Klimakrise, Corona-Pandemie, und jetzt der Krieg in der Ukraine – seit Sie 2019 bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) eingestiegen sind, haben Sie bereits einige internationale Krisen miterlebt. Worauf kommt es bei gutem Krisenmanagement in Unternehmen, Organisationen und in der Politik an?
Thorsten Schäfer-Gümbel: Fragilität ist seit vielen Jahren ein hochrelevantes Thema für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Gegenwärtig spielt sie auch eine stärkere innenpolitisch Rolle, was unter anderem der Situation in Afghanistan seit Sommer letzten Jahres und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und deren Auswirkungen geschuldet ist. Die von Bundeskanzler Olaf Schulz formulierte Zeitenwende erfordert es, konzeptionell Ansätze wie zum Beispiel Stabilisierung, strukturbildende Übergangshilfe und Entwicklungszusammenarbeit konsequent in den Fokus zu nehmen. Gutes Krisenmanagement verknüpft kurz-, mittel- und langfristige Interventionen durch kohärente Planung und persönliches Commitment.
Thorsten Schäfer-Gümbel ist seit 2019 Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Der ehemalige SPD-Politiker wurde 2003 zum Abgeordneten des Hessischen Landtags gewählt und übernahm 2009 den Partei- und Fraktionsvorsitz der SPD in Hessen. 2009 wurde er stellvertretender Parteivorsitzender und führte die SPD nach dem Rücktritt von Andrea Nahles gemeinsam mit Manuela Schwesig und Malu Dreyer kommissarisch. In verschiedenen Publikationen hat er sich mit dem Einfluss der digitalen Transformation auf die Arbeitswelt auseinandergesetzt.
Auf dem diesjährigen Personalmanagementkongress wird Thorsten Schäfer-Gümbel am 29. September von 11:10 bis 11:40 einen Impulsvortrag mit dem Titel „Von Human Resources zu Human Relations – ein Paradigmenwechsel? halten.
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Vor allem deutsche Unternehmen sind dafür bekannt, in puncto Digitalisierung hinterherzuhinken. Inwieweit könnte ein Ausbau der Digitalisierung gewisse Krisen abmildern oder es zumindest Menschen und Organisationen leichter machen, mit ihnen zurechtzukommen?
Die digitale Transformation bietet für die internationale Zusammenarbeit große Chancen. Sie ermöglicht Menschen gesellschaftliche, ökonomische und politische Teilhabe. Gleichzeitig schafft die Digitalisierung neue Herausforderungen. So können bestehende sozio-ökonomische Ungleichheiten beim Zugang zu und der Nutzung von digitalen Technologien verschärft werden. Das zeigen auch Daten, die 2021 von der International Telecommunication Union veröffentlicht wurden; 2,9 Milliarden Menschen weltweit haben keinen Internetzugang, wovon schätzungsweise 96 Prozent in Entwicklungsländern leben. Die Daten zeigen ebenfalls, dass insgesamt 37 Prozent der Weltbevölkerung das Internet noch nie genutzt haben. Um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, die die Vereinten Nationen in der Agenda 2030 festgehalten haben, wäre auch eine nachhaltige Digitalisierung ein Schlüsselfaktor.
Was bedeutet menschenzentrierte Führung für Sie und warum ist sie gerade in Krisenzeiten so wichtig?
Menschenzentrierte Führung heißt für mich, dass die soziale Interaktion zwischen Menschen im Vordergrund steht. Sie verschiebt den Fokus, vereinfacht gesagt, von der Arbeitsressource Mensch zum sozial interagierenden Individuum, das seine Fähigkeiten einbringt. Deshalb verschiebt sich der Begriff Human Resources Management immer mehr zu Human Relations Management.
In der GIZ wertschätzen wir die Vielfalt an Denkweisen, Erfahrungen, Perspektiven und Lebensentwürfen. Eine offene Unternehmenskultur, die in der Sprache und Handeln respektvoll und wertschätzend ist, ist uns wichtig. Wir fördern Chancengleichheit für alle Individuen und schaffen damit ein Arbeitsumfeld, das von Akzeptanz und Vertrauen geprägt ist. Im Rahmen unseres entwicklungspolitischen Auftrags erleben wir, dass die eng verzahnte Kooperation von Menschen uns als Organisation stark und erfolgreich macht – gerade auch in Zeiten der Krise.