HR 2.0 sollte die lernende Organisation vorantreiben

Employer Branding

Die digitale und vernetzte Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts stellt Organisationen vor neue Herausforderungen. Soziale Intranets bilden das Fundament, auf dem die lernende Organisation der Zukunft gestaltet werden kann. Und HR muss dabei eine wichtige Rolle spielen.

Im Jahr 2014 war ich mit Christian Kuhna von adidas auf der Zukunft Personal in Köln, um dort über unser gerade abgeschlossenes Projekt adidas Learning Campus und einen gemeinsam durchgeführten MOOC (Massive Open Online Course) zu berichten. Vor etwa 100 Personalern fragten wir als Auflockerung in die Runde, wer schon mal an einem MOOC teilgenommen hat. Zwei Hände gingen in die Luft. 2014!
Auf der Rückfahrt haben wir uns die Frage gestellt, warum sich HR so wenig mit den Möglichkeiten der Digitalisierung beschäftigt, obwohl diese für ihre Funktion im Unternehmen große Potenziale bietet. Da sind zum einen die traditionellen Kernbereiche des Personalwesens, die von der Digitalen Transformation betroffen sind. Für die Personalbeschaffung werden Recruiting-Seiten und Video-basierte Bewerbungsgespräche eingesetzt, für das Employer Branding ist die authentische Präsenz der Organisation im Netz bedeutsam. Und auch der direkte Kontakt der Personalentwicklung zu den Mitarbeitern muss nicht mehr nur in Präsenzterminen erfolgen, sondern kann digital unterstützt eine neue Qualität und Frequenz erreichen. Ein weiteres Handlungsfeld ist Social Learning, das unter anderem mit Schlagworten wie 70/20/10-Modell, Flipped Classroom, MOOCs, Gamification, Barcamps, Microlearning oder „Working Out Loud„ aufwartet. Da sich HR neben dem klassischen Personalwesen aber auch mit dem Produktionsfaktor Arbeit an sich beschäftigen sollte, tut sich noch ein ganz anderes Spielfeld auf.

Management 2.0

Wir erleben gerade nach der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und der sich daraus entwickelnden Industriegesellschaft den zweiten großen Umbruch in der Arbeitswelt. Durch die Digitalisierung und die Erfolgsgeschichte der wissenschaftlichen Methode entsteht aktuell die digitale und vernetzte Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Die Besonderheit dieser Entwicklung ist der exponenzielle Verlauf der Veränderungsgeschwindigkeit, der im Wesentlichen auf das „Mooresche Gesetz“ der Verdopplung von Rechenleistung alle 18 Monate zurückzuführen ist. Diese Entwicklung bringt neue technische Möglichkeiten wie Big Data, Data Analytics, Data Scientists, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen mit sich. Der Idee sozio-technischer Systeme folgend, wird dieser technische Fortschritt aber auch Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft als Teilsystem haben. Management-Vordenker Gary Hamel skizziert das in seinem YouTube-Video „Reinventing the Technology of Human Accomplishment“ wie folgt: Die hohe Veränderungsgeschwindigkeit erfordert ein hohes Maß an individuellem und organisationalem Lernen in Unternehmen, um erfolgreich überleben zu können. Das ist in rein hierarchisch aufgebauten Organisationen schwierig, da diese bezüglich Stabilität und Wiederholung optimiert sind. Hamel empfiehlt, das Web 2.0 als Vorbild zu verwenden und dessen Prinzipien auf die Führung und Gestaltung von Organisationen zu übertragen. Er nennt diesen Paradigmenwechsel im Management in Anlehnung an Tim O’Reillys „Web 2.0“ schlicht „Management 2.0“. Damit ist aber keine Weiterbildung für Führungskräfte gemeint, sondern ein neues Management-Paradigma, das die Organisation als lebendigen Organismus und nicht als determinierte Maschine betrachtet. Wesentliche Gestaltungsprinzipien sind dabei Offenheit, Transparenz, Vernetzung, Flexibilisierung, Digitalisierung und Selbstorganisation.

Organisation 2.0

Ein Bild einer solchen „lernenden Organisation“ der Zukunft hat Change-Experte John Kotter mit seinem „Dual Operating System“ skizziert. Er stellt darin die für Stabilität und Vorhersehbarkeit wichtige Hierarchie neben die Netzwerkorganisation, die Flexibilität und Agilität ermöglicht. Dabei geht es nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Daimler-CEO Dieter Zetsche hat für sein Unternehmen beispielsweise gerade die Schwarmorganisation als Leitbild benannt. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt Frederic Laloux in seinem Buch „Reinventing Organizations“. Sein Konzept der „Teal Organization“ ist durch die ganzheitliche Sicht auf die formelle und informelle Organisation gekennzeichnet. Die Eigenschaft von digitalen Technologien, die Notwendigkeit von zeitlicher und räumlicher Präsenz aufzuheben, macht diese zum wichtigsten Enabler von innovativen Organisationsformen.

Intranet 2.0

Traditionell gibt es bezüglich der Rolle, die das Intranet im Unternehmen spielt, mehrere Sichtweisen. Da ist zum einen das Mitarbeiterportal, das den Mitarbeitern als Einstiegspunkt in die Informationswelt des Unternehmens dient. Eine andere Sicht schließt alle IT-Anwendungen mit ein, die für interne Mitarbeiter zugänglich sind. Beim Intranet 2.0 wird das klassische Mitarbeiterportal um soziale Funktionen wie Kommentare, Likes und Teilen ergänzt, um Dialog und Partizipation zu ermöglichen. Außerdem kommen soziale Software wie Collaboration-Systeme, Wikis, Audio- beziehungsweise Video-Portale und Soziale Netzwerke hinzu. Gerade die unternehmensweiten Sozialen Netzwerke (Enterprise Social Networks) sind das Fundament der Organisation 2.0. Dort werden Mitarbeiter durch Profile repräsentiert, Vernetzung über Grenzen von Abteilungen, Hierarchien, Projekte und Standorte hinweg ermöglicht sowie Ideen- und Wissensaustausch durch Statusmitteilungen beschleunigt. Das Soziale Netzwerk ist somit die technische Basis für die Idee des „Dual Operating Systems“. Doch die Etablierung komplexer Organisationsformen ist kein Selbstläufer, wie wir aus den Bemühungen rund um die Matrixorganisation wissen. Methodische Ansätze wie beispielsweise „Working Out Loud“ oder virtuelles Scrum sind notwendig, um zu einer schnellen und zielgerichteten Nutzung des Sozialen Netzwerks zu gelangen. Der Nutzen für den Einzelnen und die Organisation muss schnell spürbar werden.

HR 2.0

Die Einführung eines Intranet 2.0, die Gestaltung einer Organisation 2.0 und die Entwicklung von Mitarbeitern und Führungskräften gemäß der Management-2.0-Prinzipien wird uns in den nächsten Jahrzehnten intensiv beschäftigen. Die Rolle von HR liegt auf der Hand. Gemeinsam mit der Unternehmenskommunikation und der IT ist das Soziale Intranet zu gestalten. Die Umsetzung von Programmen zur begleitenden Mitarbeiter-, Führungskräfte- und Organisationsentwicklung liegt überwiegend in HR-Händen. Ziel muss sein, „Digital Literacy“ und „Digital Leadership“ als überfachliche Kompetenz in Breite zu fördern. Das kann nur gelingen, wenn auch die HR als Vorbild vorangehen.

Werden Sie aktiv und machen Sie für HR aus dem #Neuland bekanntes Territorium. Melden Sie sich beispielsweise bei Twitter an, lernen Sie im Netzwerk und praktizieren Sie „Working Out Loud“. Nehmen Sie an Barcamps und MOOCs teil. Tragen Sie die Lernerfahrungen in Ihr Unternehmen und bauen Sie ein internes Multiplikatoren-Netzwerk auf, um die Digitalisierung Schritt für Schritt in alle Bereiche der Organisation zu tragen. Alles kleine Schritte für Sie, aber in Summe große Schritte in Richtung HR 2.0.

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Simon Dückert

Leiter
Cogneon Akademie

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