem Spiel zu nehmen. So hat die 54-Jährige zum Beispiel gleich zu Beginn das Konzept zur School of Transformation verändern lassen. Die Einheit, die nun seit Januar Teil der HR-Struktur ist, soll in Bezug auf die notwendigen Transformationsprozesse der Telekom die Innovationsorientierung stärken sowie als Träger von Personalentwicklungsmaßnahmen fungieren. Die Einheit hat mehr als ein Dutzend Mitarbeiter. Die Eröffnung der dazugehörigen Räume unweit der Berliner Museumsinsel verzögert sich aber. „Die School ist nicht an das Gebäude gebunden“, sagt eine mit der Materie vertraute Person. Auch der ursprüngliche Name gilt nicht mehr. „School of Transformation“ ist bei Schick durchgefallen. Man entschied sich vorübergehend für TBD: „to be defined“.

TBD kann vielleicht ein Leuchtturm-Projekt werden, eventuell so bedeutend wie es bislang der Diversity-Bereich der Telekom gewesen ist. Die Arbeit des Kompetenz-Teams Diversity hatte für viele andere Unternehmen Vorbildcharakter. Es ist eines der prominenten Opfer im Rahmen der Sparmaßnahmen geworden. Das Team mit 16 Mitarbeitern gibt es in seiner ursprünglichen Form nicht mehr. In der Zentrale wird das Thema jetzt ein wenig in der neuen Einheit Group Performance Development bearbeitet. Dort wurden viele Themen zusammengezogen.

Ansonsten sollen die Diversity-Ziele nun vor allem von den Segmenten und dem Business stärker selbst gelebt und vorangetrieben werden – ohne ständigen Aufpasser in der Zentrale. „Wir haben Diversity mit mehr Nachdruck und einer nächsten Stufe der Ernsthaftigkeit komplett im Unternehmen verankert“, sagt Marion Schick dazu.

Lieber Ziel statt Quote

Man wird sehen, wie viel Platz für solche Themen tatsächlich neben dem Alltagsgeschäft bleibt, und wenn die Leute fehlen, die die Diversity-Themen vorantreiben. Was die Frauenquote im Speziellen angeht, da gibt es kein Vorbeikommen. Auch wenn Schick lieber von Ziel spricht, weil es anderenfalls zu Verwechslungen mit einer gesetzlichen Frauenquote kommt, sagt sie.
Schick ist sich sicher, dass das Ziel von 30 Prozent Frauen in Führungspositionen bis 2015 erfüllt wird. Was soll sie auch anderes sagen? Die Quote ist ein Vorstandsbeschluss und der muss umgesetzt werden. Jedoch klingt das Verfehlen eines Zieles nicht ganz so schlimm wie eine Quote, die nicht erreicht wird.

Den Eindruck, dass die 54-Jährige nie ein Fan der Quote war, kann man bekommen, wenn man einen Artikel aus der Zeit im Januar liest. In dem Text zum Thema Führungsfrauen schreiben die Autoren: „Überhaupt die Quote. Schon das Wort mag Schick nicht, auch wenn sie nun bei der Telekom genau dafür zuständig ist.“ Kurz darauf wird sie noch zu Führungsstilen zitiert: „Ich glaube nicht an einen weiblichen oder einen männlichen Führungsstil. Eine Topführungskraft muss alle Stile beherrschen und jeden zur rechten Zeit anwenden können.“

Mal davon abgesehen, ob ein Manager alle Führungsstile beherrschen sollte oder dazu überhaupt in der Lage ist, wird Schick gerade wegen ihres eigenen Führungsstils kritisiert. Viele Mitarbeiter stören sich an der mangelnden Kommunikation. „Der Kontakt zu den Experten fehlt völlig“, sagt ein HR-Manager. Und ein anderer meint: „Marion Schick spricht nur mit wenigen. Sie führt lediglich über ihre Direct Reports und wünscht ansonsten keinen weiteren Kontakt.“ Die Direct Reports sind beispielsweise die Personalchefs der Tochtergesellschaften, die direkt an Schick berichten. Auch mit externen Beratern tauscht sie sich viel aus, wie von Mitarbeitern zu hören ist. Die Berater-Dichte habe stark zugenommen, sagt ein HR-Manager.

Auch aus dem Business hört man kritische Stimmen. So sagt ein Manager in leitender Funktion: „Ihr Kommunikationsverhalten verhält sich völlig atypisch zu den postulierten und proklamierten Werten, die wir haben: flache Hierarchien, direktes Feedback, unkompliziert, nahbar und ähnliches.“ Im Interview sagt Marion Schick, dass sie sich ehrlicher und offener Kritik stellt – und betont gleichzeitig die Bedeutung der Direct Reports für den Wandel in der HR-Funktion.

Sie war Ministerin und scheint es ein Stück weit geblieben zu sein: Die Direct Reports als Staatssekretäre. Wenige Organisationen dürften heute noch so hierarchisch geprägt sein wie ein Ministerium.

Schick weiß, dass die Stimmung bei einigen nicht so gut ist. „Wir müssen uns an der einen oder anderen Stelle auch zusammenraufen“, sagt sie.

Welche Rolle bleibt HR?

Einige HR-Führungskräfte sind von sich aus gegangen, darunter bekannte Experten auf ihrem Gebiet. Sie kritisieren zu wenig Kommunikation, zu wenig Einbindung und keine klare HR-Strategie.

In den meisten Unternehmen gibt es allerdings Mitarbeiter, die die Strategie nicht wirklich benennen können. Und als Sattelberger seinen Job bei der Telekom antrat, sind auch einige Führungskräfte geflüchtet. Und: Natürlich ist der Frust groß, wenn ein Unternehmen derart umbaut und Stellen streichen muss wie die Telekom. Schick braucht sicherlich noch Zeit.

Spannend wird es zu beobachten, welche Rolle der HR-Funktion im Konzern – vor allem in der Zentrale – bleibt. Außerhalb wird sie sich wohl nicht mehr so profilieren können wie unter Sattelberger. Schick hat nicht den Anspruch wie ihr Vorgänger, die Themen über die Medien zu spielen. Wichtiger wird auch vielmehr, welche Rolle die Personaler intern spielen können. Hier könnte der Fall Telekom exemplarisch für die Zukunft der Profession stehen.

Aus Sicht von Christian Scholz kann eine Personalabteilung nicht überleben, wenn sie sich nur auf die reine Dienstleistungsfunktion beschränkt. „Dann gibt es für das Business keinen Grund mehr, sich mit der Personalabteilung zu beschäftigen“, sagt er.

Auch Schick will keinesfalls die reine Dienstleisterfunktion. Das operative Geschäft soll zwar stärker unterstützt werden, doch nicht nur indem HR als Dienstleister auftritt. Es sollen auch weiterhin Themen gesetzt und die Konzernzentrale strategischer aufgestellt werden. Und das sei keine Frage der quantitativen Ressourcen, sagt sie.

Scholz sieht das grundsätzlich ebenso. „Wenn Frau Schick es schafft, mit weniger Geld einen deutlicheren Wandel hinzubekommen zu einer effektiven HR Governance im Sinne einer Lenkungs- und Steuerungsfunktion, dann wird das Standing des Personalmanagements sogar zunehmen.“

Das ist allerdings noch Theorie. Noch sind Unsicherheit und Zweifel hinsichtlich des zukünftigen Kurses innerhalb und außerhalb der HR-Funktion groß. In der Regel braucht es eine starke Zentrale, wenn man strategische Leitlinien setzen will. Das ist zwar keine Frage der Größe, aber vor allem eine des Know-hows und des Standings. Welche Produkte können wir bieten, die den Problemdruck im Business lindern? Auf diese Frage sollte nicht nur reagiert, sondern sie sollte auch beantwortet werden, bevor das Business sich die Frage stellt.

Mit der kompletten Überarbeitung des Performance-Management-Systems hat Schick sich ein kompliziertes Thema herausgesucht, mit dem man nur schwer punkten kann. Die Gestaltung eines solches Systems gleicht der Quadratur des Kreises. Es gibt nur wenige Unternehmen, die mit ihrem Performance- und Zielsystem zufrieden sind.

Die HR-Funktion der Telekom muss kämpfen, um sich zu behaupten. Die Situation ist für sie nicht leicht. Auf der einen Seite musste sie wie alle Querschnittsfunktionen kräftig Federn lassen, ist selbst im Wandel begriffen, und muss auf der anderen Seite gleichzeitig den Wandel des Geschäfts unterstützen. So soll massiv in den Breitbandausbau investiert werden. Und man darf nicht vergessen, dass das Telekom-Umfeld in den vergangenen Jahren komplexer und dynamischer geworden ist. In immer kürzeren Abständen entstehen neue technologische Entwicklungen, die die Märkte verändern.

Die Telekom-Personaler brauchen deshalb auch eine Personalchefin, die das etwas angeknackste Selbstvertrauen kitten kann, die kommuniziert, überzeugt, präsent ist. Vielleicht rauft sie sich ja tatsächlich noch mit ihren HRlern zusammen.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Human Resources Manager 02/2013

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