Für traditionelle Finanzdienstleister sind die Zeiten schwieriger geworden. Vor allem die Konkurrenz der Fintechs wird ihnen noch zu schaffen machen. Für Mitarbeiter stellt sich nun die Frage, bei auf welcher Seite die Karrierechancen aussichtsreicher sind. Eine Handreichung.
Banken und Finanzdienstleister haben es derzeit schwer. Der strukturelle Wandel hat sie voll im Griff. Strenge regulatorische Anforderungen, intensiver Wettbewerb und Niedrigzinsen lassen Erträge sinken und erfordern, das Geschäftsmodell anzupassen. Die Institute reagierten im ersten Schritt mit Stellenabbau, teilweise aktiv mit Abfindungsangeboten oder passiv, indem frei werdende Stellen nicht nachbesetzt wurden.
Den Personalbestand zu reduzieren, ist aber nur eine Schraube, an der man drehen kann, um Kosten zu senken. Die andere Möglichkeit: Prozesse optimieren oder idealerweise automatisieren. Das klingt im ersten Moment nicht neu oder revolutionär. Aber in der Finanzindustrie, die für Kernapplikationen noch Großrechner im Einsatz haben, die von älteren, grauhaarigen COBOL Experten administriert werden, schlummern noch große Potenziale zur Kostensenkung.
Nahezu alle Finanzinstitute gleichermaßen haben es vernachlässigt, ihre IT-Plattformen zu erneuern. Zum einen weil das Investitionsbudget in der Nachkrisenära per se immer gefehlt hat, aber auch weil sich die Unternehmen nicht trauten, ein funktionierendes und kritisches System anzufassen, bei dem sie im Falle eines Versagens viel Reputation hätten einbüßen müssen.
Fintechs füllen die Innovationslücke
Fintechs mischen die Branche nun neu auf. Sie zeigen, wie man technologisch intelligenter und kostengünstiger agieren kann. Und das mit vergleichsweise einfachen Ideen und schlanken oder automatisierten Prozessen. Diese sind oftmals in anderen Branchen schon lange etabliert. Doch die Banken haben sie das Fürchten gelehrt. Den Platzhirschen ist schnell klar geworden, dass sie mitspielen müssen, um nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Branche musste schnell reagieren. Das Wort „Digitalisierung“ dominierte fortan in jeder Vorstandssitzung. Um im Kampf um junge und kreative Köpfe attraktiv zu sein, wurden intern Innovation Management Teams gebildet oder von Banken gesponserte Gründerzentren und Innovation Labs ins Leben gerufen.
Der Wettbewerb um Talente ist voll im Gange. Als Personalberater für Finanzdienstleister ist es dieser Tage erfrischend zu sehen, mit welcher Überzeugung und Enthusiasmus das Gründerteam eines Fintechs sein Geschäftsmodell präsentiert: Die Start-Up-Manager haben keinen Zweifel, dass ihr Unternehmen die Finanzwelt nachhaltig verbessern wird. Ganz im Silicon-Valley Stil sehen sie sich als die „Guten“. Und diese Begeisterung gefällt jungen ambitionierten Menschen und übt eine klare Anziehungskraft aus.
Leider fehlt diese Überzeugungskraft dieser Tage den Banken. Sie sind eher in der Defensive, müssen ihr traditionelles Geschäftsmodell verteidigen. Sie zögern noch, größere Investitionen zu tätigen. Gleichwohl haben sie entscheidende Vorteile gegenüber den Fintechs, die sie bei potenziellen Bewerbern ausspielen: Sie haben – noch – die Kundenbasis, das Know-how, laufende Einnahmen und arbeiten halbwegs profitabel.
Fintech-Mitarbeiter brauchen Geduld
Letzteres Ziel muss ein Fintech häufig erst erreichen. Eine innovative Idee allein ist kein Garant für den Erfolg. Denn der hängt vom Geschäftsvolumen ab. Und das baut sich häufig langsam auf. Hier wird den jungen, engagierten Mitarbeitern Geduld abverlangt. Der Zeithorizont ist ein anderer als in der Finanzindustrie. Fintechs gelten als innovativ, schnell und dynamisch, und das sind sie auch. Aber vor allem für jüngere Banker, die die Seite wechseln, ist ein Business Case mit einem Break-Even in fünf oder mehr Jahren Neuland. Mit einer solchen Idee durfte man in ihrer alten Welt nicht zum Vorstand gehen. Das wäre das Ende der Karriere gewesen.
Pioniergeist gesucht
Fintechs suchen Leute, die eine gewisse Portion Pioniergeist mitbringen und auch mit einem Scheitern rechnen. Das Risiko ist da. Wenn das Geschäftsmodell aber funktioniert, können die Mitarbeiter große Stars werden.
Dafür trifft das Klischee im positiven Sinne zu: Der Tischkicker ist vorhanden, die Krawatte bliebt zu Hause, alle duzen sich, und man darf auch gerne mit dem Skatebord kommen. Die Hierarchie ist flach, es wird von Mitarbeitern erwartet, Verantwortung zu übernehmen, Ideen einzubringen und Dinge anzupacken.
Bei Fintechs beobachten wir aber auch Probleme, die genereller Natur sind. Sie stellen sich vor allem im Erfolgsfall als große Herausforderung dar: Das schnelle personelle Wachstum bedingt, Strukturen zu schaffen, Prozesse zu etablieren und Verantwortung abzugeben. Hier gibt es häufig Nachholbedarf. Auch die Etablierung einer funktionierenden zweiten Führungsebene, die eigenständig entscheiden darf, ist bei inhabergeführten Unternehmen häufig kein Selbstläufer.
Kulturell gehen beim schnellem Wachstum häufig geliebte Annehmlichkeiten verloren: Die Hipster-Brause, Entspannungsmassagen und der große Obstteller lassen sich ab einer gewissen Größenordnung nicht mehr darstellen, umso mehr wenn man noch nicht in der Gewinnzone ist. Und das anfängliche Familiengefühl kann verloren gehen. Hier gilt es, die loyalen Mitarbeiter abzuholen und einzubinden.
Und hinter vorgehaltener Hand kommen zum Teil Äußerungen von Mitarbeitern, die wir bei Fintechs nicht erwarten würden: Der von außen vermutete Automatisierungsgrad sei doch nicht allzu hoch. Wenn das stimmt, wäre es essenziell. Die Gewinnzone kann nur erreicht werden, wenn das Modell kosteneffizient skalierbar ist.
Innovation-Lab oder Fintech?
Wenn mich junge Menschen fragen, ob sie lieber im Innovation-Lab einer Bank oder in einem Fintech beginnen sollen, antworte ich, dass es am Ende kaum einen Unterschied machen wird. Die Digitalisierung in der Finanzwelt hat erst begonnen. Das Ziel ist klar, und der Trend ist unumkehrbar. Ob man die Lernkurve bei einer Bank oder einem Fintech beginnt, wird für den persönlichen Marktwert keinen großen Unterschied machen.
Zudem sehe ich die Kooperation zwischen Bank und Fintech aktuell als das wahrscheinlichste Modell für die nächsten Jahre. Die Finanzbranche könnte eine ähnliche Wandlung vollziehen wie die Telekommunikationsbranche: Der Mobilfunkmast gehört weiterhin der Telekom. Es wird aber kaum telefoniert, sondern nur noch gelikt, gewhatsappt oder getwittert.