Walter Kohl ist als Sohn von Machtmensch Helmut Kohl aufgewachsen. Im Interview erzählt der Unternehmer und Berater, wie er Macht definiert und was als Gegenpart dazu Ohnmacht bedeutet.
Herr Kohl, wie lautet Ihre persönliche Definition von Macht?
Macht ist die Fähigkeit, Menschen in ihrem Fühlen, Denken und Tun beeinflussen zu können.
Und sehen Sie diese Fähigkeit eher positiv oder negativ?
Macht an sich ist weder positiv noch negativ, sie beschreibt lediglich ein Potenzial, eine Kraft, die wir einsetzen können. Macht ist notwendig, wenn wir etwas gestalten oder verändern wollen. Macht kann schützen oder auch verletzen. Entscheidend ist daher unser Umgang mit Macht. Wofür und wie wird Macht eingesetzt, welche Motive stehen dahinter? Macht kann zu einer großen Verführung werden, darin liegt die Herausforderung. Es gibt von Abraham Lincoln das schöne Zitat „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht“.
Macht allein verändert einen Menschen also nicht?
Das glaube ich nicht. Sie bringt lediglich das in einem Menschen hervor, was vorher nicht sichtbar war. Menschen, die Macht bekommen, zeigen manchmal Charakteranteile, die vorher verborgen oder unterdrückt waren. In der neuen Machtposition können diese Charakterzüge sich dann voll ausleben, mit allen positiven aber auch negativen Konsequenzen.
Und jeder muss selbst mit sich ausmachen, wie er mit seinem gewonnenen Einfluss umgeht.
Ich würde das sogar noch erweitern. Es gibt immer denjenigen, der Macht ausübt, der führt, und jene, die geführt werden. Alle Beteiligten müssen ihre Einstellungen und ihren Umgang mit Macht hinterfragen. Ist es ein aktiver oder ein passiver Umgang mit Macht? Bin ich ein Mächtiger oder ein Ohnmächtiger? Habe ich Mut oder Angst?
Dieses Gegensatzpaar Macht und Ohnmacht beschäftigt Sie auch in Ihrer Beratertätigkeit.
Ja, denn Macht und Ohnmacht sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Macht kann Dominanz bedeuten, Ohnmacht erlebte Hilflosigkeit. Ziel meiner Beratertätigkeit ist es, Menschen zu mehr Selbstbestimmung zu verhelfen und mit ihnen Wege zu finden, ihre alten Ohnmachtssituationen zu überwinden und sie so zu Gestaltern ihres eigenen Lebens werden zu lassen. Wir leben immer in einem Spannungsfeld aus Fremd- und Eigenbestimmung. Ich halte es daher für eine wichtige Aufgabe unserer Lebensgestaltung, hier eine stimmige Mitte zwischen den Extremen zu finden und diese auch aktiv zu leben. Daher ist der bewusste Umgang mit Macht in meinen Augen Pflicht.
Sie bezeichnen die Versöhnung als größte Macht schlechthin. Warum?
Ich denke, dass Versöhnung ein Ausdruck großer, persönlicher Souveränität sein kann. Also auch eine Form von Macht. Sie befreit uns durch neue Antworten für alten Schmerz und hilft uns somit, alte Belastungen zu überwinden und dadurch besser zu leben. Das ist Freiheit pur. Versöhnung befreit die Seele, denn sie nimmt uns unsere Furcht. Damit wird sie zu einer großen persönlichen Macht, die uns hilft, schwierige biografische Themen zu lösen und mit Lebensfreude, Optimismus und Tatkraft unsere Zukunft zu gestalten. Das ist Gestaltungsmacht.
Sie gelten in der Öffentlichkeit häufig noch primär als Sohn von Helmut Kohl. Stört Sie das und haben Sie das Gefühl, dieser Deutung machtlos ausgeliefert zu sein?
Nein, denn ich bin ja der Sohn von Hannelore und Helmut Kohl. Zu dieser Herkunft stehe ich und es ist meine Aufgabe, damit stimmig umzugehen, also meine passenden Antworten zu finden. Es war nie mein Ziel, Teil der politischen Parteienlandschaft in Deutschland zu sein. Deshalb habe ich lange im Ausland gelebt und gearbeitet und bin heute Unternehmer in der Automobilindustrie sowie Referent und Coach für die Themen Lebensgestaltung und Biografiearbeit. Ich glaube, dass ich so mein Potenzial optimal nutzen kann.
Welche Rolle spielt dabei der Name Kohl?
Mein Name hat eine hohe Bekanntheit, das hilft manchmal, kann aber auch Vorurteile und Ressentiments auslösen. Er ist also Hindernis und Chance zugleich. Wie jeder Mensch muss auch ich mich meinen Herausforderungen stellen und solche Lösungen finden, die es mir ermöglichen, konstruktiv meinen Lebensweg zu gestalten und zu gehen.
Sie haben längere Zeit im Ausland gelebt, in den USA und in Ostasien. Haben Sie dort Unterschiede im Umgang mit Macht erlebt?
Meiner Erfahrung nach ist der Umgang mit Macht weltweit sehr ähnlich. Es mag Unterschiede in Kultur und Kommunikation geben, doch nicht in der Ausübung von Macht und dem Erleben von Ohnmacht. Daher ist der Umgang mit Macht eine Frage, die sich weltweit gleich stellt und die immer wieder auf die gleichen Aspekte abzielt – nämlich Charakter, Ziel, Motiv und Transparenz.
Zum Thema Macht sprachWalter Kohl auch aufdem Personalmanagementkongress 2014.Seine Keynote hatte denTitel„Macht oder Ohnmacht –eine Frage der Haltung?“.