Werden Mitarbeiter ins Ausland entsendet, wird das Thema Sicherheit oft zu wenig behandelt. Dabei können durch Prävention und ein professionelles Krisenmanagement viele Zwischenfälle vermieden werden. Und die Personaler können sich als Kümmerer etablieren.
Für Jens Raslof*, seine Frau und die beiden Kinder war es ein spannender Lebensabschnitt. Für drei Jahre sollte er mit seiner Familie nach Rio de Janeiro, um die dortige Niederlassung eines mittelständischen, deutschen Maschinenbauunternehmens zu leiten. Nach der Ankunft überwog zunächst die Faszination für das südamerikanische Land. Doch Berichte über Raubüberfälle auf der Straße, die in Expatkreisen abends erzählt wurden, führten zu einer gewissen Beunruhigung bei der Familie Raslof. Jens Raslof war überrascht, dass ein deutscher Großkonzern für seine Expats umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen implementiert hatte, sein Arbeitgeber jedoch nicht. Auf diese Unterschiede angesprochen war die Antwort seiner HR-Abteilung ernüchternd: „Wir sind halt kein DAX-Konzern.“
Fürsorgepflicht
Die oben aufgeführte Aussage führt zu der Frage, ob ein Unternehmen aufgrund seiner Größe einer Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern unterliegt. Die Antwort: die gesetzliche Fürsorgepflicht orientiert sich an den Risiken, welchen Mitarbeiter vor Ort ausgesetzt sind – nicht an der Unternehmensgröße.
Nicht in jedem Land sind dieselben Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Auch innerhalb Lateinamerikas gibt es unterschiedliche Risikoausprägungen. Während in den brasilianischen Metropolen bei einem Raubüberfall die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gering ist – hier kann es schon ausreichen, dass der Täter das Gefühl hat, dass das Opfer zu langsam aus dem Fahrzeug steigt – ist zum Beispiel in Mexiko die Hemmschwelle höher.
Die gesetzliche Fürsorgepflicht fordert in Bezug auf Auslandsaktivitäten folgendes:
- Der Mitarbeiter ist nachweislich auf Risiken hinzuweisen, die ihn vor Ort erwarten. Oftmals unterbleibt dies seitens der Firmen nicht nur aufgrund mangelnden Wissens, sondern auch aus Sorge, den Mitarbeiter zu verschrecken.
- Der Umfang der Sicherheitsmaßnahmen nimmt zu, je fremder das Land beziehungsweise die Kultur ist und je höher die Gefahren in dem Land.
Wissen um Gefahren und die richtige Verhaltensweise kann Leben schützen. Besser ist es natürlich, wenn es durch präventive Maßnahmen erst gar nicht zu einem Zwischenfall kommt.
Präventive Maßnahmen können Risiken erheblich minimieren
Unternehmen und Mitarbeiter können viel für ihre Sicherheit im Ausland tun – vorausgesetzt sie verfügen über das erforderliche Wissen und sind sensibilisiert. Über 90 Prozent der Zwischenfälle im Ausland sind durch entsprechende Vorbereitung und sicherheitsbewusstes Verhalten vermeidbar.
Der Schutz beginnt bereits vor der Entsendung. Mitarbeiter informieren sich nur selten über die Sicherheitslage am Reiseziel. Oftmals werden allenfalls die Internetseiten des Auswärtigen Amtes oder des US Außenministeriums überflogen. Doch den staatlichen Länderinformationen fehlen in der Regel Detailinformationen wie zum Beispiel zu gefährlichen Stadtteilen, sicheren Hotels und Taxen sowie die Tagesaktualität der Informationen. Ein professionelles Länderinformationssystem schließt hier die Wissenslücken und ist auf das Informationsbedürfnis des Geschäftsreisenden spezialisiert. Zudem wird es rund um die Uhr aktualisiert. Dem Mitarbeiter und Unternehmen bleibt die zeitintensive Internetrecherche erspart, denn die Daten sind auf Knopfdruck abrufbar oder können zeitgleich mit den Reisedaten zugestellt werden.
Firmen sollten Expatriats und ihre Familienangehörige sowie Geschäftsreisende für das sicherheitsgerechte Verhalten im Ausland schulen. Themen wie Entsendungsvorbereitung, unauffälliges Verhalten, Gefahrenwahrnehmung und Verhalten in verschiedenen Situationen werden praxisnah – auch in Rollenspielen – behandelt. Wer im Training schon einmal einer Überfallsituation wie einem Carjacking ausgesetzt war, ist auf den Ernstfall vorbereitet.
Ein häufiger Grund für den frühzeitigen Abbruch von Entsendungen ist das Sicherheitsempfinden der Familie. In einem Fall wurde die Ehefrau eines Expats in Südafrika in ihrem Wohnhaus überfallen und tätlich angegriffen. Eine Analyse des Vorfalls zeigte, dass es kaum Zugangskontrollen zur „Gated Community“ gab und der Sicherheitsdienst sein Personal nicht einmal mit Funkgeräten und Fahrzeugen für Patrouillenfahrten ausgestattet hatte, obwohl der Vertrag dies vorsah. Durch eine Schwachstellenanalyse vor Ort können Risiken frühzeitig erkannt und minimiert werden. Diese sollte durch Backgroundchecks zum Hauspersonal ergänzt werden, denn häufig sind Innentäter, zumindest durch die Informationsweitergabe, Teil des Risikos.
Werden Mitarbeiter durch eine Naturkatastrophe (z.B. Erdbeben) überrascht oder Opfer eines Verbrechens, greift das so genannte Krisenmanagement. Es bereitet unter anderem auf folgende Fragen vor: Wie kann der Mitarbeiter in Notsituationen auch am Wochenende schnelle Hilfe erhalten? Wie kann sichergestellt werden, dass das Unternehmen nicht erst durch eine Medienanfrage vom Vorfall im Ausland erfahren? Arbeitsrechtler vertreten die Auffassung, dass selbst kleinen Firmen der Betrieb einer 24stündigen Notfallhotline zuzumuten ist.
Wenn Unternehmen über keinerlei Mechanismen zur Krisenreaktion verfügen, sind die Folgen – auch medial – katastrophal, wie beispielsweise bei einem Leipziger Unternehmen, dessen Mitarbeiter 2006 im Irak entführt wurden. Trotz der Videoapelle von Familienangehörigen, die gerade bei religiös und politisch motivierten Tätern den „Wert“ einer Geisel steigern, überlebten die Geiseln glücklicherweise.
Professionelles Krisenmanagement bedeutet zudem dass das Unternehmen sich bereits im Vorfeld mit verschiedenen Worst-Case-Szenarien auseinandersetzt. Es werden Handlungsanweisungen erstellt und die Zusammenarbeit im Krisenstab trainiert. In der Krise kümmert sich der aktivierte Krisenstab um die Situation und verhindert, dass das gesamte Unternehmen von der Krise betroffen wird.
Gerade kleinere Unternehmen sehen häufig keinen Handlungsbedarf. „Wir machen das auf Zuruf“ so die verbreitete Auffassung. Dies ist fatal, denn in der Krise besteht keine Zeit für Experimente. Die Rolle der sozialen Medien und der damit verbundenen schnellen Kommunikation erhöht das Risikopotenzial.
Personalverantwortliche als „Kümmerer“
Mit einem professionellen Risikomanagement für Geschäftsreisen und Auslandsentsendungen kommen Unternehmen nicht nur ihrer Fürsorgepflicht nach. Auch bringen sie dem Mitarbeiter die notwendige Wertschätzung entgegen, schützen sich vor möglichen Rechtsklagen und leisten einen wichtigen Beitrag zum Reputationsmanagement.
Gerade Personalverantwortliche können sich mit dem Thema der Expat- und Geschäftsreisesicherheit im Unternehmen als „Kümmerer“ positionieren. Die Mitarbeiterfürsorge ist beim Kampf um die besten Köpfe ein wichtiges Entscheidungskriterium für Bewerber und Mitarbeiter.
*Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert.