Arbeitszeiterfassung: Endlich Klarheit für Arbeitgeber

Arbeitsschutzgesetz

Am 13. September hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Die oberflächliche Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts hatte viele Fragen aufgeworfen. Nunmehr liegen die Entscheidungsgründe vor. Nachstehend sind die wesentlichen Argumente aufgeführt – und was daraus für Arbeitgeber folgt.

Tatsächliche Erfassung der Arbeitszeit

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich zu erfassen. Lediglich ein System zur Zeiterfassung zur Verfügung zu stellen, reicht nicht aus.

Welche Zeiten sind zu erfassen?

Zu erfassen sind der Entscheidung nach Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Überstunden. Dies klingt auf den ersten Blick trivial, kann aber je nach Tätigkeit erhebliche Probleme in der Praxis mit sich bringen. So werden klassische Produktionstätigkeiten im Schichtsystem einfacher zu erfassen sein als Tätigkeiten, die über den Tag verteilt flexibel, gegebenenfalls mit längeren Unterbrechungen, ausgeübt werden (zum Beispiel Arbeitnehmende schreiben noch einmal eine kurze E-Mail um 23:00 Uhr).

Form der Erfassung

Eine spezielle Form für die Zeiterfassung wird in den Urteilsgründen des Bundesarbeitsgerichts nicht vorgegeben. Denkbar ist somit sowohl eine elektronische Zeiterfassung als auch ein physisches System mit Aufzeichnungen in Papierform.

Erfasste Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Von der Pflicht zur Zeiterfassung sind jedenfalls Arbeitnehmende im Sinne von § 5 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz erfasst. Nicht eindeutig geht jedoch aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts hervor, ob auch eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung für leitende Angestellte besteht. Es lassen sich den Entscheidungsgründen jedenfalls Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass leitende Angestellte weiterhin von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen sind.

Zeitpunkt der Verpflichtung

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sind Arbeitgeber ab sofort – und damit ohne eine etwaige Umsetzungsfrist – zur Errichtung eines Zeiterfassungssystems verpflichtet.

Ende der Vertrauensarbeitszeit?

Eine der am häufigsten diskutierten Fragen seit Veröffentlichung der Pressemitteilung war, ob die Entscheidung das Ende der Vertrauensarbeitszeit bedeutet.

Das Bundesarbeitsgericht erkennt die Möglichkeit der Delegation der Aufzeichnung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Überstunden in den Urteilsgründen ausdrücklich an. Insoweit heißt es: „Es sei […] nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren“. Ein vollständiges Abwälzen der Zeiterfassungspflicht auf die Arbeitnehmenden dürfte nicht möglich sein. Unternehmen dürften jedenfalls eine Prüfpflicht haben und müssten insoweit entsprechende Zeiterfassungseinträge von Arbeitnehmenden mit Vertrauensarbeitszeit stichprobenartig prüfen und etwaigen Widersprüchen beziehungsweise Arbeitszeitverstößen auch aktiv nachgehen.

Beteiligung des Betriebsrats

Bereits der Pressemitteilung war zu entnehmen, dass einem im Unternehmen bestehenden Betriebsrat hinsichtlich des „Ob“ der Einführung einer Zeiterfassung kein Initiativrecht zusteht, da insoweit bereits eine gesetzliche Verpflichtung bestehe. Hinsichtlich des „Wie“ – also der Ausgestaltung der Zeiterfassung – besteht hingegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Anknüpfungspunkt für das Mitbestimmungsrecht sind insbesondere § 87 Absatz 1 Nummer 6 Betriebsverfassungsgesetz (technische Einrichtung) bei der Einführung elektronischer Zeiterfassungssysteme sowie das Mitbestimmungsrecht des Gesundheitsschutzes nach § 87 Absatz 1 Nummer 7 Betriebsverfassungsgesetz.

Sanktionen bei Verstößen

Das Risiko einer Ordnungswidrigkeit oder gar Strafbarkeit bei Nichteinführung eines Zeiterfassungssystems dürfe sehr gering sein. Das Bundesarbeitsgericht stützt die Verpflichtung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems auf die Regelung des § 3 Arbeitsschutzgesetz. Verstöße gegen diese Vorschrift sind nicht unmittelbar bußgeldbewehrt. Vielmehr bedarf es zunächst einer vollziehbaren Anordnung, die erst bei Nichtbefolgung ein Bußgeld nach sich ziehen kann.

Was ist jetzt für Unternehmen zu tun?

Unternehmen, die bereits ein Zeiterfassungssystem haben, sollten prüfen, ob sich aus der Entscheidung Umsetzungslücken ergeben und insoweit Optimierungen erforderlich sind. Falls in Unternehmen noch kein Zeiterfassungssystem existiert, ist die rechtssicherste Variante umgehend ein solches zu implementieren. Hierbei ist jedoch abzuwägen, ob nicht zunächst die gesetzliche Neuregelung abgewartet werden soll, um sich doppelte Arbeit zu ersparen. Ein unmittelbares Bußgeldrisiko besteht nicht. Ganz der Weihnachtsruhe sollten sich die Unternehmen dennoch nicht hingeben. Die Zeit sollte vielmehr zur Prüfung genutzt werden, welche Art der Zeiterfassung für das Unternehmen geeignet ist und ob insbesondere eine ”One-size-fits-all”-Lösung verwendet werden kann – oder doch unterschiedliche Systeme für verschiedene Mitarbeitergruppen.

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Dr. Anne Förster ist Partnerin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Taylor Wessing in Düsseldorf. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.

Anne Förster

Dr. Anne Förster ist Partnerin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Taylor Wessing in Düsseldorf. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Sie fokussiert sich dabei auf den Bereich Arbeitnehmerüberlassung und den rechtskonformen Einsatz von Fremdpersonal, insbesondere in der IT-Branche.  
Johannes Simon, Partner, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Arbeitsrecht, Taylor Wessing Düsseldorf

Johannes Simon

TaylorWessing
Johannes Simon, LL.M. (Durham) ist Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Taylor Wessing in Düsseldorf. Er berät nationale und internationale Unternehmen insbesondere in den Bereichen Personalflexibilisierung, innerbetriebliches Outsourcing und Fremdpersonal-Compliance.

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