Kollaboration statt Konkurrenz: Solidarisches Netzwerken

Karriere

Netzwerken ist elementar in jeder Ausbildungs- und Karrierestufe – und dennoch gehen die wenigsten dabei proaktiv und gezielt vor. Dazu kommen neue Formen und Perspektiven durch die Pandemie. Ein Wechsel in unserem Netzwerk-Mindset ist daher längst überfällig: Weg von der egoistischen Ellenbogenmentalität hin zu einem starken Tool, um uns gegenseitig zu stärken und zu empowern.

Früher oder später lernen wir alle, wie wichtig ein funktionales Netzwerk ist. Dennoch ist es eher Regelfall als Ausnahme, dass wir in unserem Arbeitsalltag Kontakte „vergessen“, die gerade keine besonders hohe Relevanz haben. Eigentlich wissen wir es besser und dass das passiert, bedeutet vor allem auch eines: Viele von uns begreifen das Netzwerken eher als Zusatzkomponente zur Arbeit statt als elementaren Bestandteils unseres Arbeitslebens. So kommt es immer wieder, dass wir dann beginnen, aktiv zu netzwerken, wenn wir das solide Netzwerk bereits bräuchten. Statt es zum Beispiel für eine wichtige Frage oder sogar einen Jobwechsel zu aktivieren, lernen wir erst umständlich die hoffentlich richtigen Leute kennen. Das ist weder proaktiv noch gezielt – und wurde durch die Pandemie zusätzlich erschwert.

Fundamentale Änderungen durch die Pandemie – erfolgt nun der Paradigmenwechsel?

Der gemeinsame Plausch in der Kaffeeküche, gemeinsame Lunch-Dates mit dem Team oder neue Kontakte auf Konferenzen – für viele von uns ist das seit mehr als zwei Jahren komplett oder in weiten Teilen weggebrochen. Digitale Events, mobiles Arbeiten und Homeoffice verändern klassisches Netzwerken wie wir es bisher gekannt haben, enorm. Doch das ist nicht unbedingt schlecht, denn es ermöglicht neue Formen und Perspektiven. Durch die Pandemie nimmt das Netzwerken im digitalen Raum einen größeren Stellenwert ein. Auch wenn wir Face-to-Face-Begegnungen schmerzlich vermissen, kann digitales Netzwerken physische Barrieren zwischen uns abbauen und ist – anders als exklusive Events – für alle zugänglich.

Zugänge sind allerdings nicht die einzigen Hürden, die einem neuen Verständnis von Netzwerken entgegenstehen. Wenn wir ehrlich sind, wird Netzwerken immer noch vorrangig mit einer egoistischen Ellenbogenmentalität verbunden. Viel zu oft sehen wir andere eher als Konkurrenz und nicht als potenzielle Verbündete. Doch statt Netzwerke nach dem Motto “In ist, wer drin ist” zu gestalten, könnten wir sie als starkes Tool für gegenseitiges Wachstum und Empowerment nutzen. Durch solidarisches Netzwerken können wir einen echten Unterschied machen und unsere Arbeitswelt gerechter machen. Denn noch immer gibt es eine Vielzahl struktureller Benachteiligungen, die reale Gleichberechtigung blockieren. Um ungerechte Verhältnisse auf den Kopf zu stellen, brauchen wir Netzwerke, in denen wir uns gegenseitig stärken und solidarisch unterstützen.

Giving is Living, Sharing is Caring

Solidarisches Netzwerken setzt auf belastbare Beziehungen, auf Großzügigkeit und gegenseitige Unterstützung – ganz nach dem Motto: “Giving is living and sharing is caring!”.

Denn das meiste Wissen, das in der Berufswelt über unseren Erfolg entscheidet und uns Türen öffnet, ist immer noch informelles Wissen. Es ist Wissen, das andere durch Erfahrungen gewinnen und das wir nicht so leicht in Büchern oder im Internet finden. Der Zugang zu diesem Wissen ist ein Privileg, denn Wissen ist Macht – aber geteiltes Wissen ist Empowerment. Statt also Angst davor zu haben, dass andere uns einen hart erkämpften Platz am großen Tisch wegnehmen, sollten wir ihnen einen Stuhl mitbringen. Solidarisches Netzwerken ist ein Verb und mit diesen fünf Tipps klappt der Start noch heute:

  1. Gib mit vollen Händen: Die Prämisse solidarischen Netzwerkens ist, selbst zu geben und andere zu empowern. Oft ist uns der Wert unserer eigenen Ressourcen nicht bewusst. Aber eine Erkenntnis oder ein Kontakt, die für uns inzwischen selbstverständlich ist, kann für andere der absolute Gamechanger sein. Teilen Sie Ihr Erfahrungswissen mit anderen oder werden Sie Mentorin – die Möglichkeiten zu geben sind grenzenlos.
  2. Nutze Sie Ihre Privilegien: Unsere Gesellschaft und Arbeitswelt ist vielfältig – aber nicht alle haben real die gleichen Möglichkeiten. Nutzen Sie Ihre Privilegien und Ihre Position, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Fragen Sie sich, wer in entscheidenden Prozessen nicht mit am Tisch sitzt: Als Mitglied eines Entscheidungsgremiums oder einer Task Force – egal wie klein oder groß – können Sie auf das Fehlen von vielfältigen Perspektiven hinweisen und großartige Talente empfehlen.
  3. Kommuniziere Wertschätzung: Sie finden die Arbeit oder Art einer Person toll? Sagen Sie es ihr. Authentische Wertschätzung ist ein absoluter Türöffner und ein großes Geschenk, das wir gerne viel öfter verschenken dürfen. Mit ehrlicher Wertschätzung setzen wir das Fundament für anregende Begegnungsräume und stärkende Beziehungen.
  4. Investieren Sie in Ihre Beziehungen: Dein Netzwerk ist keine Sauerstoffmaske, die dich von Zauberhand in akuten Krisen rettet. Beziehungsaufbau und -pflege benötigen Aufmerksamkeit. Ihre Beziehungen zu den Menschen in Ihrem Netzwerk sind wie kleine Pflanzen, die Fürsorge brauchen. Kümmern Sie sich gut um sie!
  5. Machen Sie den Unterschied: Seien Sie die Person in Ihrem Netzwerk, die Sie damals gebraucht hätten.

Die Feuertreppe aufstoßen und den Aufzug wieder runter schicken

Beim solidarischen Netzwerken geht es darum, den Aufzug wieder runterzuschicken, nachdem man selbst aufgestiegen ist. Oder die Feuertreppe aufzustoßen, sodass noch mehr Menschen die Möglichkeiten erhalten, die ihnen aufgrund gläserner Decken sonst verwehrt geblieben wären. In diesem Sinne kann die Pandemie bei allem Übel auch eine Chance sein, überholte Netzwerk-Taktiken zu durchbrechen und Neues auszuprobieren. So verändern wir ganz real die Verhältnisse in der Arbeitswelt, wenn wir solidarisch Netzwerken.

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Aylin Karabulut, Chief Business Development Officer bei Employers for Equality

Aylin Karabulut

Aylin Karabulut ist Chief Business Development Officer bei Employers for Equality. Die promovierte Bildungswissenschaftlerin ist Mentorin bei der Initiative Geh Deinen Weg.

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