Seit Jahren versucht HR über neue Organisationskonzepte endlich einen gleichberechtigten Platz am Tisch des Top Managements zu erhalten und dort ein gewichtiges Wort mitzureden. Warum gelingt das nur in wenigen Fällen? Welche Stellschrauben sind relevant?
Die Diskussion zur Positionierung von HR ist mittlerweile ermüdend. Fast zwei Jahrzehnte nach den Überlegungen des Übervaters Dave Ulrich lassen sich kaum neue Konzepte erkennen. Wenn wir ehrlich mit uns ins Gericht gehen, hat die Diskussion zum HR Business Partner oder auch Strategic HR Partner nicht wirklich zur Neupositionierung von HR in den Unternehmen beigetragen. Mit professionellen HR Shared Services verabschieden wir uns aus der Fläche, die transaktionale Arbeit ist hoch effizient geworden, muss aber nicht mehr das Label HR tragen und kann eben so gut auch von Externen erbracht werden. Was bleibt für HR?
HR sollte positive Erlebnisse seiner Kunden bestärken
Wollen wir uns weiter als Partner positionieren? Welche Partner fallen durch besondere Gestaltungsfähigkeit auf? Kaum ein Prinzgemahl – der Partner der Königin – ist in die Geschichte eingegangen. Ist die abendliche geschäftliche Einladung „mit Partner“ nicht eher so zu verstehen, dass es nicht ums Business geht? Wollen wir uns weiterhin von Trendstudien treiben und ins Stammbuch schreiben lassen, welche Themen wir schnellstmöglich aufgreifen müssen, weil alle anderen diese auch verfolgen und HR sich ansonsten vorwerfen lassen muss, Trends verschlafen zu haben?
Meines Erachtens sollte HR nicht versuchen, sich über seine Organisationsform oder das Besetzen von Trendthemen zu positionieren, sondern folgende zwei Dimensionen ausgestalten:
1. Ein auf Kundenerlebnisse fokussiertes Business Model schaffen;
2. Den Aufbau einer Marke für HR aktiv steuern.
Erfolgreiche Geschäftsmodelle befriedigen Kundenbedürfnisse mit erlebnisbasierten Wertangeboten. Nehmen wir als Beispiel Starbucks: Mehr als 19 Milliarden Dollar Erlöse bei einem durchschnittlichen Umsatz von 5 US-Dollar pro Kunde werden wohl nicht alleinig deshalb erzielt, weil der Kaffee so vorzüglich schmeckt, sondern weil mit dem Kaffee ein besonderes Erlebnis, ein positives Gefühl verkauft wird.
Warum beschäftigt sich HR so wenig mit dem Kundenerlebnis? Sucht man im Internet nach HR-Geschäftsmodell, erhält man als Ergebnis vorrangig HR-Organisationsmodelle (die fast immer auf drei Säulen fußen), Prinzipskizzen zu Rollenmodellen oder HR-Prozesslandkarten.
Was ich vermisse: Modelle die HR so beschreiben, wie erfolgreiche Business-Pläne aufgebaut sind. Es fehlt zumeist die Beschäftigung mit der Kundensegmentierung, die Analyse der Aufgaben, denen sich unsere Kunden Tag ein Tag aus stellen müssen: fachliche Aufgaben, Führungsaufgaben, administrative Aufgaben, soziale und emotionale Aufgaben. Und es fehlt das Ergründen, welche positiven und negativen Erlebnisse im Alltag unserer Kunden entstehen. Wie kann HR hier andocken, um in der täglichen Berufspraxis der Kunden positive Erlebnisse zu bestärken sowie negative Erlebnisse zu reduzieren oder auch ganz abzustellen? Welche Beziehungsebene muss geschaffen werden, um aus dem Erleben der Kunden eine positive Aufladung für HR generieren zu können?
Wie sollte ein auf dieser Basis ausgerichteter, kundenzentrierter HR-Produktkatalog aussehen? Ein solcher ist deutlich hilfreicher als eine HR-Prozesslandkarte. Die Kunden des Personalmanagements interessiert es weniger, wie HR Leistungen erbringt, sondern ob sie für die eigenen Handlungsfelder Unterstützung bekommen, der zugesicherte Nutzen eintritt, der Preis stimmt und dann noch ein positives Erleben mit der Leistungserbringung einhergeht.
Schaffen wir es, kundenzentrierte Produkte zu liefern, steigern wir damit auch die positive Markenaufladung HR. Die Marke ist ein Qualitätsversprechen und erfüllt eine Vertrauensfunktion. Emotionale Bindung fällt über eine starke Marke deutlich leichter, als über die reine Produktqualität. Die Beziehung wird in den Mittelpunkt gestellt, der Kunde auf emotionale, nützliche, teilnehmende, ja menschliche Weise involviert.
Drei Hebel, um das Kundenerlebnis und die HR-Marke positiv zu gestalten
Wie steht es aber heute um die Marke HR? Auch Sie haben eine Marke: Die Marke HR ist das, was über HR gesagt wird, wenn HR nicht im Raum ist. Wenn es ein Karrieresprungbrett ist, einen Job im Personalbereich zu bekleiden, spricht das für eine starke Marke. Wenn Projektmanager darum kämpfen, auf jeden Fall auch Kollegen aus HR in ihre Projekte zu bekommen, da es den Projekterfolg deutlich fördert, gilt dasselbe.
Ich sehe insbesondere drei Hebel, wie wir das Kundenerlebnis, das mit unseren HR-Produkten einhergeht, und die Marke von HR positiv gestalten.
1. Die Art der Interaktion mit unseren Kunden ist der erste Hebel. Hier ist es wesentlich, an den Einstellungen und dem gezeigten Verhalten von HR zu arbeiten. Wirkt „mein Personaler“ wie ein unterwürfiger Service-Erbringer oder wie der ordnungspolitische „schwarze Sheriff“ der Organisation? Oder aber erlebe ich in der Interaktion mit HR aufgeschlossene Kollegen, die frühzeitig auf mich zukommen, die mit innovativen Methoden spannende Formate gestalten, meine Bedarfe erkennen, hinterfragen und entsprechende Angebote formulieren? Erlebe ich einen Mehrwert, weil mir nicht nur inhaltlich geholfen wird, sondern ich mit jedem Kontakt inspiriert werde und mir Tipps und Tricks, Arbeitsmethoden und Ideen für die eigene Anwendung abschauen kann?
2. Die Botschaften, die wir vermitteln, ob nun gewollt oder ungewollt, bieten ebenfalls enormen Gestaltungsspielraum. Welche Inhalte und Informationen werden vermittelt, welche nicht? Habe ich die Chance, den Sinn hinter der Aufforderung zu verstehen, warum ich jetzt folgendes Formular bis zum Stichtag ausfüllen muss? Wird mit Governance-Strukturen und Vorstandsbeschlüssen argumentiert oder erkenne ich selbst, ohne viele Worte, den Mehrwert, der gegebenenfalls auch erst langfristig eintreten wird.
3. Und schließlich die Artefakte, die „Verdinglichung“ der Personalarbeit: Wie sind die Tools beschaffen, mit denen wir auf unsere Kunden zugehen? Wie einfach sind die Instrumente und Prozesse? Fühlt sich die HR-Arbeit gut an? Finde ich mich auch als Gelegenheits-User sofort mit der Bedienung zurecht? Ist HR mein Vorbild für das Thema Usability? Macht die Anwendung vielleicht sogar Spaß, regt mindestens aber zum Nachdenken an, sodass ich froh bin über die Intervention?
Meine Vision für eine erfolgreiche Markenaufladung HR sieht wie folgt aus: HR ist die Karrierestation im Unternehmen, denn
• dort wird Kundenorientierung aktiv gestaltet, Co-Creation mit dem Kunden gelebt und auf das Nutzererlebnis fokussiert. Die Form der Zusammenarbeit ist immer wieder inspirierend und impulsgebend.
• dort lernt man, wie erfolgreiche Führung in divers aufgestellten Teams funktioniert und wie
• dynamische, flexible Organisationen gebaut und erfolgreich gemacht werden.
Die Leitung einer solch inspirierenden Einheit hat man gerne mit im Top-Management-Team. Ob dies allerdings für diese Person reizvoll ist, werden wir dann sehen.