Wie werden Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit abgegolten und rechtfertigt außerdienstliches Verhalten eine Kündigung? Diese Urteile sollten Sie kennen.
1. Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit können unter bestimmten Voraussetzungen pauschal abgegolten werden
Eine pauschale Überstundenabgeltung in Formulararbeitsverträgen zu vereinbaren, kann unwirksam sein. Das gilt, wenn die Höchstarbeitszeit nach dem ArbZG überschritten wird oder wenn ein durchschnittlicher Arbeitnehmer nicht absehen kann, welche Arbeitsleistung er für die Bruttovergütung schuldet. Das ist spätestens seit dem Urteil des BAG vom 22. Februar 2012 klargestellt. Nun hatte das BAG in seinem Urteil vom 26. Juni 2019 auch zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen eine pauschale Überstundenabgeltung in einer Betriebsvereinbarung wirksam ist.
Das BAG fordert zum einen, dass das Gebot der Normenklarheit in der Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Überstundenabgeltung eingehalten wird. Im konkreten Einzelfall kritisierte das BAG, dass mit dem Differenzierungsmerkmal „regelmäßige Überstundenerbringung“ ein unbestimmter und auslegungsbedürftiger Rechtsbegriff verwendet wird und nicht eindeutig erkennbar ist, wann dieses Merkmal erfüllt ist. Im Ergebnis stellt das BAG somit einen ähnlichen Bewertungsmaßstand wie bei der Überstundenabgeltung in Formulararbeitsverträgen auf. Des Weiteren fordert das BAG, dass die pauschale Überstundenabgeltung in der Betriebsvereinbarung den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet.
Ist die Überstundenabgeltungsklausel im Formulararbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung unwirksam, richtet sich die Rechtsfolge nach § 612 BGB. Eine Pflicht, die Überstunden zu vergüten folgt daraus nicht unmittelbar. Maßgeblich ist vielmehr, ob hinsichtlich der Überstunden eine berechtigte Vergütungserwartung besteht.
Entgegen anderslautender früherer Ansätze lässt sich der Entscheidung des BAG vom 26. Juni 2019 entnehmen, dass trotz vereinbarter Vertrauensarbeitszeit Überstunden geltend gemacht werden können und möglicherweise ein Anspruch auf deren Vergütung besteht. Das BAG erkennt in der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nur, dass der Arbeitgeber darauf verzichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festzulegen und darauf vertraut, dass die vereinbarte Arbeitszeit ohne Kontrolle eingehalten wird.
Auswirkungen auf das Entstehen von Überstunden und eine diesbezügliche Vergütungserwartung hat die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht.
2. Betriebsrat darf Gehaltslisten einsehen, die nicht anonymisiert sind
Der Betriebsrat soll laut § 80 BetrVG unter anderem überwachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge eingehalten werden. Dafür hat er Anspruch auf Vorlage der erforderlichen Unterlagen; so ist ihm auf Verlangen eine Liste über die Bruttogehälter auszuhändigen. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat in seinem Beschluss vom 15. Mai 2019 bestätigt, dass der Betriebsrat eine nicht anonymisierte Vorlage der Listen beanspruchen kann. Das wurde damit begründet, dass die Inhalte der Aufgabenerfüllung eine konkrete Zuordnung zwischen Arbeitnehmer und Bruttovergütung erforderlich machen. Es wurde zudem entschieden, dass die datenschutzrechtlichen Vorgaben der EU-DSGVO dem Einsichtsrecht nicht entgegenstehen.
3. Kann außerdienstliches Verhalten eine Kündigung rechtfertigen?
Grundsätzlich ist außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers nicht kündigungsrelevant. Erst wenn sich dieses negativ auf den Betrieb auswirkt oder einen Bezug zu den arbeitsvertraglichen Pflichten aufweist, nimmt die Rechtsprechung einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund an. Eine Kündigung kann daher zum Beispiel unwirksam sein, wenn sie auf ein Fehlverhalten außerhalb des Diensts und eine diesbezügliche mediale Berichterstattung gestützt wird, in der auch der Namen des Arbeitgebers genannt wird. Das gilt jedenfalls, sofern der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht nach außen repräsentiert und der mediale Bezug auf den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer nicht vorhersehbar war. Das hat das LAG Niedersachsen hat in seinem Urteil vom 21. März 2019 entschieden.
4. Betriebsrat muss Überstunden zustimmen
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich einer vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu. Dieses Recht ist sowohl zu beachten, wenn Überstunden ausdrücklich angeordnet werden, als auch wenn sie geduldet werden. Laut Beschluss des LAG München vom 21. März 2019 kommt es für das Mitbestimmungsrecht zudem nicht darauf an, dass dem Arbeitgeber die Ableistung von Überstunden bekannt ist. Auch eine ihm verborgen gebliebene Arbeitszeitverlängerung ist mitbestimmungspflichtig und kann Grundlage eines Unterlassungsanspruchs sein.
5. Keine Zustimmung zur Lohnkürzung durch Schweigen des Arbeitnehmers
Nur in Ausnahmefällen wertet der Rechtsverkehr Schweigen als eine Willenserklärung. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat diesen Rechtsgrundsatz in seinem Urteil vom 2. April 2019 für den arbeitsvertraglichen Kontext konkretisiert.
Es bestätigt, dass das Schweigen eines Arbeitnehmers bei einem für ihn nachteiligen Änderungsangebot nicht die Bedeutung einer Willenserklärung erlangen kann. Das gilt jedenfalls solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind.