Herr Michaelis, das Publikum beim Personalmanagementkongress hat Whatever Works mit dem diesjährigen HR Start-up Award ausgezeichnet. Man hat schon auf der Bühne gesehen, dass die Freude beim Team darüber riesig war. Wie fühlt es sich jetzt mit ein bisschen Abstand an, und was bedeutet der Preis für Ihr Wirken?
Uwe Michaelis: Wir sind extrem stolz und fühlen uns in unserer Vision bestätigt. Diese haben wir in konkrete Lösungen übersetzt, die bei den Kundinnen und Kunden ankommen. Und ja, auch beim Award überzeugt haben. Im Nachgang haben wir noch viel positives Feedback von Personalverantwortlichen einsammeln können, was für uns weitere Bestätigung ist.
Sie sind ja noch ein sehr junges Start-up und mit Ihrer Lösung erst seit einem halben Jahr am Markt.
Deshalb ist der Preis für uns so ein wichtiger Meilenstein. Einfach sensationell, dass diese hochkarätige Jury uns unter die Top drei gewählt hat – und das Fachpublikum uns dann letztlich zum Sieger gekürt hat. Dieser Erfolg spiegelt auch die große Nachfrage nach unserer Lösung. Workations und Sabbaticals sind nicht nur Trend, sondern Topthema in den Personalabteilungen großer und kleiner Unternehmen gleichermaßen.
Persönliche Erfahrungen waren auch ein Anlass zur Gründung von Whatever Works. Wie kam es dazu?
Es ist eine sehr typische, fast schon klischeehafte Gründergeschichte. Ein guter Freund und ich haben zurückliegend zu unterschiedlichen Zeiten eine Auszeit von neun und zwölf Monaten genommen. Das Angebot unserer Arbeitgeber war zwar sehr attraktiv. Doch bevor es losgehen konnte, hatten wir mit einigen Hürden zu kämpfen und sind beide an den gleichen Problemen vorbeigekommen. Neben den formalen Fragen zu Vereinbarungen, rechtlichen Rahmenbedingungen und persönlichen Fragen, zum Beispiel zur Finanzierung, gab es auch organisatorische Fragen im Team und mit der Führungskraft zu klären. Eine Menge Einzelanfragen, 50 bis 60 Stunden manueller Aufwand. Und wir haben uns schon damals gedacht, das muss doch einfacher gehen. Das war tatsächlich der Ursprung der Idee.
Was hat Ihre Auszeit für Sie bedeutet?
Ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt: ein Jahr am Meer zu sein. Ich habe auf einer Expedition in Tonga im Südpazifik gearbeitet. So etwas ist nur möglich, wenn man mindestens mal sechs Monate rauskommt.
Warum wollen heute so viele Menschen eine Auszeit vom Job?
Die Grundmotive hierfür sind schon lange bekannt. Auch ich kam damals bei einem Beratungsunternehmen aus hohen Anforderungen und Arbeitsbelastungen und hatte einfach das Gefühl, der Jahresurlaub reicht nicht, um wirklich mal rauszukommen. Aber man will auch nicht gleich kündigen. Es hat ja nichts damit zu tun, dass man seinen Job hinschmeißen oder nicht arbeiten will. Ich habe dann bei der Expedition gearbeitet und war dabei am Meer. Ich habe ganz viele neue Inspirationen mitgenommen in meine Arbeitswelt und konnte mit neuer Energie Ideen weiterentwickeln, auch dazu, wie ich in Zukunft arbeiten will. Wir haben vor der Gründung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Bedeutung und Motiven einer Auszeit gefragt. Ganz klare Antwort: der Wunsch, länger an einem Ort zu sein, an dem man sonst nur Urlaub macht, mehr Zeit für die Familie, Hobbys oder persönliche Projekte.
Wie offen sind Unternehmen für Auszeiten?
Ich denke, viele Unternehmen sind grundsätzlich dafür offen, scheuen aber die komplizierten Prozesse und die tausend Fragen, die aufkommen. Wir reden mit vielen Unternehmen, vom Start-up bis zum Konzern. Letztere haben zwar eigene Legal-Abteilungen, aber es geht ja auch um eine reibungslose Abwicklung und Bündelung der Prozesse. Wir sehen Pioniere, gerade bei Start-ups, die Auszeiten aktiv fördern. Dann gibt es Unternehmen, die sich kulturell noch nicht in diese Richtung entwickelt haben und deshalb Auszeiten ablehnen. Und es gibt Unternehmen, die eigene Lösungen haben, sich aber nicht trauen, diese in der Breite anzubieten.
Sie hatten vorhin das Stichwort Lebenstraum genannt. Gerade junge Talente wollen heute nicht mehr nur im Hamsterrad sein, sondern auch ihre Lebensträume verwirklichen. Wer seine Talente nicht verlieren will, muss wohl Auszeiten anbieten.
Und ich würde es sogar noch verschärfen. Es geht ja auch darum, die Talente erst mal zu gewinnen. Wer keine Auszeiten anbietet, kommt immer schwieriger an neue Mitarbeitende. Wir rekrutieren jede Woche und kriegen dieses Feedback aus unseren Gesprächen ständig. Und wir hören es auch von vielen Unternehmen, die so schnell wie möglich mit diesen Angeboten starten wollen, weil dies von Bewerberinnen und Bewerbern derzeit stark nachgefragt wird.
Über den HR Start-up Award
Der HR Start-up Award wird seit 2016 jährlich auf dem Personalmanagementkongress in Berlin vom Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM), der HKP Group, dem Magazin Human Resources Manager und der Quadriga Hochschule vergeben. Ziel ist es, die Innovationen von Start-ups in die HR-Community zu tragen, voneinander zu lernen, miteinander die (Personal-)Arbeit der Zukunft zu gestalten – und dadurch die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit in disruptiven Zeiten sicherzustellen. 2023 haben sich 55 Start-ups beworben. Die Unternehmen Flip, Hyrd und Whatever Works wurden von der zehnköpfigen Jury um das Gründungsduo Elke Eller (Aufsichtsrätin und Start-up-Investorin) und Michael H. Kramarsch (Start-up-Investor, Gründer und Managing Partner, HKP Group) und der BPM-Präsidentin, Inga Dransfeld-Haase (Vorständin für Arbeit und Soziales, BP Europa) ins Finale nach Berlin geschickt. Dort hatte das Publikum die Wahl. Mehr Informationen unter: www.hrstartupaward.com
Sie wollen die Prozesse für eine Auszeit vereinfachen. Wo genau setzt Ihre Dienstleistung an?
Es ist ein klassisches Software-as-a-Service-Modell, das Dienstleistungen rund um Auszeiten konsolidiert. Rechtliche Klärung ist unser Herzstück, diese fließt in alle Workflows ein. Damit decken wir, zusammen mit unserem Partner, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, sämtliche relevanten rechtlichen und prozessualen Fragen ab, die bei der Planung einer Auszeit für Mitarbeitende in den Personalabteilungen entstehen. In Sonderfällen ziehen wir zusätzliche Experten heran. Wir bieten für die bisherigen Eins-zu-eins-Beratungen und zeitraubenden situativen Einzellösungen Standards in verschiedenen Auszeitformaten an.
Derzeit ist Workation sehr im Trend, also an einem anderen Ort sein und trotzdem im Job bleiben.
Workation ist zwar im Trend, aber dieses Format hat besondere Herausforderungen: arbeitsrechtlich, sozialversicherungsrechtlich, steuerrechtlich bis hin zu Aufenthaltsrecht im Ausland oder Versicherungsthemen. Die Komplexität auch im Hinblick auf die Arbeitsorganisation steigt enorm.
Sie haben es selbst erlebt: Wie muss man sich auf die Rückkehr in den Job nach einem Jahr völliger Auszeit vorbereiten? Das ist sicher auch nicht einfach.
Die Rückkehr ist eine sehr wichtige Phase. Wir arbeiten auch hier schon an Unterstützungsleistungen für Unternehmen, damit sie ihren Mitarbeitenden die Rückkehr erleichtern können. Eine Alternative zur langen Abwesenheit ist es, öfters kurze Auszeiten zu nehmen. Sogenannte Micro-Sabbaticals. Zwölf Monate sind toll, aber eine solche lange Auszeit reißt auf beiden Seiten erhebliche Lücken. Diese treten oft erst während der Planung zutage. Im privaten Umfeld wie auch am Arbeitsplatz. Eine Möglichkeit wäre, den Jahresurlaub an einem Stück nehmen zu können oder Überstunden für eine kurze Auszeit anzusparen. Unternehmen, mit denen wir reden, tendieren dazu, es mit den kurzen Auszeitformaten zu probieren.
Sie sagen, die Nachfrage ist groß. Wie sind Sie auf schnellen Wachstum vorbereitet? Viele Start-ups überleben diese Phase nicht.
Wir sind auf den großen Ansturm gut vorbereitet. Derzeit haben wir intern zehn Mitarbeitende und bis Jahresende werden wir noch mal um mindestens fünf bis sechs Mitarbeitende wachsen. Und wir haben den Vorteil, dass wir ein Corporate Start-up sind, eine Ausgründung aus der JobRad Holding. So können wir von der Erfahrung und den Rahmenbedingungen unserer Partner profitieren. Darüber hinaus profitieren wir von weiteren starken strategischen Partnern, die wir bereits letztes Jahr in der Frühphase der Ideenvalidierung mit an Bord geholt haben. Mit der KPMG arbeiten wir inzwischen seit mehr als 18 Monaten zusammen. Letztes Jahr haben wir zudem mit dem Company Builder MVP Factory aus Berlin eine Partnerschaft geschlossen, um schnell gute digitale Lösungen mit einer hohen Customer Experience entwickeln zu können.
Sie haben sich gleich nach der Gründung für den HR Start-up Award beworben. Das war sehr mutig.
Wir hatten sogar überlegt, bereits im vergangenen Jahr nur mit dem Konzept an den Start zu gehen. Gut, dass wir das nicht gemacht haben. Es war jetzt genau der richtige Zeitpunkt.
Herr Michaelis, vielen Dank für das Gespräch.
Über den Gesprächspartner:
Uwe Michaelis ist Geschäftsführer und Gründer von Whatever Works. Zuvor hat er sechs Jahre als Bereichsleiter für Digitalisierung bei JobRad gearbeitet und ist anschließend in die JobRad Holding in einen Bereich für Neugeschäftsentwicklung gewechselt. Im Zuge dessen wurde die Idee von Whatever Works, die von einem Arbeitskollegen und ihm stammt, aufgegriffen und validiert. Aufgrund der positiven Ergebnisse im Jahr 2022 wurde das Geschäftsmodell als eigenes Corporate Start-up ausgegründet.
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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Investition. Das Heft können Sie hier bestellen.