Wie sich die HR-Abteilung im agilen Unternehmen positionieren sollte

Recruiting

Für HR wird es Zeit, sich den agilen Unternehmensprinzipien anzupassen und zum Befähiger anderer Abteilungen zu werden, beispielsweise in Sachen Recruiting. Für Unternehmen kommt das einem Paradigmenwechsel gleich – aber auch für die Personalfunktion selbst. Ein Denkanstoß.

Immer mehr Unternehmen setzen auf Agilität. Die Unternehmen stellt das vor neue Herausforderungen, denn wenn hierarchische Strukturen aufgebrochen werden und agilen interdisziplinären Teams weichen, hat das weitreichende Konsequenzen. Ein Bereich arbeitet aber meist noch so weiter als wäre nichts passiert: die HR-Abteilung. Dabei schlummert gerade hier viel Potenzial für den Change-Management-Prozess. Schließlich arbeitet die HR mit dem wichtigsten Rohstoff für agile Unternehmen: den Mitarbeitern. Laut einer Studie des Personaldienstleisters Hays von 2016, sehen bereits 58 Prozent aller Personaler das Managen der zunehmenden Komplexität in der Zusammenarbeit (Projektarbeit etc.) als wichtigstes Thema der HR.

Human Potential ManagementstattHuman Resources Management

Doch dafür muss die HR-Abteilung ihrMindsetkomplett verändern. Ein Aussage, die mir oft begegnet: Die HR-Abteilung sei für die Qualität der Mitarbeiter verantwortlich. Meine Antwort: Nein, das ist sie im agilem Umfeld nicht. Sie ist dafür verantwortlich, dass Teams produktiv sind und wennScrumMaster,ProductOwneroder die Teammitglieder keine Qualität liefern, wird die HR-Abteilung mit demScrumMaster darüber sprechen, wie dieser für die Produktivität seines Teams sorgen kann. Die Verantwortung für das eigene Tun und für das eigene Leistungsziel liegt immer beim Mitarbeiter selbst. Es ist nur die Aufgabe der HR den Mitarbeiter bei der Erkenntnis zu unterstützen, wo er steht, welche Rolle er erfüllt und diese dann auch übernehmen zu können. Also eher Human Potential Management.

In meinen Augen war das Personalwesen immer dazu da, die Menschen in Organisationen zu befähigen und einen Ausgleich zwischen den Anforderungen des Managements und den Interessen der Mitarbeiter zu erzielen. An dieser wichtigen Schnittstelle sollte es sein Hauptbestreben sein, den Wandel des Unternehmens hin zu einer agilen Organisation zu beschleunigen. Dazu gehört das Etablieren von neuen Werten, das Entwickeln vonentsprechendenGlaubenssätzen in der Organisation, das Erarbeiten vonnachhaltigenRollenidentitäten im Unternehmen (zum Beispiel der Manager als Host), das Vermitteln vonAgilität in der Führungsarbeitsowiedas Erarbeiten von neuen Prozess- und Gehaltsmodellen und vielleicht auch das Entwickeln von neuen Karrieremodellen.

Die Arbeit wird damit anspruchsvoller, in Summe aber nicht zwingend mehr, weil das Personalwesen ja viele unterstützende agileHRlerin den Teams hat – die agilen Coaches oderScrumMaster. In jedem Team sitzt jemand, der für die Produktivität des Teams zuständig ist. Damit sinkt die operative  Arbeitsbelastung und es wird möglich, HR strategisch anzugehen und durchzuführen – abhängig von der Größe des Unternehmens. Dennje kleiner die Organisation ist, desto eher muss auch HR hier noch operativ mitarbeiten, um die Teams auch entlasten zu können.

Den Teams mit Spezialwissen unter die Arme greifen

Wie kann nun die Arbeit einer agilen HR-Abteilung aussehen? Dazu nehmen wir das Beispiel der Einstellung von neuen Mitarbeitern. Die HR-Spezialisten müssen die agilen (Entwicklungs-)Teams befähigen, ihre Kollegen selbst einstellen zu können. Das heißt, die HR-Abteilung zeigt den Teams, die in diesem Bereichmöglichweisenoch wenig Erfahrung haben, worauf es ankommt. Sie entwickelt einen transparenten Prozess, wie die Teams ihre neuen Kollegen einstellen können, erinnert daran, Bewerber möglichst frühzeitig einzuladen und erarbeitet beispielsweise Musterverträge, die von den Teams nur noch – je nach Position – angepasst und ausgefüllt werden müssen. Sie weiß, wo und wie sie geeignete Leute für das Unternehmen findet und wie man das Onboarding gestalten kann. Kurzum: Sie hilft  den Teams die Transparenz zu finden, die das Unternehmen benötigt, sie unterstützt die Teams in allen Personalfragen – stellt aber nicht selbst ein. Die agile HR-Abteilung profitiert hier von ihrem enormen Spezial-KnowHow. Sie ist der Wissens-Hub, den die Mitarbeiter konsultieren können.

Für Unternehmen ist das ein gravierender Paradigmenwechsel und auch eine echte Herausforderung für die HR, diesen im Gesamtkontext der Organisation zu managen: So müssen etwa die herkömmlichen Linien-Manager lernen, den Teams zu vertrauen und zu akzeptieren, auf wen die Wahl bei der Personal-Einstellung gefallen ist. Und auch die Rolle des CEO wandelt sich. Er bleibt auch im agilen Unternehmen immer noch für die Vision verantwortlich und richtet die Firma aus. In wirklich agilen Unternehmen wird er in Personalfragen nur ein Einspruchsrecht haben, das idealerweise nur im äußersten Notfall ausgeübt wird. Das zu verstehen und zu leben, bedarf einer Veränderung im Denken und die daraus resultierenden Verhaltensweisen müssen erst einmal von allen Beteiligten erlernt werden. HR hat in diesem Prozess eine Schlüsselfunktion.

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Boris Gloger, Foto: Privat

Boris Gloger

Gründer & CEO
Boris Gloger Consulting
Boris Gloger ist Gründer und Geschäftsführer der borisgloger consulting GmbH mit Sitz in Baden-Baden und Wien.  Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter “Scrum - Produkte zuverlässig und schnell entwickeln”, “Erfolgreich mit Scrum - Einflussfaktor Personalmanagement”.

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