Gunter Dueck ist ein Vordenker mit einem Hang zu streitbaren Themen. In „Schwarmdumm“ knöpft er sich die Schwarmintelligenz vor. Wir haben mal einen Blick in das neueste Buch des ehemaligen IBM-Cheftechnologen geworfen.
Auf den ersten Blick klingt es einleuchtend: Je mehr sich darum kümmern, eine bestimmte Fragestellung zu lösen, desto besser. Die Intelligenz des Schwarms wird nahezu überall gepriesen. Doch es mehren sich Stimmen, die sich kritisch mit dem Phänomen auseinandersetzen. Aktuell gesellt sich auch der ehemalige IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck dazu. Er dreht es gleich komplett um, kritisiert das Konzept der Schwarmintelligenz fundamental und redet von Schwarmdummheit, die in unserer Arbeits- und Lebenswelt vorherrsche. Schwarmintelligenz funktioniere bloß mit einer Gruppe, die sich nur für einen bestimmten Zweck in genau dieser Konstellation zusammengefunden hat: „Intelligente Schwärme haben ein gemeinsames Ziel (…), sie arbeiten als Team zusammen, nicht als ,Funktionäre‘ ihrer Bereiche – und sie sind absolut nicht opportunistisch.“
Genau hier sieht Dueck eines der heutigen Kernprobleme moderner Organisationen, einen auf allen Ebenen um sich greifenden Opportunismus. Das ist aber nicht alles. Hinzu kommt eine Abrechnung mit der vorherrschenden Team- und Meetingkultur, außerdem kritisiert er, dass es keine realistischen Ziele gebe und keinen Blick aufs Ganze, sondern eine Dominanz des Tagesgeschäftes, Ereignisgetriebenheit, lokale Lösungen und ständige Eile und Stress. So geht Exzellenz, und damit auch Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft, verloren: „Das Streben nach Erstklassigkeit ist ein Nährboden für Schwarmintelligenz. Wenn das fehlt, entsteht Schwarmdummheit“, schreibt der Autor.
Diese Schwierigkeiten, die „selbstverursachte komplizierte Dummheit unserer Arbeits- und Lebenswelt“, sind Folge des Optimierungswahns und der daraus resultierenden dauernden Überlastung und führen unter anderem zu Unproduktivität und einem Klima des Gegeneinanders. Dann ist also das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich mal als Ziel ausgegeben wurde.
Gunter Dueck, der gerne als Quer- und digitaler Vordenker bezeichnet wird, malt ein eher pessimistisches Panorama moderner Organisationen und davon, wie sie ihre Arbeit händeln. Und auch wenn man sich vielleicht nicht in allem wiederfindet, was er schildert, so sind es wohl die wenigsten, die behaupten können, dass es bei ihnen komplett anders zugeht. Dueck nimmt sich dabei übrigens nicht nur, aber vor allem die Führungskräfte zur Brust. Um etwas übers Management zu lernen, empfiehlt er übrigens die Super-Nanny oder Tier-Coaching-Sendungen. Klingt absurd, aber dabei würde man lernen, dass fast nie die Kinder oder die Tiere das Problem sind, sondern die Eltern beziehungsweise Herrchen.
Das mag man als sehr plakativ empfinden – so wie auch den Titel des Buches –, doch die Beispiele aus anderen Lebenswelten illustrieren das Anliegen des selbsternannten Weltverbesserers. An anderer Stelle bedient er sich ökonomischer und psychologischer Theorien und bei den antiken Philosophen. Nur ab und an blitzt ein wenig Sarkasmus durch Duecks ansonsten sehr klare und analytische Argumentation, doch alles in allem hört man bei ihm keine Untergangsstimmung heraus, auch wenn er auch nach dem letzten Kapitel seines Buches keine wirklichen Lösungsvorschläge parat hält. Kluge Anregungen für die weitere Diskussion um Organisationsstrukturen, Führung und Co. hat er damit aber in jedem Fall gegeben.