Feedback in Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Immer mehr Prozesse werden digital umgesetzt – vom Mitarbeitergespräch über das 360°-Feedback bis hin zur Mitarbeiterbefragung. Doch analoge Verfahren haben damit lange noch nicht ausgedient. Die Zukunft liegt in einer Kombination aus analog und digital. Ein Überblick.
Der Generation Y und anderen jungen Generationen wird nachgesagt, dass sie besonders häufig und besonders kontinuierlich Feedback einfordern. Auch unabhängig von der Erwartung unterschiedlicher Generationen haben sich Feedback-Instrumente in den vergangenen Jahren sehr professionalisiert: Das führt beispielsweise dazu, dass in großen Firmen wie den Stadtwerken München mit beinahe 10.000 Mitarbeitern alleine für Führungskräfte eine umfangreiche Feedback-Landschaft entsteht. Dabei wird heutzutage oftmals eine größtmögliche Digitalisierung als Best Practice Case dargestellt – je digitaler desto besser. Das mag bei vielen Geschäftsprozessen in Bezug auf Automatisierung und Ressourceneinsparung stimmen, doch ist das auch bei Feedback-Prozessen zutreffend? Geht es nicht gerade bei Feedback-Prozessen in Unternehmen um Möglichkeiten des Austauschs und der Begegnung, die von Qualität und Tiefe statt von Standardisierung geprägt sein sollten?
Prozessperspektive auf Feedback-Instrumente
Feedback-Instrumente sind aus Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Dabei lassen sich die gängigen Instrumente in digitale und analoge Verfahren sowie in Mischformen untergliedern. Eine Unterscheidung in den Prozess des Feedbacks an sich und der Arbeit mit den Ergebnissen ist hier hilfreich, da der Prozess an sich oftmals bereits digitalisiert ist. Die Arbeit mit den Ergebnissen ist jedoch in vielen Firmen noch ein analoger Prozess, der mit Hilfe von Workshops und anderen Live-Events als Folgeprozess – oft mit beträchtlichem Zeitabstand zur Befragung – gestaltet wird.
Ursprünglich war die Funktion von Mitarbeiterbefragungen und Instrumenten zum Führungs-Feedback, einen Dialog in Bereichen und zu Themen eines Unternehmens herzustellen, den es ohne dieses Instrument nicht oder zumindest nicht in strukturierter Weise geben würde. Dazu gehören sowohl Themen der direkten Führung als auch zu strategischen Unternehmensentscheidungen, in den Blue Collar-Bereichen – beispielsweise in der Produktion. Oftmals sind es aber auch ganz konkrete Themen zu Einflüssen am operativen Arbeitsplatz. Das Feedback solcher Instrumente ist also in der Regel ein Aufwärts-Feedback, das ganz generell den Kontakt zwischen Management und Mitarbeitern zu relevanten (meist vom Management vorgegebenen) Themen herstellt.
Unter Gesichtspunkten des Change Managements bewirkt schon die bloße Tatsache der Befragung bei den Mitarbeitern das Gefühl, Teil eines Prozesses und eines Kollektivs zu sein. Somit kann alleine dadurch das Commitment gesteigert werden. Allerdings funktioniert das nur solange die Teilnehmer einer Befragung auch das Gefühl haben, dass ihre Rückmeldungen aufgenommen und in den weiteren Prozess einbezogen werden. Das geschieht durch die Ergebnisrückmeldung und das gemeinsame Erarbeiten von Verbesserungsmaßnahmen. Diese zwei Schlüsselelemente einer erfolgreichen Befragung sind bei vielen Feedback-Verfahren die Schwachstellen: Rückmeldung zu den Befragungsergebnissen erfolgt mit zu großer Zeitverzögerung und inhaltlich verkürzt, Folgeprozesse passieren nicht oder mit zu wenig Aufmerksamkeit des Managements oder mit wenig systematischer Partizipation der Mitarbeiter. Diese Gefahr ist umso größer, wenn keine gute Verbindung zwischen der jeweiligen Befragung und den Steuerungselementen des Managements besteht, etwa durch Indizes, die in den Balanced Scorecards oder vergleichbaren Instrumenten eines strukturierten Zielmanagement-Systems auftauchen. Zur Unterstützung der Prozessschritte Ergebnisrückmeldung und Maßnahmenerarbeitung können die digitalen Möglichkeiten oftmals sinnstiftend genutzt werden.
Ein zweiter Nutzen von Befragungen ist für das Management eines Unternehmens, die aktuelle Lage im Unternehmen besser einschätzen zu können. Ist das Commitment der Mitarbeiter stark genug, wenn die Firma demnächst massive Umstrukturierungen vorsieht? Werden die Führungskräfte ihrer Führungsrolle gerecht oder besteht hier strategischer Entwicklungsbedarf? Je höher die Führungsebene, desto weiter entfernt sich das Management von den operativen Einheiten des Unternehmens und damit auch von den Erfahrungen und der Wahrnehmung der Mehrzahl ihrer Mitarbeiter. Feedback-Instrumente wie Mitarbeiter- und Pulsbefragungen können diese Lücke – zumindest grundsätzlich – systematisch schließen.
Ein dritter Nutzen besteht für das Management darin, sich mit der Innenperspektive auch nach außen vergleichen zu können. Wo steht die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter im Vergleich zu der von Mitbewerbern am Arbeitsmarkt? Können wir unsere Position für unser Employer Branding und für unser allgemeines Marketing nutzen? Dieser Aspekt gewinnt gerade aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs um hochqualifizierte Arbeitnehmer immer mehr an Bedeutung, wobei die Zielrichtung hier eindeutig nach außen geht und nicht primär die bestehenden Mitarbeiter im Fokus hat.
Digital oder analog?
Pro digitales Feedback
Für digitales Feedback spricht die Möglichkeit der Befragung inklusive Rückmeldung der Ergebnisse in Echtzeit. Das heißt, die ersten Ergebnisse stehen bereits nach den ersten Antworten ohne Zeitverzögerung zur Verfügung. Auf diese Weise können innerhalb von wenigen Stunden erste Stimmungsbilder und auch differenzierte Ergebnisse bereitgestellt werden. Generell lässt sich bei digitalem Feedback ein kürzerer zeitlicher Abstand auch zu differenzierteren und tiefer gehenden Ergebnisrückmeldungen umsetzen, nachdem eine vollständig digitalisierte Prozesskette vorhanden ist. Gerade die Zusammenarbeit über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg lässt sich bei digitalem Feedback optimal gestalten, da asynchrone Kommunikationsprozesse selbstverständlich sind und damit orts- und zeitunabhängige Partizipation realisiert wird.
Contra digitales Feedback
Bei der Umsetzung von digitalem Feedback im Stil einer klassischen Befragung mit Fragen und Antworten, kann die Antwort nicht besser als die Frage sein. Mit anderen Worten: Garbage in – Garbage out. Wenn Firmen also schlechte, unverständliche oder unpräzise Fragen stellen, dann wird im Nachhinein oftmals gerätselt was der Befragte beispielsweise unter „Prozesse“ oder „Kunde“ verstanden hat – selbst wenn offizielle Definitionen gegeben wurden. Darüber hinaus ist der Schwerpunkt von digitalen Prozessen quantitativ, das heißt, es handelt sich um geschlossene Fragen, wobei die Rückmeldung von Management und Führungskräften oftmals die ist, dass gerade offene Fragen tiefer gehende Analysen und damit treffendere Handlungsimplikationen ermöglichen. Durch die Distanz des Feedback-Gebers zum Feedback-Empfänger bei der Beantwortung des Feedbacks besteht die Gefahr des „Dampf ablassens“, nachdem der Feedback-Empfänger nicht direkt gegenüber sitzt.
Pro analoges Feedback
Bei analogem Feedback müssen zwar verschiedene Varianten unterschieden werden, doch gerade bei einer Feedback-Veranstaltung mit Face-to-Face-Charakter sind der direkte Kontakt und das Erzeugen einer motivierenden Dynamik zentrale Vorteile. Das kann für Mitarbeitergespräche genauso relevant sein wie für Großgruppenveranstaltungen. Die Umsetzung der Ergebnisse in konkrete Maßnahmen wird durch diesen direkten Kontakt und die motivierende Dynamik erleichtert. Die Aufhebung der Anonymität verhindert verdeckte Nachrichten, zu denen sich im Anschluss niemand mehr äußert, die aber dennoch im Raum stehen. Es ist somit ein offener Austausch möglich, nachdem von vornherein klar ist, dass keine Anonymität gegeben ist.
Contra analoges Feedback
Gerade bei aufwändigen analogen Befragungen ist die zeitliche Verzögerung ein großer Nachteil. Der große Abstand zwischen Befragung und Rückmeldung der Ergebnisse erschwert die Motivation der Befragten und die Verknüpfung der Ergebnisse mit den Folgeprozessen. Die Dokumentation von analogen Feedback-Formaten mit Face-to-Face-Charakter ist ebenfalls ein Problem, nachdem diese nicht automatisiert erfolgen kann und somit Ergebnisse unter den Tisch fallen können. Die genannten Nachteile gewinnen vor allem deshalb an Brisanz, weil Mitarbeiter und Führungskräfte heutzutage selbstverständlich davon ausgehen, dass Informationen sofort zur Verfügung stehen. Private Apps mit Echtzeitdaten geben hier eine sehr hohe Taktung vor, die zeitliche Verzögerungen und aufwändige analoge Prozesse umso problematischer erscheinen lässt.
Feedback der Zukunft
Bei den Vor- und Nachteilen von digitalem und analogem Feedback wird deutlich, dass die Lösung sicherlich in kombinierten Prozessen liegen sollte. Zusätzlich sollte bei digitalen Prozessen allgemein auch eine qualitative Ebene berücksichtigt werden, sodass nicht nur geschlossene, sondern auch offene Fragen gestellt und möglichst systematisch ausgewertet werden. Automatisierte inhaltsanalytische Kategorisierungen sollten hier in den nächsten Jahren größeren Handlungsspielraum ermöglichen.
Eine vollständige Digitalisierung kann allerdings gerade bei Feedback nicht angestrebt werden, da darunter die Qualität leidet und damit auch die Interpretierbarkeit der Ergebnisse und die Wirksamkeit der Folgeprozesse negativ beeinflusst werden. Wie können Kombinationen aus erfolgreichen Feedback-Prozessen beispielhaft aussehen?
- Eine Großveranstaltung mit 500 Teilnehmern soll als Beginn einer langwierigen Veränderungsmaßnahme interaktiv gestaltet werden. Dafür bekommen die Teilnehmer Abstimmgeräte („Klicker“) und können zwischen den einzelnen Modulen der Veranstaltung immer wieder auf Fragen antworten, die per Beamer präsentiert werden. Die Auswertung pro Frage läuft danach in Echtzeit ab, sodass bereits während der Beantwortung der jeweiligen Fragen beobachtet werden kann, wie sich der Antwortbalken sukzessive ändert. Im weiteren Verlauf der Großveranstaltung wird direkt mit den Ergebnissen gearbeitet.
- Die Kickoff-Woche von 200 Auszubildenden und Trainees einer großen Einzelhandelskette beinhaltet einen Workshop zu moderner Kommunikation und Trends in Richtung Instant Messengern wie Whatsapp. Im Anschluss daran nutzen die Auszubildenden und Trainees direkt Instant Feedback per App auf ihren Smartphones für den weiteren Verlauf der Woche, um sich und den Trainern gegenseitig proaktiv Feedback zu geben. Auch Stimmungs- und Zufriedenheitsbefragungen werden als kleine Pulsbefragungen über die Apps durchgeführt, sodass die Ergebnisse direkt in Echtzeit in die weitere Konzeption der Kickoff-Woche einfließen können. Für den weiteren Verlauf ihrer Ausbildung oder Trainee-Phasen bleibt Instant Feedback in Kombination mit Face-Face-Veranstaltungen die Kommunikations- und Feedback-Plattform.
- Bei einem kommunalen Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen mit 10.000 Mitarbeitern wird seit über zehn Jahren erfolgreich mit fragebogenbasiertem Feedback für Führungskräfte gearbeitet. Dabei werden systematisch digitale Prozesse (Durchführung der Befragung und Generierung des Ergebnisberichts) mit analogen Prozessen (Rückmelde-Workshops mit der Führungskraft und dem zugehörigen Team sowie Ableitung von Handlungsimplikationen) zusammengeführt. Auf diese Weise kann eine größtmögliche Automatisierung mit einer maximalen Motivation der Beteiligten kombiniert werden. Zusätzlich wird ein gesprächsbasiertes Feedback-Verfahren angeboten, bei dem ein Berater Interviews mit den Mitarbeitern und der Führungskraft durchführt. Dieses analoge Format ist insbesondere bei konkreten Fragestellungen einer Führungskraft oder nach der mehrmaligen Durchführung digitalisierter fragebogenbasierter Feedbacks hilfreich, um tiefgehende Ergebnisse und darauf aufbauend hilfreiche Implikationen ableiten zu können.
Diese Praxisbeispiele machen deutlich, dass gerade in der heutigen Zeit der Digitalisierung bei Feedback eine Kombination aus digitalen und analogen Prozessen umso wichtiger ist.