Mehr Platz für Gefühle

Leadership

Es bleibt im beruflichen Alltag nicht aus, dass wir Ärger und Frustration erleben. Emotionen am Arbeitsplatz zu zeigen ist aber ein Tabu. Zu Unrecht.

In der Arbeitswelt wird von den Mitarbeitenden erwartet, dass sie sich an den Zielen eines Unternehmens ausrichten und eigene Wünsche zurückstellen. Das heißt im Umgang untereinander und zu Kunden soll ein betont sachbezogener, professioneller Umgang erfolgen. Dabei sollen alle individuellen Bedürfnisse und Empfindungen in den Hintergrund treten. Das Zeigen von Emotionen, das in einem privaten Zusammenhang selbstverständlich wäre, hat hier wenig Platz.

Würden tatsächlich alle Emotionen und Befindlichkeiten „ungebremst“ in die Arbeit einfließen, würde es nicht nur unüberschaubar komplex, sondern auch oftmals willkürlich und ungerecht zugehen. Zum Glück sind wir beim Einwohnermeldeamt nicht auf die Laune des Beamten angewiesen, um unseren Pass verlängert zu bekommen.

Unsere Arbeitswelt ist alles andere als ein emotionsfreier Raum. Allerdings verstecken und unterdrücken wir hier unsere Emotionen – mal mehr oder weniger erfolgreich. Und wenn die sachorientierte Arbeitsfassade einmal bröckelt, weil wir von Gefühlen übermannt werden und zum Beispiel laut werden oder sogar weinen, bedeutet dies ein „aus der Rolle fallen“ und wird von unserer beruflichen Umwelt oftmals mit Unverständnis und Verlegenheit aufgenommen. Hinter dieser Unsicherheit verbirgt sich ein einfacher Grund: Der emotionale, zwischenmenschliche Kompass, der uns intuitiv im Privaten leitet, umgeben von Menschen, die wir sehr genau kennen, funktioniert im Arbeitsleben nicht. Wenn der Ort, an dem die Tränen fließen, das Büro ist, ist das Umfeld unsicher was zu tun ist. Und es entsteht der dringende Wunsch, schnell den Raum zu verlassen oder so zu tun, als ob nichts sei.

Signal an die Umgebung

Sollte man also stets versuchen, seine Emotionen im Beruf nicht nach außen zu zeigen? Nein. Denn psychologisch gesehen dienen Emotionen dazu, der sozialen Umgebung zu signalisieren, dass man Unterstützung oder Trost braucht oder das Grenzen überschritten worden sind.

Mehr noch, der Umgang mit unseren Emotionen beeinflusst maßgeblich unsere Motivation und Gesundheit. Das aktive Unterdrücken von Ärger, Trauer oder Freude geht mit körperlicher Anstrengung und Frustration einher. Aber ein unkontrolliertes „Rauslassen“ ist wohl für die sozialen Beziehungen zu Kollegen oder Kunden abträglich. Deswegen empfiehlt es sich, Strategien zu entwickeln, die helfen, angemessen mit Emotionen am Arbeitsplatz umzugehen.

Es bleibt im beruflichen Alltag nicht aus, dass wir Ärger und Frustration erleben oder uns nicht wertgeschätzt fühlen. Ist dies der Fall, sollte man durchaus das Gespräch mit den Kollegen oder Vorgesetzten suchen und seine Befindlichkeit zum Ausdruck bringen. Wenn dies sachlich geschieht, wird dies in den meisten Fällen vom Gegenüber auch mit Verständnis aufgenommen. Wichtig dabei ist, nicht zu lange in der Vergangenheit zu verweilen. Erfahrungsgemäß führt der Versuch zu klären, wie eine Situation denn wirklich war und wer mit seiner Wahrnehmung und Beurteilung richtig liegt, selten weiter. Der Blick sollte also in die Zukunft gerichtet sein. Zudem sollte man, um weitere Verletzungen zu vermeiden, stets auf der „Verhaltensebene“ bleiben. Denn Eigenschaften sind kaum zu ändern, konkretes Verhalten schon. Deswegen ist es wichtig, in schwierigen Gesprächen herauszuarbeiten, was konkret getan werden muss, damit die aufgetretenen Verletzungen zukünftig verhindert werden.

Zudem sollte man sich niemals mit seinen beruflichen Verstimmungen zu Hause eingraben, sondern diesen mit Aktivitäten wie Sport oder Freunde treffen begegnen. Beides wirkt nachweislich stimmungsaufhellend und hilft, einen angemessenen emotionalen Abstand zu seinem Beruf zu bewahren.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren

Tim Hagemann

Professor für Arbeits-, Organisations- und Gesundheitspsychologie

Weitere Artikel