Performance Management in Version 3.0

Leadership

Erfolgreiche Unternehmen reagieren flexibel auf Marktveränderungen und nutzen diese für sich. Das HR-Management kann sie dabei mit einem differenzierten Performance Management unterstützen. Studien und Praxisbeispiele zeigen, wie Unternehmen dieses Instrument und ihre Vergütungssysteme derzeit optimieren beziehungsweise an neue Gegebenheiten anpassen.

95 Prozent der Unternehmen setzen am Anfang des Jahres Ziele und beurteilen die Zielerreichung zum Jahresende. Dies zeigen die Studienergebnisse des Mercer Global Performance Management Survey aus dem Jahr 2013. Dabei stützen sich 57 Prozent auf eine Beurteilungsskala mit fünf Abstufungen und 89 Prozent nutzen die Beurteilungsergebnisse zur Bestimmung des jährlichen Bonus. Viele Unternehmen sind mit dem klassischen Performance Management jedoch nicht zufrieden. Der Grund: Bei der Beurteilung individueller Ziele und der Bonusbestimmung ergab die Analyse oft anstatt einer Normalverteilung, bei der die Führungskräfte auch die Spreizung der Beurteilungsskala nutzen, eine einseitige Verteilung nach rechts. Diese wird meist durch eine „guided“ bzw. „forced distribution“ oder die Bonusberechnung angepasst. Deshalb haben etliche Organisationen begonnen, die Zielqualität durch Trainings, Zielkonferenzen und Transparenz zu erhöhen.

Neue Arbeitswelt erfordert neue Berechnungsmodelle

Zwei Jahre später, im Jahr 2015, zeigen der Mercer Performance Management Snap Shot Survey sowie die Praxis in einigen Unternehmen, dass ein Wandel zu einer differenzierten Umsetzung des Performance Managements eingesetzt hat. Auslöser dafür sind beispielsweise die mit dem Schlagwort „Arbeiten 4.0“ bezeichnete veränderte Arbeitswelt, die Digitalisierung der Geschäftsprozesse, kürzere Innovations- und Produktentwicklungszyklen sowie volatile Geschäftszyklen, die neue Anforderungen an das HR-Management stellen. Eine aktuelle Expertenbefragung der TU Darmstadt bestätigt diesen Trend. Die Wissenschaftler empfehlen dem HR-Bereich „effizienzorientiertes Arbeiten“ für planbare Geschäftsfelder, das durch „agiles Arbeiten“ in dynamischen Geschäftsfeldern ergänzt wird.

Beratungsprojekte zeigen, dass dynamische Geschäftsfelder folgende Anforderungen an das Performance Management stellen:

  • Wechsel von der jährlichen beziehungsweise halbjährlichen Beurteilung zu einer laufenden Beurteilung, die am jeweils erzielten Ergebnis ausgerichtet ist,
  • Prüfung des Werts der Beurteilung oder des Beurteilungsbedarfs,
  • Fokus auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und
  • Nutzung von Incentives für Teams, Bereiche oder das Unternehmen.

Auch Geschäftsbereiche beziehungsweise Unternehmen mit einem planbaren Geschäft zeigen eine wachsende Unzufriedenheit mit dem Performance Management. Insbesondere die Verknüpfung der individuellen Ziele mit dem Bonus wird bei Fach- und Führungsfunktionen, deren Ziele das Geschäftsergebnis nicht direkt beeinflussen, heute in Frage gestellt. Des Weiteren erwarten Mitarbeiter oft eine Bonushöhe, die gegebenenfalls trotz guter individueller Performance (über 100 Prozent) nur zum Teil zur Auszahlung kommt, da die Einzelleistung nicht immer ergebnisrelevant ist. Verglichen mit dem realisierten Finanzergebnis des Gesamtunternehmens weicht die durchschnittliche Zielerreichungsquote oft ab. Dies führt zur Demotivation der Mitarbeiter, obwohl das Unternehmen Ressourcen in den Beurteilungsprozess sowie Gelder in die Finanzierung des Bonustopfes investiert hat.

Unternehmen nutzen hier als Alternative zum Bonus, der bei Fach- und Führungskräften oft durch die individuelle Komponente dominiert wird, beispielsweise:

  • Erfolgsbeteiligungsmodelle (Anteil am realisierten Gewinn oder Ertrag des Unternehmens, zum Beispiel EBIT-Zuwachs),
  • Ergebnisbeteiligungsmodelle (Beteiligung anhand von realisierten Unternehmenszielen in einem Zielkorridor, wie beispielsweise Wirtschaftlichkeit, aber auch Qualität, Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterattraktivität) oder
  • Boni (mit Unternehmens-/Bereichskomponente) und Grundgehalt.

Stärker als in der Vergangenheit suchen Unternehmen aber nach einem Ansatz, der sich weniger am Managen des Modells, sondern mehr am Einbinden, „Mitnehmen“ und Begeistern der Mitarbeiter für Performance orientiert.

Unternehmen wie Infineon oder Bosch haben den individuellen Bonusteil für Fach- und Führungskräfte vom Performance Management entkoppelt, um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern.

Praxisbeispiel Infineon

Das im Oktober 2010 bei Infineon neu definierte Bonussystem verfolgte die Hauptziele, das wirtschaftliche Ergebnis mit der Bonuszahlung zu verknüpfen, die Kostenflexibilität ohne pauschale Kostensenkung zu erhöhen, das Modell zu vereinfachen sowie den Aufwand zu reduzieren. Dies stand im Kontext zur weiteren konsequenten Ausrichtung von Infineon zu einer High Performance Company. Insbesondere wurden dabei folgende problematischen Aspekte des alten Bonussystems adressiert:

  • Eine weltweit konstant hohe, durchschnittliche Zielerreichung des individuellen oder Teamanteils, der deutlich über 100 Prozent des Zielwertes lag,
  • unzureichender Deckungsgrad zwischen Unternehmenserfolg und Bonusauszahlung,
  • administrativer Aufwand für das Management und Human Resources.

Kenngrößen sind seit dem das Unternehmensergebnis mit Return on Capital Employed (ROCE) und Free Cash Flow zu je 25 Prozent sowie das Segmentergebnis zu 50 Prozent. Die einzige Ausnahme bildet der Vertrieb, bei dem das Segmentergebnis zu zehn Prozent berücksichtigt wird, die übrigen 40 Prozent beziehen sich auf die individuellen Ziele, wie beispielsweise Umsatz. Bei der Umstellung hat Infineon den individuellen Bonusanteil in das Grundgehalt (3/4) und die neue Erfolgsbeteiligung (1/4) umgewandelt. Dies führte dazu, dass alle Mitarbeiter den neuen Bonus akzeptiert haben und Infineon seine Ziele realisieren konnte.

Maik Metzdorf, Vice President Human Resources Compensation & Benefits, Executive Matters: „Nach sechs Jahren sind die Erfahrungen mit der Entkopplung des Bonus von den individuellen Zielen überwiegend positiv. Mitarbeiter und Führungskräfte vereinbaren weiter Ziele miteinander und halten die Zielerreichung auch nach. Allerdings steht nun das ehrliche Gespräch über das Erreichte und die weiteren Verbesserungspotenziale im Vordergrund, und nicht die Frage, was das an Bonus für den Einzelnen bedeutet. Dieser kulturelle Aspekt des offeneren Feedbacks war uns von Anfang an sehr wichtig. Obwohl wir jedes Jahr unterschiedliche Zielerreichungen hatten und damit die gewünschte Kostenflexibilität gegeben ist, haben wir seit Einführung im Durchschnitt über 100 Prozent Zielerreichung. Das bedeutet, dass einerseits die Mitarbeiter profitiert haben und wir andererseits den in aktuellen Stellungnahmen oft vermuteten Verlust an Performance des Gesamtunternehmens nicht feststellen konnten. Zudem konnte der administrative Aufwand für alle Beteiligten deutlich reduziert werden.“

Bei Bosch betonte bislang der variable Vergütungsanteil stärker die individuelle Zielerreichung seiner weltweiten Führungskräfte. Das war in einer agilen Arbeitsorganisation, in der das Unternehmen immer vernetzter an gemeinsamen Aufgaben arbeitet, nicht mehr zeitgemäß. Zudem waren zukünftige Entwicklungen sowohl von Unternehmens- als auch Marktseite weniger planbar, so dass individuelle Boni nicht mehr zielführend schienen. Bosch entschied sich, das weltweite Vergütungssystem noch besser auf gemeinsame und längerfristige Ziele auszurichten.

Seit Jahr 2016 gilt ein weiterentwickeltes Bonus-Modell, das sich künftig stärker am Erfolg des Gesamtunternehmens und des einzelnen Geschäftsbereichs ausrichtet. Die langfristige Leistung des Einzelnen wird über das Grundgehalt differenziert. Das Erreichen individueller, kurzfristiger Zielvorgaben wird vom variablen Vergütungsanteil entkoppelt. . Sowohl die Führungskraft als auch der Mitarbeiter geben sich weiterhin unterjährig Feedback zur Leistung und dem gemeinsamen Verbesserungspotenzial.

Für den internationalen Roll Out wurde Mercer als globaler Vergütungsberater ausgewählt, um die Einführung des neuen Bonus-Systems zu unterstützen. Neben der Vergütungsausrichtung kam dem Training der regionalen Compensation & Benefits- Manager und der Führungskräfte eine hohe Bedeutung zu. Anhand von acht Fällen wurden die komplexen Inhalte einheitlich dargestellt und mit Hilfe von Beispielen und Beratungssequenzen trainiert. Auf diesem Weg wurden alle Beteiligten eingebunden. Auswirkungen sowie Fragen zum Vergütungsmodell konnten frühzeitig geklärt werden.

Ein Großteil der Führungskräfte stuft das System als fair ein. Bosch geht insgesamt von einer hohen Akzeptanz aus, weil das Unternehmen so attraktive Arbeitsbedingungen schafft und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt: Die Bereichs-Komponente motiviert viele Führungskräfte dazu, sich gegenseitig zu unterstützen und so bessere Ergebnisse und Lösungen für Bosch zu erzielen.

Steigerung von Motivation und Engagement

Die Praxisbeispiele zeigen, dass das Gehalt ein Hygienefaktor ist, der fair und angemessen sein muss. Für Mitarbeiter steht bei beiden Praxismodellen insbesondere die Transparenz im Vordergrund: zu Beeinflussungsfaktoren wie der Position, der persönlichen Leistung sowie den Marktgegebenheiten. Für die variable Vergütung sind kontinuierliche Informationen zur Unternehmens- und gegebenenfalls der Geschäftsbereichsperformance von Bedeutung. Damit fokussieren sich Mitarbeiter in stärkerem Maße auf die Arbeitsinhalte und die damit verbundene Motivationswirkung. Unternehmen schaffen durch Transparenz der Ziele und gleiche Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Career Frameworks für Führungskräfte und Mitarbeiter, Voraussetzungen, die leistungsfördernd wirken und im Idealfall die emotionale Bindung der Mitarbeiter erhöhen. So umgesetzt, übernehmen die Organisation, das Management und die Mitarbeiter Verantwortung für ihre Leistungserbringung. Aufgrund der besseren Zusammenarbeit, der gegenseitigen Anerkennung und Begeisterung für Leistung kann ein umfangreicherer Nährboden für eine Performance-Kultur entstehen, die Talente bindet und anzieht. Als Orientierungspunkte bieten sich dazu drei einfache Grundsätze an:

  • Jeder hat eine Vorstellung von guter Leistung.
  • Jeder erkennt gute Leistung.
  • Jeder weiß, wenn er gute Leistung erbringt.

Unternehmen, die eine solche Performance-Kultur entwickeln wollen, sollten sich an drei wesentliche Fragestellungen orientieren: Warum brauchen wir Performance Management? Wie entsteht aus Arbeit Leistung? Welcher Prozess fördert Leistung?

Der Definitionsgrad des Performance Managements lässt sich dabei anhand der bereits vorhandenen Performance-Kultur bestimmen. Je stärker diese Kultur ausgeprägt ist, desto weniger benötigt sie eine schriftliche Niederlegung.

 

Literaturhinweise:

  • Society for Human Resource Management, Corporate Executive Board Corporate Leadership Council, “Breakthrough Performance in the New Work Environment,” 2012: The CEB study cited on fairness and goal setting. Deloitte, Global Human Capital Trends 2015.
  • Grünbuch “Arbeiten 4.0” des BMAS, 2015.
  • Stock-Homburger, Groß, Roller: „Agilität und Effizienz richtig ausbalancieren“. S. 19 ff, Personalführung 7-8/2016.
  • Thomas Marquardt und Maik Metzdorf „Ein weltweiter Neustart,“, in Personalmagazin 11/11; „Exzellente Mitarbeiter in einem Hochleistungsunternehmen“ in Infineon, Personalbericht 2010.
  • Rainer Hank, Georg Meck „Geld wirkt demotivierend“, Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, 20.9.2015.
  • Jan C. Weilbacher „Für uns nicht der richtige Ansatz“, HumanResourcesManager, 02. 08. 2016.
  • Guido Birkner „Teamgeist zahlt sich bei Bosch aus“, in COMP&BEN, Juli 2016.
  • Unternehmenskultur, Werte die Verbinden, www.bosch-carreer.de.

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Bernd Thomaszik

Partner
Mercer

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