Aktuelle Entwicklungen im Urlaubsrecht

Urlaubstage

Die klassischen Haupturlaubszeiten für Arbeitnehmer neigen sich in diesen Tagen langsam dem Ende zu. Arbeitnehmer verplanen ihre restlichen Urlaubstage sorgfältig, während Arbeitgeber darauf achten, keine Urlaubstage auf das nächste Kalenderjahr übertragen und in ihrer Bilanz erfassen zu müssen. In vielen Unternehmen ist die Inanspruchnahme des Urlaubs klar geregelt. Häufig gibt es Urlaubspläne, die zwischen den Arbeitsvertragsparteien und ggf. dem zuständigen Betriebsrat abgestimmt werden, so dass den Interessen aller Beteiligten ausreichend Rechnung getragen wird und die Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs an sich keine Probleme bereiten.

Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitgeber bei der Gewährung von Urlaub

In der Praxis wird heute in Arbeitsverträgen zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem darüber hinausgehend gewährten, weiteren (vertraglichen) Urlaub unterschieden. Diesbezüglich werden meist unterschiedliche Regelungen für die Möglichkeiten der Übertragung auf das folgende Kalenderjahr getroffen. Bei der üblichen Fünftagewoche beträgt der gesetzliche Jahresurlaub 20 Tage. Nicht selten erhöht sich dieser erheblich aufgrund tarifvertraglicher Vorschriften oder arbeitsvertraglicher Regelungen.

Es gibt wenige arbeitsrechtliche Themen, in denen es in den letzten Jahren so viele höchstrichterliche Rechtsprechung des EuGH oder des BAG gab. Ausgangspunkt der im Folgenden erläuterten aktuellen Entscheidungen waren zwei Entscheidungen vom 19.02.2019 (9 AZR 423/16; 9 AZR 541/15), in denen das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres bzw. eines zulässigen Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor auch in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub gleichwohl nicht genommen hat. Ausgangspunkt für die Übertragung von Urlaub auf das Folgejahr ist eine Regelung im Bundesurlaubsgesetz (§ 7 Abs. 3 BUrlG), wonach der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Weiter ist dort geregelt, dass eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur dann statthaft ist, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Wird der Urlaub in diesem Sinne auf das folgende Kalenderjahr übertragen, muss er in den ersten drei Monaten des Folgejahres gewährt und genommen werden.

Insbesondere für Unternehmen, die das Prozedere der Beantragung und Gewährung von Urlaub nicht strukturiert und abgestimmt mit den Arbeitnehmern und ggf. einem Betriebsrat durchführen, kann es zu erheblichen Nachteilen kommen, wenn Arbeitnehmer den ihnen zustehenden Urlaub – aus unterschiedlichen Gründen – nicht während des Kalenderjahres nehmen. Denn das Bundesarbeitsgericht hat in den Entscheidungen vom 19.02.2019 entschieden, dass der befristete Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr bzw. auf die ersten drei Monate des Folgejahres im Sinne des Gesetzes (§ 7 Abs. 3 BUrlG) voraussetzt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch dazu aufgefordert hat, den diesem zustehenden Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums verfällt, wenn er nicht beantragt wird.

Diese Mitwirkungsobliegenheiten können durch den Arbeitgeber z.B. dadurch erfüllt werden, den Arbeitnehmern zu Beginn des Kalenderjahres – auch in Textform – mitzuteilen, dass sie den ihnen zustehenden Urlaub so rechtzeitig beantragen sollen, dass er innerhalb des laufenden Kalenderjahres genommen werden kann. Dies wird richtigerweise mit dem Hinweis verbunden, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn er nicht rechtzeitig in diesem Sinne beantragt wird.

Wenn diese Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten ordnungsgemäß erfüllt sind, wird davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen gesetzlichen Urlaub in Anspruch zu nehmen und ihn in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen dann eben teilweise nicht genommen hat, so dass dieser Teil am Ende des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraumes verfallen kann.

Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022 zum Verfall des Urlaubsanspruchs

In dem einen aktuellen Fall konnte ein Arbeitnehmer für viereinhalb Jahre wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit nicht ausüben und deshalb auch seinen Urlaub nicht nehmen. Er machte geltend, dass ihm noch Resturlaub aus dem Jahre 2014 zustehe und dieser nicht verfallen sei, weil der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten bezüglich der Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs im oben genannten Sinne nicht nachgekommen sei.

Nachdem das Verfahren vom Bundesarbeitsgericht ausgesetzt und die Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt worden war, entschied das Bundesarbeitsgericht am 20.12.2022 (9 AZR 245/19), dass der Verfall des Urlaubsanspruchs (gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG) in der Regel voraussetze, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Die Folge war, dass der für das Jahr 2014 noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch nicht mit Ablauf des 31.03.2016 als erloschen galt, weil der Arbeitnehmer nach Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit außerstande war, diesen Urlaub anzutreten. Die Besonderheit dieses Falles lag unter anderem darin, dass der Arbeitnehmer nicht das ganze Jahr arbeitsunfähig erkrankt war, sondern erst arbeitete, bevor er dauerkrank wurde.

In seiner weiteren Entscheidung vom 20.12.2022 (9 AZR 401/19) hat das Bundesarbeitsgericht gleichwohl noch einmal klargestellt, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch eines seit Beginn des Urlaubsjahres bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erlischt. Anders als im Fall der Dauerkrankheit während des ganzen Jahres verfällt der Urlaub in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer während eines laufenden Urlaubsjahres erkrankt und vorher tätig war, nur dann 15 Monate nach Ende dieses Urlaubsjahres, wenn der Arbeitgeber seine Hinweisobliegenheiten rechtzeitig erfüllt hat, so dass der Arbeitnehmer den Urlaub noch vor der Erkrankung hätte nehmen können. Unter diesen Voraussetzungen liegen besondere Umstände vor, die die Befristung des Urlaubsanspruchs zum Schutz eines überwiegenden Interesses des Arbeitgebers vor dem unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen rechtfertigen, obwohl es dem erkrankten Arbeitnehmer nicht möglich war, den Urlaubsanspruch zu verwirklichen.

Eine Sonderkonstellation war Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2023 (9 AZR 107/20). Hier war der Arbeitnehmer vom 18.01.2016 durchgängig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Februar 2019 erkrankt. Der Arbeitnehmer machte die Abgeltung des vollen Jahresurlaubes von 30 Tagen für das Jahr 2016 geltend, der Arbeitgeber hatte seine Mitwirkungsobliegenheiten in diesem Jahr nicht erfüllt. Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht, dass der Urlaubsanspruch bei fortdauernder Krankheit mit Ablauf eines Übertragungszeitraums 15 Monate nach Ende dieses Urlaubsjahres verfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber tatsächlich nicht möglich war, zuvor seine Obliegenheiten zu erfüllen.

Abänderung der Verfallgrundsätze durch Regelungen mit dem Arbeitnehmer möglich?

Hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs sind die Grundsätze seines Verfalls einseitig zwingend, so dass dementsprechend nachteilige Regelungen zu Lasten von Arbeitnehmern weder arbeitsvertraglich noch tariflich erlaubt sind. Anders verhält es sich allerdings bei dem tariflichen oder arbeitsvertraglichen Mehrurlaub. Hier sind abweichende Regelungen möglich und zulässig. Fehlt eine solche Sonderregelung hinsichtlich dieses Teils des Urlaubs, ist von einem Gleichlauf des Mindesturlaubs und des Mehrurlaubs auszugehen, was in den geschilderten Fällen mit Nachteilen für Arbeitgeber verbunden sein kann.

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Grundsätzlich gilt für Urlaubsansprüche die Regelverjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB). Danach tritt die Verjährung drei Jahre ab Ende des Jahres ein, in dem der Anspruch entstanden ist und der Arbeitgeber Kenntnis davon erlangt hat.

Zur Verjährung von Urlaubsansprüchen entschied das Bundesarbeitsgericht in seinem weiteren Urteil vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) in Umsetzung der vorausgegangenen Rechtsprechung des EuGH, dass diese Vorschriften über die Verjährung zwar auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung finden, die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren allerdings nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war der Arbeitgeber wiederum seinen Mitwirkungsobliegenheiten in oben genannten Sinne nicht nachgekommen. In diesem Fall waren die Urlaubsansprüche trotz des Zeitauflaufs aufgrund der Nichterfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheiten nach Ablauf von drei Jahren nicht verjährt.

Fazit

Arbeitgeber sollten ihren Mitwirkungsobliegenheiten im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaub nachkommen, um Nachteile insbesondere in den Fällen zu vermeiden, in denen der Urlaub ganz oder teilweise nicht genommen werden kann. Andernfalls kann eine – zumindest teilweise – Kumulation der Urlaubsansprüche, weil sie (teilweise) weder verfallen noch verjähren.

Es mag noch ein schwacher Trost in diesem Zusammenhang sein, dass das Bundesarbeitsgericht klarstellte, dass ein aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch weiterhin der regelmäßigen Verjährung unterliegt (BAG vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20).

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Markus Künzel ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner und Leiter der Practice Group Arbeitsrecht der Kanzlei ADVANT Beiten in München.

Markus Künzel

Markus Künzel ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner und Leiter der Practice Group Arbeitsrecht der Kanzlei ADVANT Beiten in München. Er berät nationale und internationale Unternehmen in allen Belangen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Dazu gehören insbesondere Fragen der Gestaltung von Arbeitsbedingungen wie der Vergütung.

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