Der Mittelständler J. Schmalz GmbH lockt Mitarbeiter mit einem aufwändigen Rundum-Sorglos-Paket, wie man es sonst nur von Großkonzernen wie Google kennt. Damit bei der ganzen Mitarbeiter-Wellness keine allzu große Trägheit aufkommt, flankiert das Unternehmen sein Verwöhnprogramm mit klaren Leistungsanreizen.
Idyllisch ist es zweifellos im staatlich anerkannten Luftkurort Glatten. Das 2.300-Einwohner-Städtchen findet sich in ruhiger Lage zwischen Wiesen und Wäldern im nördlichen Schwarzwald. Wunderschön ist es hier, findet Kurt Schmalz. Allerdings geht es nach seinem Geschmack bisweilen ein bisschen zu beschaulich zu.
Kurt Schmalz führt in Glatten gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang Schmalz in dritter Generation das gleichnamige Familienunternehmen: 900 Mitarbeiter fertigen Produkte rund um die Vakuumtechnik für verschiedene Branchen. Schmalz plagen die klassischen Hidden-Champion-Probleme: Das Unternehmen ist zwar international erfolgreich und wächst dynamisch. Doch es ist schwierig und wird in Zeiten des Fachkräftemangels nicht einfacher, qualifizierte Nachwuchskräfte und Experten für eine Anstellung bei einem nur Brancheninsidern bekannten Mittelständler in einer eher entlegenen Region Deutschlands zu begeistern. „Die junge Ingenieurin aus Stuttgart denkt nach dem Studium erst mal an bekannte Arbeitgeber in der Stadt wie Bosch und Co.“, konstatiert Schmalz. „Sie denkt: Im Schwarzwald, da ist doch nichts los. Da gibt es nur altmodische, kleine Unternehmen, in der Freizeit nichts zu tun außer wandern und keine Infrastruktur.“ Schmalz hat es sich zum Ziel gesetzt, das Gegenteil zu beweisen: „Wir wollen als Arbeitgeber den Vergleich mit den großen Konzernen in großen Städten nicht scheuen müssen.“
Google und Facebook als Inspiration
Wer als Mitarbeiter bei Schmalz eine Stelle antritt, dem wird es an nichts fehlen, so die Botschaft des Unternehmers. Das „Life+“-Programm macht es möglich: Unter diesem Namen hat Schmalz vor drei Jahren im Zuge einer Arbeitgeberimage-Kampagne eine Vielzahl von Zusatzleistungen für Mitarbeiter gebündelt. „Finanzen und Sicherheit“, „Perspektiven und Bildung“, „Gesundheit und Wohlbefinden“, „Familie und Freizeit“: Um alles kümmert sich die Firma. Das Prinzip hat sich Schmalz bei einigen der beliebtesten Arbeitgeber der Welt wie etwa Google oder Facebook abgeschaut: Die Mitarbeiter müssen das Firmengelände eigentlich nur noch zum Schlafen verlassen. Das Unternehmen kümmert sich mit einem Rundum-Sorglos-Paket um nahezu jeden Aspekt ihres Lebens und sorgt dafür, dass der Spaßfaktor bei der Arbeit nicht zu kurz kommt.
Niemand soll etwa Sorge haben, sich auf einer perspektivlosen Stelle ohne Aufstiegschancen zu langweilen. Mitarbeiter können sich für Kurse an der unternehmenseigenen Weiterbildungsakademie freistellen lassen. Der Fach- und Führungskräftenachwuchs wird dort mit speziellen Programmen gefördert. Und wer schon immer einmal wissen wollte, wie Führungskräfte aus anderen Abteilungen arbeiten, kann diese zwei Wochen lang bei ihrer Arbeit begleiten. Die Schmalz Academy bietet indes längst nicht nur fachliche Anregungen. Das Angebot für Mitarbeiter reicht vom Bastel- und Kochkurs über Yogastunden bis zu Gesundheitsberatung, im Programm sind auch Fahrsicherheitstrainings und Vorträge über andere Länder und Kulturen.
Im Betriebsrestaurant in einem für sieben Millionen Euro neu erbauten, modern und nachhaltig gestalteten Kommunikations-Zentrum wird täglich frisch und gesund mit regionalen Zutaten gekocht. Schmalz-Mitarbeiter entspannen sich nach dem Mittagessen in der Gartenanlage mit jüngst angelegtem Biotop, relaxen beim Massage-Service oder toben sich auf dem firmeneigenen Beachvolleyball-Feld aus – flexible Arbeitszeiten und Vertrauensarbeitszeit-Modelle machen das ohne schlechtes Gewissen möglich. Wer trotz Gesundheits-, Obst- und Altersvorsorge-Service einmal gestresst ist oder private Probleme hat, kann die Psychologen der von Schmalz finanzierten Lebenslagen-Hotline um Rat fragen – oder ein Sabbatical einschieben. Für Mitarbeiterkinder hat Schmalz eine Villa zur „Kinderwelt“ umgebaut, Erzieherinnen betreuen dort Kinder im Alter von acht Wochen bis drei Jahren regelmäßig oder auch kurzfristig in Notfällen. Während der Schulferien bespaßen eigens engagierte Erzieher auch ältere Kinder ganztags im Firmenauftrag.
Das „Life+“-Programm klingt eher nach einem entspannten Wellness-Familienurlaub als nach effizientem Arbeiten. Doch Unternehmer Schmalz ist überzeugt, dass sich das luxuriöse Rundum-Sorglos-Paket für die Mitarbeiter auszahlt. „Das Programm macht potenzielle Bewerber neugierig, die im Internet oder in Broschüren auf unser Unternehmen stoßen“, sagt er. „Wenn wir dadurch erreichen, dass Nachwuchskräfte und Experten außerhalb der Region auf uns aufmerksam werden, über uns reden und einen näheren Blick auf unser Unternehmen werfen, haben wir viel gewonnen.“ Denn wer einmal im Unternehmen angekommen sei, der bleibe in der Regel auch. „Unsere Mitarbeiter sind stolz auf ihr Unternehmen, sie identifizieren sich mit uns“, sagt Schmalz.
Wie viel Mittelständler Schmalz konkret in den vergangenen Jahren in seine Employer-Branding-Kampagne auf Konzernniveau investiert hat, kann der Unternehmer nicht konkret beziffern. „Das Thema ist ja nicht ganz neu für uns. Viele Einzelmaßnahmen gibt es schon seit zwanzig, dreißig Jahren“, erklärt er. Nach einer Mitarbeiterbefragung und Marktanalyse vor drei Jahren habe man die bestehenden Maßnahmen lediglich inhaltlich ergänzt – und ihnen mit „Life+“ einen öffentlichkeitswirksamen, modernen Namen gegeben. „Die einzelnen Maßnahmen für sich genommen sind nicht das Entscheidende, sondern das Gesamtbild“, betont er. „Letztlich kommt es auf das Zusammenspiel all dieser inhaltlichen und kommunikativen Maßnahmen an.“ Über allem stehe die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. „Unsere Botschaft ist: Wir sind ein dynamisches, erfolgreiches Unternehmen. Nicht obwohl, sondern weil wir uns um die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt kümmern.“ Das Unternehmen könne sich all die Zusatzleistungen für Mitarbeiter und Investitionen in Vorzeige-Projekte wie das neue Kommunikationszentrum leisten, weil es sehr leistungsstarke und motivierte Mitarbeiter habe.
Tagesziele in Echtzeit via Digitalanzeige
Auch das hat sich Schmalz von Arbeitgeberikonen wie Google und Co. abgeschaut: Neben der Wohlfühlkultur pflegt das Unternehmen auch eine klar leistungsorientierte Firmenkultur. „Dynamik und Erfolg des Unternehmens stehen für alle an erster Stelle. Wir wollen ja keine Wellness-Einrichtung sein, sondern ein leistungsstarkes Unternehmen, auf dessen Erfolge die Mitarbeiter stolz sein können“, erklärt er. Auf überall im Betrieb verteilten Displays können Mitarbeiter daher unter anderem das „Tagessoll“ ablesen: Die digitalen Anzeigetafeln zeigen in Echtzeit an, wie weit die Belegschaft insgesamt noch davon entfernt ist, die Tagesquoten bei Umsatz und Auftragseingang zu erreichen. Die Kennzahlen treffen auf großes Interesse bei den Mitarbeitern – denn sie sind über ein ausgefeiltes Prämien-System am Unternehmenserfolg beteiligt. Jeder Mitarbeitende kommt mit leistungsgebundenen Prämien durchschnittlich auf 13 bis 15 Monatsgehälter pro Jahr.
Schmalz beteiligt seine Mitarbeiter mit einem festen prozentualen Anteil am Unternehmensgewinn. Der Betrag verbleibt fünf Jahre im Unternehmen, wird verzinst und dann ausbezahlt. Erreichen die Mitarbeiter das gesteckte Umsatzziel, erhalten sie monatlich eine zusätzliche Prämie. Teams bekommen bei guten Kennzahlen quartalsweise einen weiteren Betrag ausgeschüttet. Einmal im Jahr wird die persönliche Leistung in einem ausführlichen Gespräch mit einer Führungskraft bewertet. Auch diese Bewertung spiegelt sich in einer individuellen Prämie finanziell wider. Wer die eigene Leistungsfähigkeit durch eine gesunde Lebensweise pflegt, kann zudem einen Nichtraucherbonus und eine Gesundheitsprämie erhalten. „Das alles haben wir gemeinsam mit unserem gewählten Mitarbeiter-Beirat entwickelt“, sagt Schmalz.
Mitarbeiter bewerten ihre Führungskräfte
Das Mitarbeiter-Gremium ist bei personalstrategischen Fragen stets eingebunden, alle Mitarbeiter können sich zusätzlich über ein betriebliches Vorschlagwesen einbringen und bewerten ihre Führungskräfte in einem Feedback-System. „Bei uns entscheidet nicht die Geschäftsführung allein oder ein Personalvorstand über die Ausrichtung des Personalmanagements“, sagt Schmalz. Die Personalabteilung sei daher schlank aufgestellt und übernimmt vor allem Umsetzung und Controlling der gemeinsam beschlossenen Personalführungs-Maßnahmen. „Ein Personalentwickler und Coach greift ein, wenn es doch einmal zu Spannungen zwischen Mitarbeitern oder Führungskräften kommt.“ Das sei aber selten notwendig. „Die Mitarbeiterzufriedenheit ist hoch“, sagt Geschäftsführer Schmalz. „Das spiegelt sich auch in dem sehr guten Image wider, das wir hier in der Region als Arbeitgeber und Ausbilder haben.“
Sein nächstes Projekt ist es, das Image der ganzen Region aufzupolieren. Als IHK-Vizepräsident setzt Schmalz sich dafür ein, den Nordschwarzwald mit seinen zahlreichen Hidden Champions als „Wissensregion“ zu positionieren. Die Unternehmen sollen sich stärker vernetzen, mit Hochschulen zusammenarbeiten und die Kommunen dazu bewegen, die Infrastruktur zu verbessern, erklärt Schmalz: „So wie wir als Unternehmen den jungen Leuten von außerhalb zeigen, dass wir mit den Großkonzernen mithalten können, muss auch die ganze Region zeigen: Wir haben mehr zu bieten als nur die idyllische Natur.“