Blockadetaktik des Betriebsrates verboten

Arbeitsrecht

Betriebsräte können mit einer einstweiligen Verfügung nur Maßnahmen verhindern, die ihren Verhandlungsanspruch beeinträchtigen, nicht aber die Betriebsänderung selbst. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden und so für etwas mehr Rechtssicherheit bei Umstrukturierungen gesorgt.

Angeschlagene Unternehmen sind oft gezwungen, Sparmaßnahmen sofort umzusetzen. Der Erfolg einer Umstrukturierung hängt häufig von der zeitlichen Kalkulation ab. Besteht ein Betriebsrat, sind dessen Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) in die Planung einzubeziehen. Streitig ist seit jeher, ob der Betriebsrat die Umsetzung der Maßnahme, beispielsweise den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen, durch eine einstweilige Verfügung verhindern kann, solange mit ihm noch kein Interessenausgleich abgeschlossen worden ist.

Ob der Betriebsrat im Wege einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Umsetzung der Betriebsänderung verlangen kann, ist ein Dauerbrenner und gehört wohl zu den umstrittensten Fragen des kollektiven Arbeitsrechts. Während vor allem Gerichte aus dem Norden der Republik einen solchen Unterlassungsanspruch bejahen (zum Beispiel LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Juli 2007, 3 TaBVGa 1/07), urteilten viele Gerichte aus dem Süden eher arbeitgeberfreundlich und lehnten eine Unterlassungsverfügung ab (zum Beispiel LAG München, Beschluss vom 29. Juli 2003, 20 BVGa 40/03). Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 19. Juni 2014 (7 TaBVGa 1219/14) einen neuen Akzent im „Nord-Süd-Gefälle“ gesetzt.

Es entschied, dass ein etwaiger Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der Betriebsänderung nur der Sicherung seines Anspruches auf Verhandlungen über den Interessenausgleich, nicht aber losgelöst hiervon der Untersagung der Betriebsänderung selbst diene. Der Betriebsrat könne deshalb durch die einstweilige Verfügung nur Maßnahmen untersagen lassen, die seinen Verhandlungsanspruch in Frage stellen.

Damit hat das Gericht einen Unterlassungsantrag des Betriebsrates hinsichtlich einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Zusammenlegung von zwei Standorten abgewiesen. Der Arbeitgeber hatte 20 von insgesamt 323 Arbeitnehmern des Unternehmens bereits am neuen Standort eingesetzt, ohne dass ein Interessenausgleich abgeschlossen worden war. Nach den Berliner Richtern konnte der Betriebsrat dies nicht verhindern.

Es bleibt abzuwarten, ob das Berliner Urteil neuen Schwung in die Diskussionen um einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bringen wird. Die Krux ist, dass eine abschließende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht zu erwarten ist. Eine Rechtsbeschwerde zum BAG ist in arbeitsgerichtlichen Eilverfahren nicht zulässig (vgl. § 92 I 3 ArbGG). Unabhängig davon schafft die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg jedoch ein bisschen mehr Rechtssicherheit für Unternehmen, die eine zeitnahe Umstrukturierung anstreben.

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Alexander Raif, Foto: Privat

Alexander Raif

Dr. Alexander Raif ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Berliner Büro der Kanzlei WEITNAUER.

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