Sieben Gedanken: Erwartungen sind wie Wünsche

Impuls

Jede Veränderung beginnt mit einem Gedanken. Hier sind sieben zu Erwartung.

1. Erwartungen prägen unseren Alltag

Erwarten Sie noch etwas? Wenn ja, was? Oder vielleicht auch: wen beziehungsweise von wem? Wann? Woher? Warum? Wenn ich dem einmal nachspüre, merke ich, dass mein Leben aus einer Serie von Erwartungen besteht. Das fängt im kleinsten Alltagsgeschehen an. Ich erwarte, dass mein Wecker mich weckt, meine Kaffeemaschine heißen Kaffee produziert, das Auto anspringt, der Schlüssel die Türe aufschließt. Geschieht etwas von all dem nicht erwartungsgemäß, reagiere ich mit Irritation und oft genug auch mit Ärger. Gelingt es mir dann nicht, die Ursache für die nicht erfüllte Erwartung schnell zu erkennen und zu beheben, kann mir so eine kleine Störung meiner Erwartungen den ganzen Tag „verderben“. Wie oft wird genau deshalb die familiäre Weihnachtsfeier zur Katastrophe?

2.Dankbarkeit für Erfüllung von Erwartungen

Eine Erwartung bedeutet auch immer ein Angewiesensein, ja ein Abhängigsein von etwas oder jemandem. Da gibt es einen Kern der Unverfügbarkeit, was wir uns aber nur ungern eingestehen. Erwartungen sind wie Wünsche: Sie gehen in Erfüllung oder tun dies eben nicht. Dies ist besonders wichtig, wenn es um Menschen geht. Erwartungen an einen Menschen können seine Entwicklung fördern oder auch lähmen. Kommt meine Erwartung als Zutrauen und Ermutigung an, dann gibt sie Leben und Wachstum im anderen Menschen Raum. In solch einer Erwartung steckt eine Hoffnung. Wird sie erfüllt, ist dies ein Grund zur Dankbarkeit und nicht für Erfolgsrhetorik oder Siegesgesten.

3. Selbsttäuschung erkennen und loslassen

Enttäuschte Erwartungen sind Quellen für Frustrationen und Konflikte. Natürlich haben wir alle rein kognitiv das Wortspiel längst verstanden, dass eine Ent-Täuschung das Ende unserer eigenen Täuschung bedeutet. Das hilft uns in der Praxis unseres Lebens und Arbeitens allerdings meist wenig weiter. Wohl dem, der dann über sich selbst lachen kann! Je existenzieller und emotionaler die Erwartung ist, desto schwerer fällt es uns, eine Enttäuschung zu verarbeiten. Loslassen ist hier die Lösung, Trauerarbeit leisten; Vermeidung ist kein Ausweg. Ein Satz wie „Ich erwarte nichts mehr“ ist ein starker Ausdruck der Resignation und der Perspektivlosigkeit. Der Jahreswechsel könnte ein guter Zeitpunkt zum bewussten Loslassen sein.

4.Bewusste Momente ohne Erwartungen

Unser Zeiterleben ist beständig auf die Zukunft ausgerichtet. Wir warten unser Leben lang, so schwer es uns auch fallen mag, auf einen verspäteten Menschen oder auch nur eine zu spät kommende Bahn zu warten. Das Problem solcher Situationen liegt ja darin, dass sie unsere Erwartungen aufhalten, sie in ihrem erwarteten Fluss behindern. Wir sind ständig in Erwartung dessen, was kommen soll, kommen wird oder auch hoffentlich nicht kommt. Sind wir überhaupt noch fähig, uns einen Moment ohne Erwartung vorzustellen? Einen Moment, in dem wir ganz im Hier und Jetzt sind, die Zeit stillsteht? Wir einfach befreiend und befreit im Augenblick aufgehen?

5.Die richtige Einstellung als Stressbewältigung

Für mich war es eine profunde Erkenntnis, nicht nur mit dem Kopf zu verstehen, dass sich die Frage, ob eine Situation für mich Stress bedeutet oder nicht, eine Frage meiner persönlichen Einstellung zu dieser Situation ist. Erwarte ich, dass meine Ressourcen bequem ausreichen, um einer Situation gut zu begegnen und sie bewältigen zu können, dann gehe ich ohne Stress in diese Situation hinein. Ist es aber umgekehrt und ich bin besorgt oder erwarte sogar sicher, dass meine Ressourcen in irgendeiner Form defizitär sind, dann bin ich im Stress. Mir hilft dies bei der Stressbewältigung, wenn ich gut hinschaue, woher dieses Gefühl von Defizit kommt, und meine Erwartungen überprüfe.

6. Eine Frage der Perspektive

Erwartung und Befürchtung sind zwei enge Verwandte. Es geht dabei um das berühmte halb volle oder halb leere Glas. Was ich sehe, ist eine Frage meiner Perspektive und meiner Interpretation. Neige ich zu einer positiven Sichtweise oder zu einer eher negativen? Es gibt Menschen, die ständig Worst-Case-Szenarien entwickeln, weil sie von einer Katastrophe nicht überrascht werden wollen. Lieber das Schlimmste erwarten als zu positiv denken. Ich selbst neige zu einem beharrlichen Optimismus. In der Erwartung, dass es immer einen Ausweg, eine Lösung gibt, auch wenn ich sie jetzt noch nicht sehe, habe ich für mich eine Quelle der Resilienz entdeckt.

7. Offen sein für das ­Unbekannte und Neue

Zu erwarten, dass es etwas gibt, jenseits all dessen, was ich mir vorstellen kann, ist ein Schlüssel zu echter Innovation. Denn: Das Neue ist nun einmal eben neu. Und wenn es wirklich neu ist, liegt es jenseits meiner Vorstellung, die sich immer nur aus dem speisen kann, was ich schon kenne. Eine Haltung der Erwartung, die das bildhaft Konkrete hinter sich lässt und einfach offen ist für das unbekannte Größere, ist der Zugang zu oder der Anfang einer neuen Wirklichkeit. Ob es nun die großen Entdecker und Erfinder der Menschheit sind oder die spirituell Suchenden: Sie erfahren eine Weitung ihres Bewusstseins und ihrer Existenz. Diese Form der Erwartung ist der ursprüngliche Sinn der Adventszeit.

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Schwester Emmanuela Kohlhaas

Schwester Emmanuela Kohlhaas ist Benediktinerin und war bis 2022 Priorin in Köln. Sie gründete 2023 mit sechs Schwestern ein neues Kloster in Angermund, zwischen Duisburg und Düsseldorf. Kohlhaas studierte Psychologie, Musik- und Religionswissenschaft und promovierte in Musikwissenschaft. ­Sie ist Autorin von Die neue Kunst des Leitens. Wie Menschen sich entfalten können. ­(erschienen im Herder Verlag, 2022)

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