Wie Fremdpersonal sicher beauftragt wird

Arbeitsrecht

Viele Unternehmen behandeln den Fremdpersonaleinsatz spontan und ohne dahinterliegenden Prozess. Fragen zum genauen Tätigkeitsinhalt und zur Einbindung in das Team werden entweder nicht gestellt oder nicht beantwortet. Doch die falsche Einordnung eines Fremdpersonaleinsatzes kann gravierende Folgen haben.

In Ihrem Unternehmen gibt es zusätzlichen Personalbedarf aber keine auf Dauer angelegte Stelle? Wie bringen Sie den Mehrbedarf und die geeignete Fremdkraft zusammen? Wer kümmert sich um Auswahl, Vertrag und Einweisung? Gibt es Vorgaben, an die Sie sich halten müssen, zum Beispiel Zuständigkeiten, Handlungsanweisungen oder Musterverträge? Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas schief geht?

Viele Unternehmen behandeln den Fremdpersonaleinsatz spontan und ohne dahinterliegenden Prozess. Die operative Einheit fordert die kurzfristig benötigte Fremdkraft bei der Personalabteilung an (gegebenenfalls ein vor kurzem ausgeschiedener Kollege, der das Fachwissen hat und nahezu nahtlos anknüpfen kann). Die Personalabteilung fertigt den Standardvertrag für freie Mitarbeiter oder Berater aus und die Zusammenarbeit kann unkompliziert beginnen. Fragen zum genauen Tätigkeitsinhalt und zur Einbindung in das Team werden entweder nicht gestellt oder nicht beantwortet. Dafür ist später noch genug Zeit. Oder?

Die falsche Einordnung eines Fremdpersonaleinsatzes kann gravierende Folgen haben. Wird der freie Mitarbeiter faktisch wie ein eigener Arbeitnehmer des Unternehmens tätig – und eben nicht als freier Mitarbeiter oder (selbstständiger) Berater – müssen für ihn Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgeführt werden. Verstöße sind strafrechtlich relevant.

Es lohnt sich also, den einzelnen Einsatz zu hinterfragen und – zumindest bei regelmäßig bestehendem Fremdpersonalbedarf – einen internen (Fremdbeauftragungs-) Prozess aufzusetzen. Ein solcher Prozess wird erfahrungsgemäß nur dann eingehalten, wenn den handelnden Personen bei Verstößen Konsequenzen drohen. Fragen und Punkte, die für die Erarbeitung eines Fremdbeauftragungsprozesses regelmäßig eine Rolle spielen, sind diese:

Checkliste

A. Wie sieht der derzeitige Fremdbeauftragungsprozess aus und welche Personen sind hierbei in welcher Rolle beteiligt (Analyse)?

B. Wer könnte einen neuen Prozess am besten aufsetzen, einführen, durchsetzen und nach Überprüfung gegebenenfalls anpassen (Task Force)?

C. Wie kann der neue Fremdbeauftragungsprozess konkret aussehen (Inhalt)?

  1. Welche Verantwortlichkeiten (Rollen) sollen bestehen, beispielsweise bei der Geschäftsleitung, der operativen Fachkraft und gegebenenfalls deren Führungskraft und/oder einer zugeordneten Hilfsperson, der Einkaufsabteilung (wenn hier Einfluss-/Handlungsmöglichkeiten bestehen), einer gegebenenfalls beteiligten Drittfirma (zum Beispiel durch vertragliche Mitwirkungspflicht), dem Betriebsrat und/oder dem Datenschutzbeauftragter oder Compliance Officer?
  2. Welcher Rolle werden konkret welche Pflichten (auch Prüfungs-/Überwachungspflichten) und in welchem Umfang (Prüfungsdichte / -häufigkeit) zugeordnet, damit eine wirksame aber auch realistische Zuteilung erfolgt?
  3. Welche Anforderungen muss der jeweilige Rolleninhaber erfüllen (gegebenenfalls Zuteilung zu bestimmten Hierarchieebenen, Festlegung von Schulungsinhalten, Umfang, Art und Weise und Häufigkeit einer Schulung)?
  4. Wie erfolgt die Delegation der entsprechenden Pflichten (von der Geschäftsleitung) auf die Rolleninhaber (inkl. Zuteilung entsprechender Entscheidungskompetenz zur Durchsetzung) und sind auch typische Abwesenheits- und Wechselfälle erfasst?
  5. Welche Maßstäbe gelten für die jeweilige Prüfung eines Falles (zum Beispiel verfahrenstechnischer Ablauf, Prüfungsdichte (inhaltlich, Prüfung nur durch interne Stellen oder gegebenenfalls auch durch externe (Rechts-) Berater), Prüfungsabstände)?
  6. Wann wird durch wen ein behördliches Verfahrens zur Statusfeststellung (bei der Deutsche Rentenversicherung Bund) eingeleitet?
  7. In welchen Abständen und durch wen sollen wiederum die Prüfungen selbst überprüft werden (voll / nach Stichproben, zum Beispiel durch einen Compliance Officer, der möglichst unabhängig ist)?
  8. Welche Fristen gelten, zum für die rechtzeitige Prüfung eines Fremdpersonaleinsatzes vor dessen Beginn, Fristen für regelmäßige Überprüfungen?
  9. Was soll in Bezug auf Dokumentationspflichten im gesamten Prozess gelten?
  10. Welche Vorgehensweise ist einzuhalten, wenn eine Falscheinordnung erkannt wird und sind hierauf zudem Maßnahmen zu ergreifen (gegebenenfalls auch gegenüber dem Vertragspartner oder der eingesetzten Fremdkraft, zum Beispiel Kündigung) und was gilt bei Dokumentationsmängeln?

D. Wie kann der neue Fremdbeauftragungsprozess bestmöglich eingeführt werden, zum Beispiel durch das Verhandeln einer Betriebsvereinbarung, Erstellen einer entsprechenden Richtlinie (Implementierung)?

E. Ist das Erstellen von Mustervereinbarungen, Richtlinien, (Schulungs-) Material hilfreich und wer ist hier Ansprechpartner (Analyse Bedarf und Entwurf entsprechender Muster)?

F. Können der eigentliche Prüfungsprozess sowie die Dokumentation durch EDV unterstützt werden, beispielsweise durch eine (teil-) automatisierte Vertragsprüfung mit hinterlegten Checklisten, Ampelsystem und ist eine Archivierung von Gründen für typische Falscheinordnungen im Geschäftsbereich des Unternehmens sinnvoll, zum Beispiel durch das Führen eines Verzeichnisses und den Ausschluss oder ein internes Freigabeerfordernis für bestimmte Vertragspartner und/oder bestimmte Vertragsbedingung oder Tätigkeitsbereiche (EDV-Komponente)?

G. Wenn der Prozess erst einmal implementiert ist, wie kann er in der Folgezeit überprüft und ggf. angepasst werden, auch gemäß den Erkenntnissen aus ggf. erkannten Falscheinordnungen (Review / Audit-Prozess)?

An den vorstehenden Punkten zeigt sich, dass der Prozess auf die Bedürfnisse und Abläufe im jeweiligen Unternehmen abgestimmt sein muss. Nicht für alle Unternehmen ist das gleiche Schema gut und wirksam. Hierbei kann ein Minimal-Ansatz zumindest ein Anfang sein, die Fremdbeauftragung systematisch anzugehen und Verstöße (möglichst) zu vermeiden.

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Vera Luickhardt, Foto: Allen & Overy LLP

Vera Luickhardt

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Allen & Overy
Vera Luickhardt, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, ist Senior Associate in der Arbeitsrechtsgruppe im Düsseldorfer Büro von Allen & Overy LLP. Sie berät nationale und internationale Unternehmen im Individual- und Kollektivarbeitsrecht, insbesondere mit Bezug zu folgenden Themen: Arbeitnehmerüberlassung, Begleitung von Trennungsprozessen, Vertragsgestaltung und gerichtliche Vertretung.

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