Auf dem Kommunikationskongress 2018 sprach der Karriereberater und Bestsellerautor Martin Wehrle über die Spielregeln der mutigen Kommunikation. Uns verrät er im Interview, warum er sich mehr Authentizität und Ehrlichkeit in Unternehmen wünscht.
Herr Wehrle, In Ihrem Vortrag sind Sie auf das Thema Employer Branding und die Aufmachung von Stellenausschreibungen eingegangen. Sie haben kritisiert, dass selbst für die tristeste Position „Leidenschaft“ und Co. gefordert werden und der Arbeitgeber sich in den schillerndsten Farben präsentiert. Viele Unternehmen fühlen sich unter Zugzwang, Fachkräfte in dieser euphorischen Form zu adressieren. Ihr Rat?
Ich würde es im Unternehmen sogar zum Alleinstellungsmerkmal machen, dass ich in den Stellenausschreibungen ehrlich bin. Wer transportiert: „In unseren Inseraten lesen Sie nicht nur, was toll an unserer Arbeitgebermarke und den Jobs bei uns ist, sondern Sie erfahren auch, was die Herausforderungen sind. Vielleicht kommen Sie dann nicht zu uns. Wenn Sie sich aber darauf einlassen, haben wir diese positiven Aspekte für Sie: …“ Bewerber, die sich dann melden, werden selbst auch ehrlicher sein und ihre eigenen Schwachstellen bereitwillig zugeben. Und Sie werden, wenn sie eingestellt sind, vermutlich für längere Zeit bleiben, weil sie spüren, dass sie nicht reingelegt wurden. Andersherum habe ich den Eindruck: Je euphorischer sich Unternehmen darstellen, desto geschönter sind auch die Bewerbungen, die bei ihnen ankommen. Und all diesen geglätteten und abgeschliffenen Kommunikationsformen sind wir doch insgesamt alle überdrüssig.
Thema Führung: Kann ich meine Mitarbeiter zu ehrlicher Kommunikation ermutigen?
Da gibt es ein einfaches Mittel: Statt zu predigen, sollte ich handeln. Wenn Sie ein Umfeld haben, in dem die Duckmäuser, die immer mit dem Kopf nicken und eine Schleimspur hinterlassen, befördert werden und Gehaltserhöhungen bekommen, dann können Sie in die Unternehmensgrundsätze schreiben, „wir wünschen uns kritische Mitarbeiter“ – die werden Sie nicht bekommen. Wenn Sie aber kritischen Kollegen den Aufstieg ermöglichen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen, ermutigen Sie damit auch alle anderen. Sie müssen diese Art der Kommunikation vorleben. Ist das der Fall, werden Sie aus den Ecken, in denen zuvor Stille herrschte, plötzlich Stimmen hören – von Menschen, die dicht am Kunden dran sind, die sehen, wie es auf den Baustellen läuft, von Pressesprechern, die wissen, wie Kommunikation funktioniert. Sie alle werden der Unternehmensführung vernünftige Impulse geben. Das kostet nichts und ist viel mehr wert, als einen externen Berater zu konsultieren.
Gibt es in deutschen Unternehmen eine kommunikative Duckmäuserkultur?
Ja, das würde ich so unterschreiben. Es ist leider so, dass beim Topmanagement oft gar nicht mehr ankommt, wie die Wirklichkeit im Unternehmen aussieht. Nehmen wir die Abgasaffäre bei VW, da hat neulich erst ein Insider ausgepackt, die unteren Ebenen haben das Problem frühzeitig erkannt. Es wurde nach oben kommuniziert – aber dort wollte niemand etwas davon wissen. Das hat auch mit dem Druck der Börse zu tun, der Sucht danach, Gewinne zu steigern, und damit, dass Manager oft mehr anhand von Quartalszahlen beurteilt werden als an der Nachhaltigkeit ihrer Entscheidungen.
Martin Wehrle ist Karriereberater und Bestsellerautor. Auf dem Kommunikationskongress 2018 sprach er auf Einladung des Softwareunternehmens Yesspress.
Dieses Interview ist zuerst in unserem Schwestermagazin pressesprecher.com erschienen.