Schon der indische Freiheitskämpfer Mahatma Ghandi (1869 – 1948) sagte: „Wenn ich die Überzeugung habe, dass ich es tun kann, werde ich sicher die Fähigkeit erlangen, es zu tun, auch wenn ich sie am Anfang vielleicht nicht habe.“ Selbstwirksamkeit ist der Glaube an sich selbst, in bestimmten Situationen erfolgreich zu sein oder bestimmte Aufgaben bewältigen zu können. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit glauben, dass sie über die notwendigen Fähigkeiten verfügen oder verfügen werden, um ihre Ziele zu erreichen, selbst wenn sie mit Herausforderungen konfrontiert sind. Hingegen sind Menschen mit geringer Selbstwirksamkeit weniger bereit, sich bietende Chancen zu nutzen, da sie eher die Risiken im Blick haben. Die Wissenschaftler und Psychologen Xavier Horcajo, David Santos und Guillermo Higuero haben in ihrer Arbeit zu den Effekten der Selbstwirksamkeit im Jahr 2022 herausgefunden, dass ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit die körperliche und kognitive Leistung fördert, was ihre Bedeutung für das Erreichen persönlicher Ziele unterstreicht. Wenn wir nicht daran glauben, ein Ziel erreichen zu können, woher nehmen wir dann die Motivation, weiterzumachen? Wenn wir nicht daran glauben, dass wir einen Halbmarathon laufen können, woher nehmen wir dann die Motivation, jeden Tag zu trainieren?
Die Selbstwirksamkeit ist also entscheidend für den Erfolg. Dieser ist aber nicht nur das Ergebnis von Selbstwirksamkeit. Laut Albert Bandura, kanadischer Psychologe und Pionier in der Erforschung der Selbstwirksamkeit, sind Erfolgserfahrungen ebenfalls eine einflussreiche Quelle für die Selbstwirksamkeit, weil sie den authentischsten Beweis dafür liefern, was man alles aufbringen kann, um erfolgreich zu sein. Erfolg stärkt den Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit, Misserfolge untergraben sie, vor allem wenn sie auftreten, bevor das Gefühl der Selbstwirksamkeit gefestigt ist. An welchen konkreten Themen sollten wir aber nun arbeiten, um erfolgreich zu sein und die eigene Selbstwirksamkeit zu erhöhen? Es kommt auf fünf Bereiche an:
Die sich anschließende Frage lautet: Wie entwickeln wir uns in den wichtigen Bereichen mentale und physische Gesundheit, Selbstwert und Selbstvertrauen, Kommunikations- und Teamfähigkeiten sowie Kreativität weiter und schöpfen unsere Potenziale aus? Die Antwort liefert Jim Ryun, ehemaliger amerikanischer Politiker und olympischer Leichtathlet, mit folgendem Zitat: „Motivation ist das, was dich beginnen lässt – Gewohnheiten sind das, was dich weitermachen lässt.“ Eine starke Motivation basierend auf einem Wunsch alleine ist nicht ausreichend, um ein Ziel zu erreichen – auch wenn Motivationscoaches dies gerne predigen. Redewendungen wie „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, „Aller Anfang ist schwer“ oder „Von nichts kommt nichts“ deuten es an: Man sollte das Erreichen persönlicher Ziele „nicht auf die leichte Schulter nehmen“. Zumal alte, hinderliche Verhaltensmuster tief im Gehirn abgespeichert sind und kaum gelöscht, zum Glück aber durch neue Verhaltensmuster überlagert werden können. Wenn wir nicht wissen, wie wir unsere Ziele erreichen und Erfolg haben können, stellen wir uns am besten vor, wir wollten bei den Olympischen Spielen Gold gewinnen. Was würden wir dafür tun? Wir würden täglich gleiche Abläufe trainieren, was Durchhaltevermögen und einen starken Willen erfordert. Das Ganze könnte aber nur gelingen, wenn wir für diese Anstrengungen belohnt werden, zum Beispiel in Form des starken Hochgefühls.
Mächtige Gewohnheiten
Es sind also gleich ein paar Dinge und Prinzipien zu berücksichtigen, um das eigene Potenzial abzurufen und die Selbstwirksamkeit zu erhöhen. Die Prinzipien basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und kommen alle in einem Konzept zur Geltung: Gewohnheiten. Sie sind mächtig, weil sie häufig angewendet werden, nach einer Weile in Fleisch und Blut übergehen und automatisch ablaufen. Das Unterbewusstsein reproduziert dann routinemäßig bestimmte Verhaltensweisen und damit stabile Ergebnisse. Wenn wir uns bewusst positive Gewohnheiten wie regelmäßiges Lesen (fördert die Kommunikationsfähigkeiten), Führen eines Dankbarkeitstagebuchs (fördert die mentale Gesundheit) oder Joggen (fördert die physische Gesundheit) antrainieren, stellen Gewohnheiten das „stabile Gute“ dar und sind der wahre Hebel zu unserer eigenen Potenzialentfaltung für mehr Glück und Erfolg. Es ist gerade nicht das stete Streben nach „mehr“, was uns glücklich werden lässt, sondern das Erlernen und die Verstetigung der gewünschten Verhaltensmuster. Zumal das Abrufen einer Gewohnheit einem Flow gleichkommt, der Sorgen und Ängste ausschließt.
Doch wie können neue Gewohnheiten entwickelt werden? Positive Gewohnheiten vereinen die im Folgenden beschriebenen Erfolgsprinzipien. Anders formuliert: Wenn diese Prinzipien beherzigt und angewendet werden, stellen sich Gewohnheiten ein, welche die langfristig wirksamste Methode zur Erreichung persönlicher Ziele und mehr Selbstwirksamkeit darstellen.
1. Fokus
„Sonnenstrahlen brennen erst, wenn sie fokussiert werden“, sagte Alexander Graham Bell, britischer und später US-amerikanischer Sprechtherapeut, Erfinder und Großunternehmer. In Zeiten von Social Media und unzähligen Optionen ist die Fokussierung auf das Wesentliche von entscheidender Bedeutung, um Bestleistungen in einer Disziplin zu erzielen und zufrieden zu sein. Alles andere kann ausgeblendet oder muss sogar „geopfert“ werden.2. Wille
Der Wille, ein Ziel zu erreichen, ermöglicht eine Fokussierung und das Ignorieren alternativer Optionen. Er ist unsere zentrale Antriebskraft und funktioniert wie ein Muskel: Er kann nicht dauerhaft so ausgeprägt sein, wie wir es wünschen, er braucht Erholungen. Daher heißt es: nicht aufgeben, sondern vorausplanen – für die Zeit, wenn der „Wille-Muskel“ wieder leistungsfähig ist. Der Wille wird unter anderem durch folgende Faktoren positiv beeinflusst:
- Sinn: Je mehr Sinn wir in einer Sache sehen, umso größer ist der Wille. Studien haben gezeigt, dass Abnehmen besser funktioniert, wenn man auch einen medizinischen Sinn im Abnehmen sieht und nicht nur einen kosmetischen.
- Gesellschaft: Als soziale Wesen fällt uns Veränderung häufig leichter und wir haben mehr Freude, wenn wir Dinge gemeinsam angehen.
- Ausgeglichenheit: Stress würde den Willen für langfristige Ziele und mehr Produktivität (im Vergleich zu kurzfristigen Wohltaten) schwächen und eventuell in alte negative Gewohnheiten zurückführen. Meditationen helfen, Stress zu vermeiden.
3. Wiederholungen
Man wird, was man wiederholt! Unsere Neuronen sind definitiv erziehbar und können gewünschtes Verhalten verstetigen. Je mehr wir von einer Sache machen, umso einfacher können wir später gleiche und ähnliche Tätigkeiten ausführen. Wiederholungen wirken nicht sofort, aber sie potenzieren sich über die Zeit. Seitdem der Schönheitschirurg Maxwell Maltz feststellte, dass es durchschnittlich 21 Tage brauchte, bis seine Patientinnen und Patienten sich an ihre neue Nase gewöhnten, wird häufig davon ausgegangen, dass es 21 Wiederholungen bedarf, um eine neue Gewohnheit zu entwickeln. Viele Studien wurden inzwischen durchgeführt, um herauszufinden, ob diese Zahl auch für andere Adaptionsvorgänge richtig ist. Bisher konnte kein Konsens unter den Wissenschaftlern erzielt werden – auch weil eine Messung der Gewohnheitsentwicklung nicht dem Schema null/eins beziehungsweise nichtentwickelt/entwickelt gehorcht. Die Anzahl von Wiederholungen variiert zudem von Person zu Person, der Art der Gewohnheit sowie der Taktung der Wiederholungen (zu lang gewählte Abstände sind weniger effektiv). Entscheidend ist also, dass man dranbleibt!
4. Einfacher Start
Um neue Gewohnheiten zu bilden, müssen wir in der Lage sein, Neues zu lernen und Altes zu verlernen. Insbesondere die ersten Schritte sollten nicht zu schwer sein, damit „der Stein ins Rollen kommt“ und die Motivation nicht schwindet. Wenn wir das Ziel haben, gesünder zu leben, können wir damit anfangen, 21 Tage lang zwei Liter Wasser zu trinken, indem wir eine wiederauffüllbare Flasche Wasser gut sichtbar auf den Schreibtisch stellen. Detailliertere Gewohnheiten, die das gleiche Ziel fördern, wie zum Beispiel gesund und vielseitig kochen, können dann später ergänzt werden, wenn der erste Erfolg erzielt wurde.
5. Reize
Für eine Verhaltensänderung müssen wir Reize hierzu verspüren. Reize, damit wir anfangen, und Reize, damit wir dranbleiben. Externe Impulse und Erinnerungen sind hierfür äußerst wichtig. Coaches können gerade zu Beginn eines Lernprozesses wertvollen Input geben. Um die Verbindlichkeit zu erhöhen, kann auch ein Freund oder eine Freundin in den Lernprozess integriert werden. Eine Fitness-Gewohnheit zum Beispiel kann man auch gemeinsam entwickeln. Wir sollten aber nicht unterschätzen, wie stark unser unmittelbares Umfeld uns leitet. Die Schokolade auf dem Tisch, die Social-Media-App auf dem Display oder der große und gut sichtbare Fernseher im Wohnzimmer. Wir sollten unsere Umgebung also möglichst von negativen Einflüssen befreien und positive Trigger integrieren. So kann das Buch, das wir schon lange lesen wollten, die Schokolade auf dem Tisch ersetzen. Ebenso bieten sich Erinnerungen mittels Notizzettel oder Handy an.
6. Belohnungen
Spätestens seit dem Pawlow’schen Hund – ein Experiment des russischen Forschers und Nobelpreisträgers für Medizin Iwan Petrowitsch Pawlow zum Nachweis der klassischen Konditionierung – wissen wir, dass Belohnungen Verhalten verstärken. Belohnungen können sein: ein gutes Essen, ein schöner Ausflug oder Ähnliches. Die konkrete Belohnung muss im Kontext individueller Vorlieben definiert werden und ist flexibel. Wir können die Belohnung aber auch thematisch passend wählen. Wenn es das Ziel war, kreativer zu werden, und wir haben hierfür 21 Tage lang oder 21-mal eine Kreativtechnik angewendet, können wir uns mit dem Besuch einer Kunstgalerie belohnen.
John D. Rockefeller sagte: „Ziele ohne Gewohnheiten sind bloß Wünsche. Gewohnheiten ohne Ziele sind ohne Zweck.“
Na, dann los!
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