Die Dynamik der heutigen Arbeitswelt erfordert, dass alle Mitarbeitenden am gleichen Strang ziehen. Fragen, die zur aktiven Beteiligung einladen, helfen dabei.
In einer so komplexen und dynamischen Welt wie wir sie aktuell erleben, gelingt es nicht immer, die richtigen Antworten auf akute Fragestellungen zu finden. Damit eine Organisation als Ganzes erfolgreich agiert, sind zentrale Fähigkeiten von Führungskräften gefragt. Wenn diese das Bewirken von Veränderungen, das Sicherstellen von kontinuierlichem organisationalem Lernen und das Ermöglichen von Kommunikation umfassen, ist das ein Anzeichen dafür, dass Dialogorientierung und die Gestaltung von Beziehungen in den Vordergrund rücken. Baldwin definiert einen derartigen, dialogorientierten Conversational-Leadership-Ansatz als „die aktive Nutzung von Gesprächen als Kernprozess, um die für den Aufbau von wirtschaftlichem und sozialem Wert notwendige Teamintelligenz zu schaffen.“[1]
Während es in vielen gängigen Führungsmodellen ausreichend ist, dass Wenige die nötigen Antworten kennen, wird dieser Ansatz der heutigen Arbeitswelt nicht länger in vollem Umfang gerecht. Die Komplexität und Schnelllebigkeit führt zu einer auseinanderklaffenden Schere aus zunehmender Dynamik und zugleich sinkender verfügbarer Reaktionszeit, weshalb es kaum möglich ist, rechtzeitig notwendige Antworten im „kleinen Kreis“ ausgewählter Personen zu finden. In unserer praktischen Arbeit in Kundenprojekten erweist sich eine Verschiebung des Fokus hin zu einem Ansatz, der von „invite & inquiry“ (einladen & erkunden) geprägt ist, als hilfreich und nützlich. Diese Vorgehensweise, die sich an die Anforderungen einer dynamischen Welt anpasst, umfasst die Öffnung und Erweiterung auf Viele. Neben einer breiteren Gruppe von Mitarbeitenden, werden auch Kunden und wichtige Partner in den Prozess eingebunden und ermutigt, stärken- und ressourcenorientierte Fragen zu stellen. Auf dieser Grundlage kann zukunfts- und lösungsorientiert gehandelt werden, um trotz zunehmender Dynamik und sinkender verfügbarer Reaktionszeit Herausforderungen auf unternehmerischer Seite gerecht zu werden.
Vor diesem Hintergrund entstehen neue Herangehensweisen, um aufkommende Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Der beschriebene Ansatz kann dann der Schlüssel zum Erfolg werden: Öffnende, zielgerichtete und fokussierte Fragen um akuten Problemstellungen schnellstmöglich und lösungsorientiert zu begegnen. Doch wie werden Fragen gestellt und Mitarbeitende eingeladen, sich zu beteiligen?
Im Zentrum unseres Ansatzes, der an die theoretischen Ausführungen von Daniel Mezick und Mark Sheffield[2] angelehnt ist, steht die Einladung, deren Kernaspekt die Übertragung der Entscheidungshoheit auf den Empfänger oder die Empfängerin ist. Durch die Art und Weise der Reaktion kann nicht nur Annahme oder Ablehnung signalisiert, sondern auch Feedback für den Sender produziert werden. In der heutigen Arbeitswelt kann dieses Format in zahlreichen Bereichen hilfreich sein. Zunächst wird die Einladung als Mittel eingesetzt, Mitarbeiter-Engagement zu fördern, Motivationen im Team zu erkennen und so Energien freizusetzen, um wirksame Ergebnisse zu erzielen. Zum einen können Fragen die Bereitschaft der Mitarbeitenden zum Ausdruck bringen, zum anderen wird lösungsorientiert und so zunehmend effektiv gehandelt. Dieses Format kann in der Praxis so aussehen: Bevor ein neues Projekt begonnen wird, wird nach der Motivation der Mitarbeitenden gefragt, daran teilzunehmen. Wenn die Antwort darauf nicht mehrheitlicher Zustimmung entspricht, muss die einladende Person ihre Anfrage überdenken und überarbeiten. Um die notwendigen Lösungen für die team- beziehungsweise unternehmensrelevanten Themen entwickeln zu können, gilt es, die Mitarbeitenden zu diesem Dialog einzuladen und über die Art der Fragen den verschiedenen Möglichkeiten Raum zu öffnen.
Mögliche Fragen können zum Beispiel wie folgt lauten:
- Warum ist es wichtig und bedeutsam für mich/uns als Team oder Unternehmen an dem Thema xy zu arbeiten?
- Warum ist es wichtig das Projekt xy zu initiieren?
- Bitte erinnern Sie sich an ein erfolgreiches Veränderungsprojekt an dem Sie beteiligt waren. Was hat dieses Projekt erfolgreich gemacht und was können wir hieraus für unser Thema lernen?
- Wenn wir uns zum Beispiel in sechs Monaten wieder treffen, was wollen wir dann gemeinsam „feiern“?
- Was würden wir zum Thema xy als (wesentlichen) Fortschritt erleben?
Dabei ist die Rolle der Führungskraft zentral, um Tendenzen, Stimmungen und Zukunftsbilder innerhalb des Teams zu identifizieren und gemeinsam entwickelte Lösungen umzusetzen. Themenbezogen kann dieser Ansatz dazu dienen, schnell und effizient Lösungsansätze und Strategien zu entwickeln, da gerade in unvorhersehbaren Situationen selten sofort notwendige Antworten zur Verfügung stehen. Gegenüber früheren Führungsparadigmen kann es gerade dann vielversprechend sein, die Thematik zu öffnen und so thematisch fokussierte, aber personell breiter aufgestellte Fragen zuzulassen. Dadurch können Herausforderungen erkannt, angenommen und erfolgreich bewältigt werden.
Neben den positiven Aspekten der einladenden Führung taucht die Frage nach formalen Strukturen und Entscheidungsprozessen auf. Trotz Freiwilligkeit haben Menschen ein Bedürfnis nach formaler Ordnung und Verbindlichkeit, damit gerade in Zeiten von Veränderung ein Mindestmaß an Sicherheit generiert wird. So muss klar kommuniziert werden, wie Autorität verteilt und Entscheidungen getroffen werden. Das führt dazu, dass Autoritäten toleriert und akzeptiert werden, ohne dass Unmut innerhalb des Teams entsteht. Als Führungskraft gilt es in diesem Kontext, Entscheidungsprozesse zu ebnen, indem anpassungsfähige aber klar kommunizierte Strukturen geschaffen werden.
Quellenangaben:
[1] Vgl. Baldwin, Carolyn zitiert nach Hurley, Thomas J./Brown, Junita (2010): Mit Conversational Leadership Distanzen erfolgreich überwinden, In: Lernende Organisation: Zeitschrift für Relationales Management und Organisation, 57, S. 38, Verlag interrelationales Management.
[2] Mezick, Daniel/Sheffield, Mark: Inviting Leadership: Invitation-Based ChangeTM in the New World of Work, 2018.