Das Arbeitgeber-Bewertungsportal Glassdoor gibt es nun auch in Deutschland. Doch die Amerikaner wollen mehr sein als nur ein zweites Kununu. Produktmanagerin Sonja Perry darüber, was Glassdoor hierzulande erreichen will und wie sie mit erster Kritik umgegangen sind.
Frau Perry, seit Mitte Januar ist Glassdoor in Deutschland. Mit welcher Zielsetzung sind Sie in den deutschen Markt gegangen?
Wir wussten schon im Vorfeld, dass in Deutschland aber auch generell außerhalb der USA ein sehr großes Interesse besteht. Gut 25 Prozent unseres Traffics kamen schon vor dem Deutschland-Launch von außerhalb. Außerdem hatten wir schon rund 30.000 Inhalte, also Bewertungen, Vorstellungsgespräche, Gehälter und so weiter, die für deutsche Unternehmen eingestellt wurden. Die Nutzer hatten auf Englisch ihre Bewertungen abgegeben und wir haben diese dann ins Deutsche übersetzt. Wir hoffen jetzt, dass sich durch diese Basis immer mehr Nutzer für Glassdoor begeistern und so die Community befördern. Wir verstehen uns als Karriere- und Job-Community. Glassdoor hat insgesamt 27 Millionen Mitglieder und da entsteht oft organisches Wachstum. Das erwarten wir auch für Deutschland.
Der Startpool von Bewertungen, den Sie angesprochen hatten, betraf er dann amerikanische Niederlassungen deutscher Unternehmen oder die Standorte hierzulande?
Das betraf nur deutsche Standorte. Wir haben natürlich auch Bewertungen für Standorte in den USA, die stehen auch jetzt noch in Englisch auf der deutschen Seite zur Verfügung. Wenn sich ein deutscher Nutzer eine englische Bewertung anschauen möchte, dann kann er sie sich über ein Feature direkt mit dem Google-Translator übersetzen lassen. Das ist aber natürlich ein anderer Prozess, als der, mit dem wir die anderen Bewertungen übersetzt haben. Dafür hatten wir professionelle Übersetzer.
Wie zufrieden sind Sie mit den ersten Wochen von Glassdoor in Deutschland?
Wir sind sehr zufrieden. Unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen. Wir sehen ein sehr starkes Wachstum bei den Seitenaufrufen generell und auch bei den Inhalten, die abgegeben werden.
Man könnte aber auch sagen, dass der Start in bestimmten Bereichen etwas holprig verlief. Zumindest gab es einige Kritik aus Bloggerkreisen. Da wurde beispielsweise angesprochen, dass die Job-Aggregation nicht sauber läuft, dass Stellenanzeigen zerschnitten dargestellt werden und auch, dass man im Bewerbungsprozess auf Webseiten von Dritten umgeleitet wird und mitunter recht viele Daten preisgeben musst.
Ja, das waren sehr wichtige Kritikpunkte. Wir haben mittlerweile auch mit Stefan Scheller gesprochen, der diesen Blogbeitrag verfasst hat, den Sie gerade angesprochen haben (Red.: zu finden auf persoblogger.de). Sein Hauptpunkt war ja, dass er auf einer Drittanbieterseite sehr viele Daten preisgeben musste und dann den Schluss gezogen hat, dass Glassdoor in großem Stil Daten sammelt. Das ist aber absolut nicht der Fall. Wir sind eine Metajobbörse. Das heißt, wir bieten auch Jobs von anderen Jobbörsen an, mit denen wir Partnerschaften eingegangen sind. Stepstone beispielsweise oder auch Experteer. Wir tun das nicht, um Daten zu sammeln, sondern um den Nutzern die bestmögliche Nutzererfahrung zu bieten. Wenn ein Bewerber auf einer Drittanbieterseite Daten abgibt, kommen die nicht zu uns.
Sie haben zum Start mit 500.000 Jobangeboten geworben. Wie haben Sie diesen Pool aufbauen können? Es ist ja so, dass gerade bei begehrten Stellen die Ausschreibungen eine relativ kurze Halbwertszeit haben.
Zum einen nutzen wir – wie gesagt – andere Jobbörsen als Partner. Zum anderen ist es aber auch so, dass Unternehmen über ihre Karriereseiten direkt Jobs bei uns bereitstellen. Die Verteilung von Direktjobs und Jobs über Jobbörsen hält sich ungefähr die Waage. Die Jobs, die wir von Unternehmen erhalten, sind dann auch die, bei denen der Nutzer, wenn er auf den Bewerbe-Button klickt, gleich auf die Unternehmenswebseite weitergeleitet wird und sich dann auch direkt beim Unternehmen bewerben kann.
Ein Aspekt von Glassdoor ist, dass Sie im Gehaltsbereich für mehr Transparenz sorgen wollen. Woher kommen diese Daten und wie können Sie sicher sein, dass diese valide sind?
Dafür haben wie ein deutschsprachiges Moderationsteam und das ist einer der Grundpfeiler unserer Philosophie. Wir wollen Transparenz auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Für diese Transparenz brauchen wir aber auch Anonymität. Das gilt vor allem bei Gehältern – darüber zu sprechen war und ist bisher ein Tabuthema. Um beides zu gewährleisten, haben wir verschiedene Moderationsprozesse, die uns ermöglichen, zu prüfen, ob die Beiträge wirklich gerechtfertigt sind. Man muss jedoch auch beachten, dass es sich um eine Dienstleistung im Crowdsourcing handelt. Wir leben von der Community. Durch die Moderation können wir sicherstellen, dass unsere Richtlinien eingehalten werden. Das ist für uns einer der wichtigsten Punkte.
Aber es besteht schon ein gewisses Risiko, dass der Rekruter im Bewerbungsgespräch mit Erwartungen konfrontiert wird, die das Unternehmen so nicht erfüllen kann oder will, weil der Bewerber beispielsweise bei Glassdoor gelesen hat, dass es für diese Position 50.000 Euro Einstiegsgehalt gibt. Das ist doch ein Punkt, der ja gerade durch diese Anonymität nicht ausgeschlossen werden kann.
Ja, aber man darf nicht vergessen, dass man sich bei Amazon auch nicht nur die eine Bewertung anschaut, bei der alles super und perfekt ist, sondern auch andere Bewertungen und dann den Wert nimmt, der am sinnvollsten ist. In der Regel schauen sich unsere Nutzer vier bis sieben Bewertungen an, bevor sie sich eine Meinung bilden. Das Prinzip basiert darauf, dass man sich nicht nur an einer Bewertung orientiert, sondern sich umfassend über ein Unternehmen informieren kann, beispielsweise wie ein Vorstellungsgespräch abläuft oder eben wie viel man verdienen kann. Das heißt jetzt aber nicht, dass der Bewerber automatisch erwartet, das gleiche Gehalt zu bekommen. Schließlich gibt es verschiedene Standorte, verschiedene Positionen. Das muss natürlich mitbeachtet werden, und da appellieren wir auch an unsere Nutzer.
Welche Einflussmöglichkeiten haben Unternehmen, in diese Quasi-Markenbildung mit einzusteigen?
Glassdoor ist in Deutschland komplett kostenfrei – für Arbeitnehmer wie auch für Arbeitgeber. Für Unternehmen gibt es kostenlose Arbeitgeberprofile, für die sie sich anmelden können. Dafür muss der entsprechende Mitarbeiter jedoch eine bestimmte Position im Unternehmen innehaben, beispielsweise in der Personalabteilung oder im gehobenen Management. Hier haben wir einen stärkeren Moderationsprozess, um sicherzustellen, dass auch wirklich die Befugnis besteht, für das Unternehmen repräsentativ ein Konto zu erstellen.
Was ermöglichen diese Profile?
Arbeitgeber können hier zum Beispiel Fotos hochladen oder gewonnene Auszeichnungen angeben. Und sie können dann natürlich auch auf die Arbeitnehmer-Bewertungen antworten. Wir möchten, dass die Arbeitnehmer und Arbeitgebern sich auf Augenhöhe austauschen können, und dazu gehört natürlich auch, dass die Unternehmen reagieren können. Zudem kann der Arbeitgeber, wenn er eine Bewertung unangemessen findet, diese ans Moderationsteam weiterreichen. Wenn diese dann gegen unsere Richtlinien verstößt, würden wir sie gegebenenfalls von der Seite nehmen. Das heißt aber nicht, dass wir negative Bewertungen entfernen, nur weil das Unternehmen sie nicht sehen will. Es geht uns darum, ein ausgeglichenes und authentisches Bild sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber zu schaffen. Dazu gehören auch Vor- und Nachteile, deren Benennung wir auch einfordern.
Ich stelle es mir schwierig vor, ein passendes Maß zu finden, ab wann ein Beitrag zu tendenziös ist. Haben Sie einen konkreten Katalog, nach dem das Moderationsteam geht, oder ist das eine Ermessenssache?
Wir haben einen sehr strengen Verhaltenskodex mit Richtlinien, die auch für die Nutzer einsehbar sind. Beispielsweise darf niemand beim Namen genannt werden, außer es handelt sich um öffentliche Personen. Ich dürfte zum Beispiel nicht über meinen direkten Vorgesetzten schreiben, egal ob positiv oder negativ. Ich darf mich aber auch nicht selbst beim Namen nennen. Auch Hasstiraden sind tabu.
Wie haben Unternehmen auf die Ankunft von Glassdoor reagiert, welches Feedback haben Sie bekommen?
Das war bisher wirklich sehr positiv. Wir haben schon einige Anfragen von Unternehmen bekommen, die unser Portal sehr interessant fanden. Wie gesagt, wir verkaufen in Deutschland nicht. In den USA haben wir auch erweiterte Profile, die von Arbeitgebern erworben werden können. Das ist in Deutschland noch nicht geplant. Uns ist es hier sehr wichtig, eine starke Community zu schaffen und erst einmal die Inhalte zu liefern und so ein attraktives Produkt für Arbeitgeber zu schaffen. Und bisher ist die Reaktion sehr positiv ausgefallen.
Wie lang, denken Sie, wird es dauern, bis Sie mit der Community soweit sind, dass Sie eine valide Basis haben, mit der Sie arbeiten können und diese erweiterten Profile auch für Deutschland ein Thema werden?
Das steht bisher wirklich noch nicht auf dem Programm. Für uns steht erst einmal im Vordergrund, dass die Seite gut für den Nutzer funktioniert. Dazu gehört auch, dass wir auf Feedback eingehen, wie das, über das wir vorhin gesprochen haben. Einige Änderungen haben wir auch schon vorgenommen.
Es gibt ja gerade im HR-Bereich mitunter die Befürchtung, dass die Arbeitgeber-Bewertungsplattformen den Unternehmen die Hoheit über ihre Arbeitgebermarke streitig machen. Wie sehen Sie das, hat man sich da vielleicht auch ein bisschen überrennen lassen von den Möglichkeiten des Web 2.0?
Das glaube ich nicht. Gerade Bewertungsportale können sehr hilfreich für Unternehmen sein, die dadurch die Möglichkeit haben, sich noch öffentlicher an Top-Bewerber zu richten. Die Arbeitgeber könnten sich über ihre Konten zum Beispiel auch Analysen anschauen, wie ihre Mitbewerber abschneiden, wie viele Bewerber sich die Seite anschauen im Vergleich zu einem anderen Unternehmen, oder wo die Bewerber herkommen. Für Unternehmen selbst bedeutet das ebenfalls sehr viel mehr Transparenz, die natürlich auch dafür verwendet werden kann, die Arbeitgebermarke zu stärken.
Aber es ist ja schon so, dass aus dem ursprünglichen Dialog fast so etwas wie ein Gruppengespräch geworden ist. Jetzt ist ein drittes Element hinzugekommen, über das man als Arbeitgeber keine direkte Kontrolle mehr hat. Ist das vielleicht nicht auch ein Grund, warum man da etwas unsicher ist?
Das denke ich eigentlich nicht. Unternehmen haben ja die Möglichkeit, direkt auf Kritik zu reagieren und sie zu reflektieren, um Veränderungen im Unternehmen einzuleiten.
Was meinen Sie, wie wird sich das Feld im weitesten Sinne entwickeln? Wie wird es weitergehen mit der Art und Weise, wie wir unsere Arbeitgeber zukünftig bewerten?
Die Social Media allgemein sind heutzutage einfach sehr wichtig und gehören zum Alltagsleben dazu. Das war für uns auch der Grund, warum wir direkt zum Deutschland-Launch eine Android- und iOS-App bereitgestellt haben. Rund 45 Prozent unserer Nutzer kommen über die mobilen Seiten zu uns. Dadurch sieht man schon, dass die Web2.0-Generation einfach sehr wichtig ist und einbezogen werden muss.