Schadensersatzforderung gegen Arbeitnehmer werden schwieriger

Arbeitsrecht

Rechtlich ist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer durch Darlegungs- und Beweislastregelungen sowie die Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung begrenzt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verschärft nun die Anforderungen: auch organisatorisches Mitverschulden des Arbeitgebers ist ausdrücklich zu berücksichtigen (BAG, Urt. v. 21. Mai 2015 – 8 AZR 116/14, 8 AZR 867/13).

Der Sachverhalt
Das beklagte Unternehmen beschäftigte den Kläger als Sachbearbeiter in der Arbeitswirtschaft. Die Vergütung zahlreicher in Heimarbeit Beschäftigter des Unternehmens richtete sich wesentlich danach, ob diese die Arbeitsleistung in der als angemessen angesehenen Arbeitszeit erledigt haben. Aufgabe des Klägers war es, die jeweils tatsächlich erforderliche Arbeitszeit zu erfassen und im IT-System zu vermerken. Die erfassten Werte waren Grundlage der Arbeitsentgeltberechnung der Heimarbeiter.

Spätestens ab Februar 2009 forderte der Vorgesetzte des Klägers diesen mehrfach auf, die Vorgabezeiten zeitnah zu aktualisieren und einzutragen. Es kam es zu einer Abmahnung des Klägers, einem erfolgreich angefochtenen Aufhebungsvertrag sowie letztlich zwei arbeitgeberseitigen Kündigungen.

Im Rahmen der Kündigungsschutzprozesse erhob die Beklagte Widerklage auf Schadensersatz. Die Kündigung haben die Vorinstanzen mittlerweile rechtskräftig als unwirksam eingeordnet und die Widerklage im Umfang von über 50.000 Euro abgewiesen. Gegenstand der Revisionsinstanz ist noch ein von der Arbeitgeberseite geltend gemachter Schadensersatzanspruch von circa 23.000 Euro.

Der Arbeitnehmer verteidigte sich, es sei im Rahmen der wöchentlichen Arbeitsbesprechungen für seinen Vorgesetzten klar gewesen, dass bestimmte Vorgabezeiten nicht mehr aktuell waren. Diese sollten jedoch erst später „in einem Zug“ geändert werden. Teilweise sei die Umsetzung neuer Vorgabezeiten auch von der Fertigung abgelehnt worden. Keineswegs habe er durch zu lange Vorgabezeiten, die die Heimarbeiter leicht erfüllen und sich so höhere Vergütungsansprüche sichern konnten, das Unternehmen schädigen wollen.

Die Entscheidung
Das BAG wiederholt die Grundsätze, wonach dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung und für ihr Vertretenmüssen durch den Arbeitnehmer obliegt. Es bejaht letztendlich fahrlässiges Handeln des Arbeitnehmers. Die Beteiligung weiterer Arbeitnehmer, gegebenenfalls auch seines Vorgesetzten, könne nicht rechtfertigend wirken.

Das BAG rügt vor allem, dass sich die Vorinstanz nicht mit einem möglichen Mitverschulden des Unternehmens auseinandergesetzt hat, das anspruchsmindernd und von Amts wegen zu berücksichtigen wäre. Es habe möglicherweise ein Organisationsdefizit in Form einer fehlenden Mitarbeiterführung und Kontrolle seitens des Vorgesetzten beim Unternehmen vorliegen können. Er hätte Nachfragen in den regelmäßigen Arbeitsbesprechungen stellen und stichprobenartige Vollzugskontrollen vornehmen müssen, seitdem Zweifel an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch den Kläger bestanden.

Die Beweislast für die Umstände, die ein Mitverschulden und dessen Auswirkung auf den konkreten Schaden bestimmen, trägt zwar der Schädiger (hier der Arbeitnehmer). Der Arbeitgeber kann aber insofern zur Darlegung verpflichtet sein, als es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt.

Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, wie schwierig die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen für Arbeitgeber ist. Die Gerichte wenden nicht nur einen erleichterten Haftungsmaßstab mit einem Haftungsausschluss bei leichter Fahrlässigkeit und eingeschränkter Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit an, sondern auch diverse Regelungen zur Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf den Arbeitgeber. Hierüber müssen sich Unternehmen vor Anstrengung einer Schadensersatzklage bewusst sein und die möglicherweise zu erzielende Schadensersatzleistung sorgsam gegen das bestehende Prozessrisiko abwägen.

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber seine Arbeitsprozesse so organisieren, dass jedenfalls bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch einzelne Mitarbeiter in deren Bereich (zumindest stichprobenartige) Kontrollen der Arbeitsleistung stattfinden. Andernfalls muss er eine Kürzung etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Mitverschulden in Kauf nehmen.

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