Weniger Anzüge, mehr Hoodies!

Leadership

Rauschebart und Fetzenshirt oder doch noch mal Hemd und Hose bügeln? Für Jan C. Weilbacher ist die Frage nach dem Outfit mindestens genauso stressig wie die nach dem Sinn des Lebens. Blöd nur, dass Mode für die Karriere eine enorme Rolle spielt. Zeit für die Revolution der Hoodie-Träger. Eine Glosse

“Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.” Karl Lagerfeld

Ich gebe es zu, ich mache mir nicht viel aus Mode. Und wenn Sie jetzt sehen würden, in welcher Kleidung ich hier auf die Tasten haue, würden Sie sagen: Stimmt. Okay, manchmal ziehe ich ein Hemd an, aber allein der Gedanke, dass ich es vorher noch bügeln muss, treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn. Ein Hemd zu bügeln, ist ein Kraftakt von mehr als einer halben Stunde – bei gleichzeitigem Risiko, schwerste Verbrennungen zu erleiden. Ich ziehe es also regelmäßig ungebügelt an und versuche es als Modetrend durchzusetzen. Meistens trage ich allerdings T-Shirts oder Pullis. Trotz alledem muss man jeden Morgen eine Entscheidung treffen: Was ziehe ich bloß an? Der Tag beginnt also grundsätzlich stressig.

Matilda Kahl macht es deshalb meiner Meinung nach genau richtig. Die Art Direktorin, die in New York für die Werbeagentur Saatchi & Saatchi arbeitet, zieht einfach immer das gleiche Outfit an – jeden Tag, seit drei Jahren. Sie hat 15 identische Blusen und sechs Hosen. Eine Befreiung sei das, sagt sie. „Man spart so viel Zeit und Mühe.“ So wie Matilda scheint es vielen zu gehen. Zumindest hat sie, wie sie einmal im „Harper’s Bazaar“ über ihre Kleidungsgewohnheiten schrieb, haufenweise zustimmende Post von Menschen bekommen, die es ihr gleichtun wollten. Die Frage nach der richtigen Kleidung, sie scheint Männer und Frauen wirklich umzutreiben. Vermutlich ist sie von ebenso großer Bedeutung wie die Wahl des Lebenspartners, nur mit dem Unterschied, dass sich die Wahl der richtigen Kleidung jeden Tag stellt.

Verständlich. Mode spielt in Sachen Karriere eine enorme Rolle. Wer nicht „gut“ aussieht oder zumindest dem jeweiligen Dresscode folgt, für den ist schnell Schluss auf der Karriereleiter. „Gutes Aussehen steigert den wirtschaftlichen Erfolg und wirkt sich damit positiv auf die individuelle Lebenszufriedenheit aus“, konstatierte sogar das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) einmal. Wer weiß, wenn ich die vergangenen Jahre immer einen dunklen Business-Anzug getragen hätte, wäre ich heute vielleicht Dax-Vorstand.

Langsam gibt es jedoch wieder Hoffnung, nun da alle ins Silicon Valley schauen, um zu erfahren, wie man die digitale Transformation angeht. Denn die Programmierer dort sind auch ohne Anzug ziemlich erfolgreich.

Im Journalismus hat die Zeitenwende bereits begonnen. Niemand verkörpert das so sehr wie Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, der während seines Aufenthalts an der amerikanischen Westküste seinen Anzug ablegte und sich einen Rauschebart wie Räuber Hotzenplotz wachsen ließ. Diekmann hat auch den Hoodie in der Branche populär gemacht.

Was? Sie wissen nicht, was ein „Hoodie“ ist? Das sind Kapuzenpullis, wie sie zum Beispiel ein gewisser Mark Zuckerberg trägt. Als der Facebook-CEO am Tag des Börsengangs einen solchen Pullover trug, haben ihm einige der alten Wirtschaftswelt vorgeworfen, ihm fehle es an persönlicher Reife. Ich finde allerdings, wer zusammen mit Google und Apple die Weltherrschaft inne hat, kann tragen was er will. Womit wir wieder bei meinen Hoffnungen wären. Ich hätte nichts dagegen, wenn der Hoodie sich in der gesamten deutschen Wirtschaftswelt durchsetzt. Da setze ich ganz auf die digitale Transformation, die so ziemlich jedem Unternehmen in Deutschland, und sei es noch so traditionell, bevorsteht. Den Hoodiejournalismus gibt es hierzulande schon. Nicht mehr lange, dann wird es auch ein Hoodiemanagement geben. Und dann ist auch für mich nur noch der Himmel die Grenze.

Vielleicht fragen Sie sich am Ende meiner Kolumne nun noch, was dieser Text mit dem Anfangszitat von Karl Lagerfeld zu tun hat? Die Antwort: Eigentlich nichts, außer dass es ein großartiges Zitat ist und der Mann vollkommen Recht hat. Ich hoffe sehr, dass die nächste Business-Revolution nicht von Jogginghosen-Trägern angeführt wird.

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Jan C. Weilbacher

Jan C. Weilbacher

Head of Communications
HRpepper
Jan C. Weilbacher ist Senior Consultant und Kommunikationsmanager bei HRpepper Management Consultants. Davor war er sieben Jahre Chefredakteur des Magazins Human Resources Manager. Vor kurzem erschien sein Buch „Human Collaboration Management. Personalmanager als Berater und Gestalter in einer vernetzten Arbeitswelt“. Twitter: @JWeilbacher

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