Vor einiger Zeit führte ich ein Erstgespräch mit einer Personalverantwortlichen eines mittelständischen Unternehmens. Dort hatte sie einige Monate zuvor ein Programm für die Personalentwicklung eingeführt. Auf meine Frage, wie das Programm denn bei den Teilnehmenden ankomme, sagte sie ernüchtert: „Es ist zäh. Die Leute machen zwar mit, aber Motivation sieht eigentlich anders aus.“
„Warum?“, fragte ich – ein Schulterzucken und anschließend einige vage Vermutungen von der anderen Seite. Nach diesem Gespräch fing ich an, zu forschen und zu beobachten: Was unterscheidet erfolgreiche Projekte von weniger erfolgreichen? Wie können Führungskräfte Mitarbeitende begeistern und sie mitreißen? Wie kann tiefgreifende und nachhaltige Personalentwicklung wirklich gelingen? Und ich fand Antworten! Sowohl in meiner Arbeit als auch bei Kolleginnen und Kollegen. In diesem Beitrag möchte ich meine vier Top-Faktoren teilen, die für den nachhaltigen Erfolg von HR-Programmen erforderlich sind.
Faktor 1: Das persönliche Warum
Der Erfolg eines jeden Personal-Entwicklungsprogramms hängt maßgeblich von einem Faktor ab: Wie stark kann das Feuer in den Mitarbeitenden für das Programm entfacht werden? Wie sehr erkennen die Mitarbeitenden ihr persönliches Warum in dem Gesamtkomplex?
Dabei gibt es meist eine Faustregel:
- Das Programm wird einer Person aufgedrückt = Die Person durchläuft das Programm aus einer extrinsischen Motivation heraus.
- Eine Person wird bezüglich des Programms genügend abgeholt und erkennt dadurch ihr persönliches Warum = Die Person kann eine intrinsische Motivation gegenüber dem Programm entwickeln.
Oder, um es in den Worten des britisch-US-amerikanischen Autors und Unternehmensberaters Simon Sinek zu sagen: „Working hard for something we do not care about is called stress, working hard for something we love is called passion.“
Das persönliche Warum der Mitarbeitenden ist selten mit dem Warum des Unternehmens gleichgesetzt. Wenn Führungskräfte vor einem Programmstart Mitarbeitende motivieren möchten, erreichen sie dies nicht, indem sie nur die Vorteile hervorheben, die für das Unternehmen selbst herausspringen.
Vielmehr wird dies erreicht, indem die Mitarbeitenden emotional abgeholt werden. Was meine ich damit? Stülpt keine fremden Wünsche, Fantasien und Gedanken über die Personen! Lasst sie im Rahmen eines Onboardings vielmehr selbst herausfinden, welchen Mehrwert es für ihr Leben bringen könnte, am Programm teilzunehmen. Erhofft sich eine Führungskraft beispielsweise, die erworbenen Skills auch zur Bewältigung des Privatlebens einsetzen zu können? Super! Erhofft die Mitarbeiterin, dank des Programms die Karriereleiter weiter hochsteigen zu können? Auch super! Möchte der Praktikant etwa auch am Programm teilnehmen, in der Hoffnung auf eine anschließende Übernahme? Dann belohnt diesen Ehrgeiz!
Gerade, wenn es um nachhaltige persönliche Entwicklung bei der Arbeit geht (und das umfasst natürlich meine Herzensthemen emotionale Intelligenz und Resilienz), braucht es umso mehr die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden.
Je mehr die Teilnehmenden des Programms intrinsisch motiviert sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass das Programm ein voller Erfolg wird, denn:
- Eine intrinsisch motivierte Person, die ihr Warum kennt, wird gewillt sein, das Gelernte nachhaltig zu integrieren.
- Intrinsisch motivierte Personen können auf eine ganz natürliche Weise ihre Kollegen und Kolleginnen ebenfalls für das Programm begeistern. Je mehr überzeugte Teilnehmende, umso erfolgreicher wird die Durchführung des Programms.
- Eine intrinsisch motivierte Person wird sogar außerhalb der Arbeit von dem Programm sprechen, was für euer Employer Branding natürlich hervorragend ist.
Faktor 2: Persönliche Relevanz
Zusätzlich zum persönlichen Warum ist es auch sehr wichtig, dass das Programm eine gewisse Relevanz für die jeweilige Person hat. Letztens erzählte mir beispielsweise eine Person, die aufgrund einer Gehbehinderung im Rollstuhl sitzt, dass sie eine Einladungs-E-Mail von der HR-Abteilung zu einer unternehmensinternen Laufgruppe erhalten habe.
Klar – es handelte sich wahrscheinlich um eine Massen-E-Mail, die an alle Mitarbeitenden des Unternehmens versendet wurde. Trotzdem hinterließ dies bei der besagten Person ein Gefühl des Frustes und des Nicht-gesehen-werdens.
Wenn es sich um generische Programme handelt, die der gesamten Belegschaft aufgedrückt werden, hinterlässt dies bei Mitarbeitenden einen faden Beigeschmack. Sie möchten nicht in Workshops mit Frontal-Beschallung Zeit absitzen. Sie möchten nicht die gleichen Inhalte zum wiederholten Male hören und dabei ein Gähnen unterdrücken. Menschen möchten gesehen werden – ja, auch bei der Arbeit! Sie möchten an Programmen teilnehmen, die ihre Herausforderungen und Probleme adressieren.
Faktor 3: Keine Zusatzbelastung, bitte
Vielen Arbeitnehmenden graut es vor der Teilnahme an Programmen und Maßnahmen. Wenn ich bei diesen Personen vorsichtig nachfrage, bekomme ich von Allen eine ähnliche Antwort: Die Programme finden häufig am Wochenende statt oder sie werden in den Feierabend gezogen.
Zudem höre ich zu oft die Aussage: „Meine täglichen Aufgaben bleiben unerledigt, während ich am Programm teilnehme.“ Kein Wunder, dass die meisten Teilnehmenden während der Workshops wie auf heißen Kohlen sitzen und regelmäßig ihre E-Mails checken.
Personalentwicklung ist keine Bestrafung. Sie darf und soll während der Arbeitszeit stattfinden. Und sie sollte, wenn möglich, in den Arbeitsalltag integriert werden, um die Personen nicht aus dem Arbeitsfluss herauszureißen.
Bei cocobiya versuchen wir beispielsweise, ganztätige Workshops zu vermeiden. Meiner Erfahrung nach funktioniert es am besten, wenn man die Personen maximal für drei Stunden aus ihrem Arbeitsalltag herausnimmt.
Noch erfolgreicher fahren wir mit der Methode „Spielerisch lernen im Arbeitsgeschehen“. Hierbei reißen wir die Mitarbeitenden gar nicht aus ihren täglichen Aufgaben heraus, sondern vertiefen mit kleinen spielerischen Elementen ihren persönlichen Lernprozess. Und das Spannende ist: Mit dieser innovativen Methode verbuchen wir höhere Erfolge.
Faktor 4: Geteiltes Wissen ist gelerntes Wissen
Bei Zusammenarbeit mit Unternehmen führe ich meist die sogenannten Sparringsgruppen ein: Je nach Zielstellung des Programms bekommen die Sparringsgruppen (drei bis fünf Personen mit hoher Gruppendiversität) konkrete Leitfäden und Anweisungen. Sie finden sich in regelmäßigen Abständen zusammen und bearbeiten (Reflexions-)Aufgaben, die von uns gestellt wurden.
In allen Sparringsgruppen konnte ich bisher eine interessante Dynamik beobachten: Innerhalb der Gruppen bildete sich eine Art Coaching-Dynamik. Die Personen bearbeiteten schon bald nicht mehr nur die gestellten Aufgaben, sondern suchten einander auch bei Herausforderungen auf und unterstützten sich gegenseitig beim Wachsen und Vorankommen.
So findet Lernen eine neue Tiefe und die Ziele des Programms können intensiver integriert werden.
Programme der Personalentwicklung werden dann erfolgreich, wenn sie für den Menschen und nicht an den Menschen vorbei entwickelt werden. Übrigens: Je stärker die emotionale Intelligenz der Belegschaft ausgeprägt ist, umso selbstorganisierter und intrinsisch motivierter können die Teilnehmenden an dem Programm mitmachen.
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