Was Dein Dienstleister getan hat, hast auch Du getan

Arbeitsrecht

Unternehmen setzen beim Personaleinsatz zunehmend auf Flexibilität und damit verstärkt auf Zeitarbeiter und Freelancer. Doch wie der Fall Amazon gezeigt hat: HR kann die Verantwortung für das Handeln seiner Partner nicht abgeben.

In einer zunehmend flexiblen und netzwerkartigen Wirtschaft wird die unternehmerische Wertschöpfung mehr und mehr über Markttransaktionen sowie über Kooperationen gesteuert. Dieses Prinzip drängt sich immer stärker auch in die HR-Bereiche. Zum einen wird die traditionelle Stammbelegschaft zunehmend von Freelancern, Zeitarbeitern oder sonstigen externen Mitarbeitern von Dienstleistern durchdrungen – vor nicht allzu langer Zeit geisterte deshalb im Zusammenhang mit IBM der Begriff der „Liquid Workforce“ durch die Gazetten.

Zum anderen wird dabei auch die Personalarbeit selbst immer öfter von Dienstleistern erbracht. Damit kommt es im extremen Fall dazu, dass externe HR-Experten die externen Mitarbeiter managen. Ohne Zweifel übertragen Unternehmen und HR im Rahmen dieser Flexibilisierungsstrategien einen Teil des unternehmerischen Risikos auf externe Parteien. Damit stellt sich jedoch die Frage, wie Unternehmen und HR in diesen flexiblen Strukturen Verantwortung übernehmen können. Sind die internen HRler lediglich „Vertrags- und Kooperationsregisseure“ oder tragen sie eine weitergehende Verantwortung?

Frei nach dem „Prinzip Verantwortung“ (Hans Jonas) gilt: Dort, wo Handlungsmöglichkeiten sind, entsteht Verantwortung. Zumindest die Art von Verantwortung, die im politischen System als Mitverantwortung bezeichnet wird. Als problematisch wird in diesen Zusammenhang sicherlich von den meisten Unternehmern und HRlern empfunden, dass der Einfluss auf die handelnden Subjekte (zum Beispiel Freelancer, Dienstleister) vergleichsweise gering ist. Eine Zurechenbarkeit von deren Handeln auf das Unternehmen ist nicht vollständig gegeben. Trotzdem gilt, dass sich die Sphären der Verantwortung nicht strikt trennen lassen, sondern durch die Logik der gemeinsamen, interaktiven Wertschöpfung miteinander verwoben sind. Somit gilt plakativ: Was Dein Dienstleister getan hat, hast auch Du getan.

In Bezug auf die Übernahme von Verantwortung lassen sich dabei zwei Facetten unterscheiden: Erstens, entsprechend der eben skizzierten Logik, die Verantwortung im Sinne eines Einstehens für Handlungen der extern zugekauften und integrierten Mitarbeiter, also Dienstleister und Zulieferer. Zweitens – darüber hinaus gehend – die Verantwortung im Sinne der Vor- und Fürsorgepflicht für das handelnde Subjekt, das heißt zum Beispiel für den Freelancer oder den Zeitarbeiter.

Mehr Transparenz ist nötig

Um diesen beiden Facetten der proaktiven Verantwortungsübernahme gerecht zu werden, sollte HR mehrere Dinge tun: Zunächst geht es in einem ersten Schritt – wie so häufig – um mehr Transparenz. Dies ist gleichsam Voraussetzung dafür, der zugeschriebenen Verantwortung gerecht zu werden. Zentrale Fragen dabei sind: Welcher Dienstleister, welcher externe Mitarbeiter ist mit welchen Aufgaben betraut? Wie werden diese Aufgaben erfüllt? Werden die notwendigen und für gut erachteten Standards eingehalten, auch über etwaige gesetzliche Vorschriften hinaus?

In einem zweiten Schritt sollte die zunehmende Transparenz in einem professionellen Management der Dienstleister und der externen Workforce münden. Dieses Management lässt sich nicht an externe Dienstleister vergeben, auch wenn manche Unternehmen dies versuchen. Es ist für Unternehmen unabdingbar, inhaltliche Kompetenzen vorzuhalten, um Verantwortung übernehmen zu können. In einem dritten Schritt gilt es, ein „guter“ Unternehmer oder HRler zu sein: Hierzu zählt die verantwortliche Fürsorge für die externen Partner. Als erfolgreich hat sich zum Beispiel die Übernahme von Mitverantwortung für den Erhalt von körperlicher, kognitiver und psychischer Beschäftigungsfähigkeit von externen Mitarbeitern erwiesen.

Die zunehmende Flexibilisierung der Wertschöpfung mag betriebswirtschaftliches Risiko externalisieren. Die Verantwortung für das Handeln von externen Partnern – und damit auch die Verantwortung für diese Partner – lässt sich durch die Flexibilisierung aber nicht vollständig abgeben. Hierauf sollte der Human Resources Manager verstärkt seine Aufmerksamkeit richten.

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Stephan Kaiser

Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Personalmanagement und Organisation

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